Benutzerservice/DV-Hersteller erkennen die Bedeutung der Post- Sales-Services Qualifizierte Hotline-Hilfe schafft markentreue Kunden

11.08.1995

Von Edgar Koribalski*

"It's not a job, it's an adventure": Mit diesem Slogan wirbt nicht nur die amerikanische Armee. Auch fuer Hotline-Mitarbeiter besitzt dieser Satz Gueltigkeit. Die Unterstuetzung der Kaeufer betrachten immer mehr DV-Anbieter als wichtig fuer ihr Image am Markt. Sie tun einiges, um diesen Faktor in den Griff zu bekommen.

So heiss war das Thema Hotline frueher nicht. Der Hilfesuchende durfte seine Problemstellung telefonisch durchgeben und wurde mit einigem Abstand - mindestens eine Stunde - zurueckgerufen. Meistens hatte sich das Problem dann schon in Luft aufgeloest, da der Anwender per Handbuch auf den Dreh gekommen war. Diese Billigvariante zieht nur noch bedingt. Die Taktik des Hinhaltens, um die Hotline von Allerweltsfragen zu entlasten und Personal zu sparen, ist out.

Wer als Anwender nun aber glaubt, mit dem Softwarekauf automatisch den Anspruch auf Supersupport durch den Hersteller erworben zu haben, sieht sich vielleicht schon bald getaeuscht. Die Software ist billiger geworden, aber Hotline-Hilfe ist nicht mehr in jedem Fall im Preis inbegriffen. Die Unterstuetzung muss separat bezahlt werden.

Nicht jeder hat Anspruch auf Support per Telefon

Sogenannte Screener nehmen beim Hersteller heutzutage die Anrufe entgegen und pruefen erst einmal den Anspruch auf Support. Beim ersten Anruf erfolgt neben dem Check der persoenlichen Daten auch immer haeufiger eine Abfrage der nach verschiedenen Verfahren festgelegten individuellen Produktnummer. Einige Anrufer legen dann schnell wieder auf, auf diese Art daran erinnert, die Raubkopie doch besser gegen gekaufte Programme auszutauschen. Bei Microsoft gingen seit Einfuehrung dieses Prozederes die Anfragen innerhalb der ersten sechs Wochen um gut 20 Prozent zurueck.

Aber auch denen, die gerade einen neuen Rechner mit einem Paket wohlfeiler Software erworben haben, teilen die Screener in vielen Faellen mit, dass fuer dieses Produkt kein Anspruch auf Support durch die Softwarefirma besteht. Die mit dem PC verkaufte Software wird naemlich unter anderem nur dadurch so extrem guenstig angeboten, dass statt den Herstellern die Handelsketten den Support uebernehmen, was sich in der Kostenkalkulation der Programmschmieden niedergeschlagen hat.

Der Kaeufer merkt dies meist erst, wenn der Screener den Anrufer an den Verkaeufer zurueckverweist. Wer liest schon alle Zettel, die er beim Kauf von Computern erhaelt? Das Kleingedruckte macht's mal wieder.

Die Organisation des Supports ist jedem Unternehmen selbst ueberlassen. Es gibt keine verbindliche Vorschrift, dass ein Anruf durchkommen, geschweige denn die Wartezeit am Telefon unter zehn Minuten liegen muss. Deshalb sagen die Angaben der Supportverantwortlichen ueber Quantitaet und Bearbeitungsdauer der Anrufe pro verkaufte Softwarelizenz auch herzlich wenig ueber die Qualitaet der Produkte aus. Denn ob auf hundert verkaufte Softwarepakete zwei oder dreissig Anrufe eingehen, haengt von der verfuegbaren Kapazitaet des Supportanbieters ab.

Microsoft zum Beispiel beschaeftigt 250 Mitarbeiter in diesem Bereich. Sie sind fuer Zentral- und Osteuropa zustaendig. Mit diesem Team haben es sich die Unterschleissheimer zum Ziel gemacht, die Wartezeit bei den durchschnittlich 3000 Anrufen pro Tag auf maximal eine Minute zu begrenzen. Laut Rainer Kniesche, Director Technical Support Central Europe, ist man diesem Ziel schon recht nahe gekommen.

