Vines 5.0 und LAN Manager 2.1 contra Netwar

Banyan und Microsoft wollen sich weiter mit Novell messen

25.10.1991

DALLAS/MÜNCHEN (gh) - Im LAN-Markt geht es in die nächste Runde. Zwar beherrscht Marktführer Novell noch immer mit mehr als 60 Prozent Marktanteil die Szene. Davon unbeeindruckt versuchen sich jedoch Novells Hauptkonkurrenten Banyan Systems und Microsoft in erneuten Kampfansagen. So präsentierte die Gates-Company auf der Networld in Dallas den mit viel Vorschußlorbeeren bedachten LAN Manager 2.1. Banyan stellte mit der Vines-Version 5.0 erstmals ein Macintosh-fähiges Upgrade seines Betriebssystems vor.

Mit einem ganzen Bündel von Ankündigungen warteten beide Firmen in der letzten Woche auf, um in dem nach wie vor von Novell eindeutig kontrollierten LAN-Markt am Ball zu bleiben. Sowohl Microsoft als auch Banyan sind derzeit nach Auffassung von Analysten geradezu verzweifelt bemüht, angesichts der Liason Novells mit IBM und der Übernahme von Digital Research Anschluß an den Netzwerk-Primus aus Provo zu halten. Dabei gilt es nicht nur, bei den Verkaufszahlen Boden gut zu machen, sondern auch in puncto zusätzlicher Features und Serverplattformen gegenüber Novells Netware konkurrenzfähig zu bleiben.

So versucht Banyan offensichtlich, eine "strategische Lanze" für sein LAN-Betriebssystem Vines zu brechen, indem zwei wesentliche Defizite des Produkts in absehbarer Zeit ausgemerzt werden sollen: die Anbindung von Vines an IBMs SNA-Welt und der uneingeschränkte Macintosh-Support. Für einen schnellen Zugang zu SNA soll ein dieser Tage bekanntgegebenes Entwicklungsabkommen mit Digital Communications Associates Inc. (DCA), einem fahrenden Hersteller von 3270-Terminalemulationen, sorgen.

Wesentlicher Bestandteil der soft-Angaben zufolge mit Zugangsmöglichkeiten für LAN-Manager-Server zu unter Netview oder SNMP laufenden Management-Systemen.

Erstmals wurden im Vorfeld der Präsentation in der Redmonder Konzernzentrale auch Fehler und Versäumnisse im LAN-Business eingeräumt. Steve Ballmer, immerhin Microsofts Senior Vice-President of System Software, sprach gegenüber der CW-Schwesterpublikation "Infoworld" von einer "schwierigen und kostspieligen Periode für den LAN Manager in der Vergangenheit". Trotzdem setze die Company, so der Microsoft-Verantwortliche, weiterhin auf das Networking als ein Standbein ihrer Produktpolitik.

Klar bestätigt wurde von Ballmer der Kurswechsel in der Marketing-Strategie für den LAN Manager. Ab sofort ist man demnach bei Microsoft bemüht und gibt das auch offen zu, den LAN Manager im anhaltend heftigen Sog des Windows-Absatzes endlich auf Erfolgskurs segeln zu lassen. Jedenfalls lassen sich Ballmers Äußerungen, mit denen er am Rande der Networld zitiert wurde, kaum anders interpretieren. "Wir sehen es als unser Ziel an, fahrender Anbieter im Bereich Windows-Networking zu werden", gab Microsofts Vize als neue Parole aus.

Daß der Trend im Networking hin zur Verschmelzung von PC- und LAN-Betriebssystem-Ebene geht, ist jedoch in der Branche kein Geheimnis mehr. Nicht zuletzt Novells Übernahme von Digital Research vor einigen Wochen hatte unter diesem Aspekt Zeichen gesetzt. Ob Microsoft und auch Banyan mit den Neuankündigungen letztlich entscheidendes Terrain im LAN-Markt gewinnen, bleibt unter den Marktanalysten umstritten. Obwohl die neuen Features, vor allem die Öffnung für den Macintosh, im Sinne der Anwender seien, kommen sie nach Ansicht vieler Beobachter mindestens zwei Jahre zu spät. Ungewisse Aussichten also; Faktum hingegen ist: Während Microsoft und Banyan vergangene Woche den Mac-Support bei ihren Produkten feierten, war Marktführer Novell eine Spur schneller. Zwei Wochen vor Beginn der großen US-Herbstmessen gab das Unternehmen die Auslieferung von Netware für Macintosh 3.01 bekannt.