Ausser der Windows-Oberflaeche wird auch die Bedienung ernstgenommen PC-Datenbanken ueben sich im Zeitgeist der neuen Einfachheit Von Detlef Borchers*

18.03.1994

Hersteller marktfuehrender PC-Datenbanken wagen mit den Updates ihrer Produkte erneut den Brueckenschlag zwischen programmierbarer Flexibilitaet und einfacher Bedienung. Nur so kann der Platz als universale Datenweiche gehalten werden.

In jeder Firma gibt es sie: die einfachen, nichtrelationalen Datenbanken, die auf die Schnelle entworfen und ebenso schnell mit Daten gefuellt wurden. Gerade in einer Bueroumgebung bilden sie in Form von Adressendateien oder Kontaktlisten die letzten Dateninseln, die zwar aus einfachen Loesungen bestehen, sich aber nur schwer den modernen Datenfluessen anpassen lassen.

Die Hersteller widmen diesem Sektor inzwischen mehr Aufmerksamkeit. Windows-Datenbanken wie Lotus Approach 3.0, Microsoft Access 2.0, das kommende Dbase fuer Windows und die Paradox-Variante von Borland werben allesamt mit der sicheren Ueberfuehrung des alten Datenbestands auf das neue Produkt.

Im Gegensatz zu dieser grafisch orientierten Offensive trocknet der klassische Markt der nichtrelationalen Datenbanken fuer Einsteiger aus. Der Ausstieg von Symantec aus der F&A-Entwicklung oder die weitgehende Ueberfuehrung von Filemaker Pro in das integrierte Paket Clarisworks von Claris sind Indizien fuer diesen Trend.

Relativ still ist es auch um die Versuche geworden, Programmierer in die Freuden der Windows-Datenbankorganisation einzufuehren. So haben Produkte wie Superbase (SPC) oder Dbfast (Computer Associates) zwar ihre Klientel gefunden, der Loewenanteil firmeninterner Entwicklungen wird jedoch mit Tools wie dem Powerbuilder von Powersoft durchgefuehrt - es sei denn, traditionelle Entwicklungsumgebungen wie Foxpro oder Clipper wurden beibehalten.

Keine umstaendlichen Abfragen und Joins

Reine DOS-Programme wie Dbase haben inzwischen jegliche Attraktivitaet fuer den einzelnen Kaeufer verloren. Da sie ohnehin zu teuer sind, beschraenkt sich ihr Einsatz mittlerweile ausschliesslich auf Entwicklungsumgebungen.

Was sich beim Uebergang von einem Sammelsurium an Datenbanken zu einer in die Bueroumgebung integrierten Loesung abspielt, demonstrieren derzeit Access 2.0 und Approach 3.0. Beide adressieren die "Power-User" als neue Anwendergruppe, die sehr wohl umfangreiche Informationen bearbeiten muessen, an komplexen Abfragen und Joins jedoch nicht interessiert sind. Dafuer halten die Programme ihre jeweiligen Spezialitaeten bereit: Wizards, Smart Masters, Screen Cams, Powerklicks und simple Programmierfunktionen sind nunmehr fuer die Datenrochade zustaendig. Nicht umsonst werden beide Neulinge als Produkte der jeweiligen Usability-Labs gefeiert.

Den Anfang der neuen Einfachheit machte Paradox 4.5 mit seiner visuell orientierten Programmierung, bei der grafisch die Verknuepfung zwischen Feldern und Tabellen hergestellt wird. Auch Microsofts Access sollte bei seiner Premiere mit der simplen Bedienung reuessieren, die aus den ersten Versionen allerdings nicht ohne weiteres deutlich wurde. Allen Wizards zum Trotz verhedderte sich der normale Anwender in der Menuestruktur, so dass Access als bevorzugtes Entwicklungs-Tool fuer das Prototyping endete. Erst die neueste Version 2.0 ergaenzt das Menue durch eine handliche Icon-Liste, die sich kontextabhaengig veraendert.

Obwohl die Arbeit mit Access 2.0 nach wie vor grundlegende Kenntnisse ueber die Struktur einer Datenbank erfordert, ist die Zusammenstellung der Relationen per Mausklick erheblich einfacher (sprich Paradox-aehnlicher) geworden. Bemerkenswert ist auch die neue Masken- und Formulargestaltung, die dem durchschnittlichen Anwender entgegenkommt und Felder fuer Testeingaben enthaelt.