Nach den monatlichen Statistiken, mit denen sich eigens ein spezialisierter Mathematiker beschaeftigt, liegt, so Kniesche, die Erfolgsquote im Moment bei ueber 90 Prozent. Der naechste Engpass ist aber absehbar, denn der Supportchef ahnt bereits, dass es trotz ueber 100 zusaetzlich eingestellter Mitarbeiter mit dem Verkaufsstart von Windows 95 ab dem 5. September dieses Jahres zu Engpaessen kommen koennte. Nicht nur sind qualifizierte Mitarbeiter schwer zu bekommen, auch die Leitungen der Telekom in Unterschleissheim unterliegen demnaechst einem Belastungstest.

Die Hotline ist aber nicht die einzige Form der Unterstuetzung. Ausser Mailbox- und Btx-Support haben viele Unternehmen Foren in Compuserve eingerichtet. Darin koennen sich die Anwender ohne Zugangs- und Lizenzkontrolle mit Herstellern und anderen Teilnehmern ueber ihre Probleme austauschen.

Hier findet der User Standardantworten zu haeufig auftretenden Fragen, aber auch Loesungen zu nicht alltaeglichen Problemen. Gerade Compuserve-Foren sind fuer ihre aktiven Teilnehmer bekannt. Anwender finden dort auch Antworten, fuer die der normale Support nicht zustaendig ist. Darunter fallen vor allem Fragen zu Betaversionen und deren Zusammenarbeit mit diverser Soft- und Hardware. So ist zum Beispiel im Newton-Forum die Loesung zu Mausproblemen des Connection-Kits mit der Betaversion von Windows 95 schon parat.

"RTFM"-Flueche fuer lesefaule Anwender

Auch per Fax gibt es Support. Fuer oft gestellte Fragen, die im Handbuch nicht in aller Ausfuehrlichkeit beantwortet werden, stehen zum Beispiel bei Lotus ueber 8000 Dokumente auf Abruf bereit. Viel Stoff, der aber nichts nuetzt gegen die bei allen Hotlines gefuerchteten RTFMs. Das sind im Jargon der Supportspezialisten lesefaule Anwender, im stillen mit "Read the fu..... manual" bedachte User, also jene, die es nicht einmal probieren, simpelste Fragen durch einen Blick in das Handbuch zu loesen.

Von dem Heimanwender mit Problemen bei der Installation bis zum DV-Manager eines Grosskonzerns reicht das Spektrum der Kunden. Auf deren Wuensche hinsichtlich der Art der Antworten - von "unkomfortabel, aber gratis" bis hin zu "exklusiv" - haben sich die Unternehmen mit unterschiedlichen Vertragsangeboten eingestellt. So bietet beispielsweise Microsoft zum Preis von 600 Mark jaehrlich einen Supportvertrag fuer MS-Office, bei dem der Kunde bis zu 25mal pro Jahr anrufen darf.

Je nach Aufgabenbereich reicht aber diese Betreuung nicht aus. DV- Spezialisten bei Grosskonzernen rufen bei der Hotline mit dem Ziel an, sofort einen Topspezialisten fuer ein Produkt an der Leitung zu haben, ohne erst einem Standard-Supportler ihre Sorgen zu klagen. Auch fuer diese Kunden ist bei den meisten Herstellern ueber entsprechende Vertraege und organisatorische Regelungen gesorgt.

Man kann es sogar soweit treiben, dass rund um die Uhr weltweit Unterstuetzung bereitsteht. So ein exklusiver Vertrag kann 55000 Mark pro Jahr kosten. Dafuer ist dann garantiert, dass im 7x24-Stunden-Service ein Spezialist helfen wird.

Ist der Kunde zahlungskraeftig und das Problem brisant, schrillen bei Microsofts Escalation Engineers in Muenchen die Alarmglocken. Diese Experten haben Zugriff auf den Sourcecode und bauen, wenn es sein muss, sofort Patches, um extrem kritische Probleme zu loesen. Davon kann ein Normal-User nur traeumen.

Aber auch Fehlermeldungen von Anwendern ohne Spezialvertrag nimmt der Support durchaus entgegen und loest sie je nach Prioritaet zum Teil sogar kurzfristig. Lotus unterscheidet hierbei nach "Priority" und "Severity".

Die Priority gibt der Kunde selbst an; sie besagt, wie dringend das Problem fuer ihn ist. So sind Schwierigkeiten beim Drucken in vielen Faellen nicht sonderlich kritisch. Handelt es sich aber um Praesentationsunterlagen fuer die in zwei Stunden beginnende Vorstandssitzung, bekommt die Sekretaerin wohl schon eher das Gefuehl, dass ihr Chef den Ausdruck fuer recht wichtig halten wird.

70 Prozent der Fragen gelten der Installation

Die Severity hingegen ist ein objektiver Wert. Hierbei gibt es Unterscheidungen, zum Beispiel ob ein Unternehmen ueberhaupt nicht mehr arbeiten kann oder ob "nur" einer von mehreren Servern nicht mehr laeuft. Beide Kriterien werden beruecksichtigt, wenn es darum geht, wie schnell ein Softwareproblem aus der Welt zu schaffen ist.

Es muss aber nicht immer der grosse Crash sein, der Kunden zu einem Anruf veranlasst. Christian Moegel, Support Manager fuer Central and Eastern Europe bei der deutschen Lotus-Niederlassung in Muenchen, weiss zu berichten, dass sich rund 70 Prozent der Anfragen beim kostenlosen Support auf die Installation beziehen.

So sollten die Mitarbeiter im Standardsupport vor allem geschickt im Umgang mit den Anrufern sein, da die Fragen sich meist auf schnell gelernte Standardfunktionen der Produkte beziehen. Die Anrufer brauchen jemand, der ihnen zuhoert und ihr Problem ernst nimmt, dann sind die meisten schon zufrieden, berichten viele Supportspezialisten.

Dass es nicht nur auf technisches Verstaendnis ankommt, ist bei der Einstellung von Supportmitarbeitern ganz wichtig. Fachwissen zu den Programmen laesst sich relativ schnell lernen, aber alle zehn Minuten mit einem anderen Menschen ueber ein neues Problem zu reden und dem Anrufer dabei das Gefuehl zu geben, gut aufgehoben zu sein, lernt man nicht aus dem Handbuch.

Dennoch ist Fachausbildung sehr geschaetzt. Zwischen zehn und zwanzig Prozent ihrer Arbeitszeit verwenden Supportspezialisten durchschnittlich fuer Weiterbildung. Die reicht von klassischen Produktschulungen ueber Train-the-trainer-Seminare bis hin zu Workshops und Besuchen bei den Entwicklern. Es ist keine Seltenheit, dass Mitarbeiter vom Support in die Entwicklung wechseln.

Hohe Fluktuation im Nervenkarussell

Interessante Aufstiegschancen im Support und Job-Enrichment tragen dazu bei, die eigentlich recht hohe Fluktuation in diesen Nervenkarussell zu bremsen. Da es sehr aufwendig ist, neue Mitarbeiter in die Teams einzuarbeiten, unternehmen die Supportverantwortlichen einiges, um die Mitarbeiter zu motivieren.

Bueroraeume, die sich teilweise nur zwei Beschaeftigte teilen muessen, und ziemlich flexible Zeiteinteilung geniessen bei den Mitarbeitern neben - zumindest bei einigen Unternehmen vorhandener - exzellenter technischer Ausstattung hohes Ansehen. So ist es durchaus Usus, dass ein Mitarbeiter drei Stunden arbeitet, um dann genauso lang Pause zu machen, ein anderer dagegen im Stundenrhythmus Arbeit mit Entspannung tauscht.

All dies gewaehren die Unternehmen, um dank motivierter Supporter zufriedene Kunden zu haben, die ihr Produkt weiterempfehlen und immer wieder neue Programme des Herstellers anschaffen. Die hohen Kosten des Supports sind nur zum Teil ueber die Einnahmen aus den Vertraegen mit den Anwendern abgedeckt. So spricht Microsoft von einer Kostendeckung durch Kundenvertraege von weniger als 20 Prozent.

Um die Kundenzufriedenheit zu messen, bemuehen die Softwarehersteller in vielen Faellen externe Marktforscher. Dabei ist mehr gefragt als die Alternative "Problem geloest/nicht geloest"; die Kunden erhalten auch die Moeglichkeit, im Klartext Stellungnahmen abzugeben. Lotus geht sogar so weit, Kunden explizit einen Anruf des zustaendigen Managers anzubieten, um ein Problem aus der Welt - und damit einen zufriedenen Kunden mehr - zu schaffen.

*Edgar Koribalski ist DV-Trainer und freier Journalist in Muenchen.