Vom kommenden Dbase fuer Windows ist bis jetzt noch wenig bekannt. Jedoch soll auch dieses Borland-Produkt ueber Smartbars und ein mausorientiertes Datenbankdesign bei den Relationen verfuegen. Das neue Approach von Lotus, ebenfalls mit einem grafisch erweiterten Join zwischen verschiedenen Datenbanken ausgestattet, macht dem Anwender die Datenbestaende in tabellarischer Form zugaenglich. Dieses Verfahren wird durch eine Infobox-Technologie verstaerkt: Wie in den Borland-Produkten koennen alle Eigenschaften eines Objekts mit dem Klick auf die rechte Maustaste inspiziert werden. Auch wenn ein Detailvergleich der neuen Datenbankvertreter noch aussteht, so laesst sich jetzt schon feststellen, dass Windows nicht mehr nur von der Oberflaechenstruktur her dominiert, sondern nun auch in der Bedienung ernstgenommen wurde.

Hinter den Kulissen enthalten die Programme das noetige Ruestzeug, um die Datenintegration im Buero zu gewaehrleisten. Die Einbindung beschraenkt sich dabei nicht nur auf Office-Loesungen, die zumindest bei Microsoft und Lotus den Erfolg der Datenbanken sichern sollen. Auch der Bereich der grossen Informationssysteme bleibt den Produkten nicht verschlossen, da alle Konkurrenten ueber SQL- Verbindungen verfuegen und ODBC-Treiber enthalten. Ausserdem gibt es neuerdings OLE 2.0, das vor allem fuer die Windows-interne Organisation zustaendig ist.

Ob OLE oder das kommende Opendoc: Wer bei der Objektverknuepfung im Datenbankbereich kuenftig die wichtigere Rolle spielen wird, kann derzeit noch nicht gesagt werden. Denn bei naeherer Betrachtung bietet die Programmierung ueber herstellerspezifische Tools ohnehin erheblich mehr Vorteile. Bei Microsoft ist dies Visual Basic for Applications (VBA) mit seiner Schnittstelle zum SQL-Server unter NT; Lotus bietet mit Notes/FX (Field Exchange) eine API- Schnittstelle direkt in Notes-Dateisysteme hinein; Borland favorisiert sein Express Link zu den Interbase-Servern, die als Netware- und NT-Variante in Kuerze freigegeben werden sollen. In jedem Fall erhalten Entwickler komplette Umgebungen, mit denen die Ueberfuehrung der chaotisch strukturierten Altdatenbanken zu meistern sein sollte.

Meta-Baukasten fuer ein sprachliches DB-Design

Rund um die neuen Datenbanken entstehen momentan auch einige Tools, die klassisch orientierten Entwicklern zur Hand gehen sollen. Ein Beispiel ist der Infomodeler von Asymetrix, der mit klassischen ER-Diagrammen arbeitet und fuer die grundlegende Datenbankkonstruktion eine halbwegs natuerlich anmutende Sprache bereithaelt (derzeit versteht das Programm nur Englisch). Ist das Design abgeschlossen, kompiliert der Infomodeler ein Script, das wiederum in anderen Datenbanksystemen die gewuenschte Struktur erzeugen soll. Neben den zuvor genannten Produkten arbeitet der Meta-Baukasten von Asymetrix auch noch mit Foxpro fuer Windows, dem SQL-Server von Microsoft/ Sybase und Oracle 7 zusammen.

In dem Masse, wie Front-ends im Stil von Approach und Access populaer werden, gewinnen im Netzwerkbetrieb die Daten-Server an Bedeutung, die nicht unbedingt zu den klassischen PC-Datenbanken gerechnet werden. Interessant sind vor allem die Bewegungen im Netware-Markt, in den etwa IBM mit einer NLM-Version von DB2 einsteigt. Auch Lotus hat mit der Auslieferung seines lange versprochenen Notes-NLM begonnen, waehrend Novell die hauseigene Datenbankmaschine Btrieve an die Neugruendung Btrieve Technologies uebergeben hat. Diese Reaktionen auf das bislang einzig erfolgreiche NT-Projekt mit dem Microsoft SQL-Server macht es fuer die neuen PC-Datenbanken leicht, als Schaltstelle in einer Client- Server-Matrix zu dienen. SQL-Front-ends wie Guptas Quest oder Zugriffs-Middleware wie IBMs Visual Info sowie neue Emulationen mit ihren DDE-Faehigkeiten wie Walldatas Rumba werden nun die Konkurrenten sein.