Nadeln im Heuhaufen

Auf der Suche nach der Fachkraft von morgen

16.07.2008
Von pte pte
Einer Studie zufolge könnte der anhaltende Fachkräftmangel bei Informatikern und Ingenieuren dazu führen, dass uns Indien und China den Rang ablaufen.

Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik (MINT) verlieren in entwickelten Industrieländern wie Deutschland als Studienfächer an Beliebtheit. Obwohl die Zahl der MINT-Absolventen in den meisten Industrienationen ansteigt, fällt der Zuwachs gegenüber anderen Fächern häufig geringer aus. Da auch durch diesen Negativtrend junge Ingenieure in der Bundesrepublik Mangelware sind, verstärkt dies die Ängste, dass der Wirtschaft langfristig zu wenig Fachkräfte zur Verfügung stehen. Auch wird davor gewarnt, dass die technologische Führung der Industrieländer an Schwellenländer wie Indien und China verloren gehen könnte. Zu diesen Ergebnissen kommt eine heute, Mittwoch, von der Deutsche Bank Research präsentierte Untersuchung.

"Was im Kabinett beschlossen wurde, kann nur ein erster Schritt sein. Wir brauchen ein umfassendes Maßnahmenpaket, bei dem mehr Zuwanderung nicht als Allheilmittel, sondern als ein wichtiger Bestandteil zu sehen ist", sagt Achim Dercks, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK), gegenüber pressetext. Anhand des Datenmaterials kommen die Fachleute zu dem Schluss, dass die Spezialisierung auf MINT-Fächer dem Wertschöpfungsanteil der forschungsintensiven Industrien folgt. Als Konsequenz des Strukturwandels geht deren Anteil in den meisten Industrieländern zurück. Dementsprechend sinkt auch der relative Bedarf an MINT-Fachkräften.

Die Bundesrepublik zeigt diesen Umstand auf, da sich Studienanfänger zunehmend an der wirtschaftlichen Lage orientieren. Somit folgt die Fächerwahl im Wesentlichen der Wertschöpfung des Landes, so die Deutsche Bank Research in einer Aussendung. Obwohl die deutsche Industrie seit einigen Jahren wieder Wertschöpfungsanteile hinzugewinnen konnte, bleibt weiterhin offen, ob und wenn ja, wie sich diese Entwicklung weiter fortsetzen wird. Würde die Bundesrepublik auf den Trend der anderen Länder einschwenken, dann könnte auch der Bedarf an qualifizierten MINT-Facharbeitskräften in naher Zukunft womöglich relativ absinken, ist man überzeugt.

Bei dem Angebot und der Nachfrage solcher Spezialisten sollte laut Ansicht der Autoren auch die unterschiedlich starke und häufig zyklisch einsetzende Bedarfsstruktur mitberücksichtigt werden. Häufig steigt die Personalnachfrage in Boomphasen rasant an, während die Zahl der nachkommenden Absolventenzahlen nur verzögert diese Situation teilweise entspannen kann. Mögliche Anreize, die kurzfristige Engpässe abmildern könnten, sehen die Insider vor allem in der Ausnutzung bestehender Potenziale, die Frauen, ältere Arbeitnehmer und Immigranten sowie Fachfremde stärker in den Fokus rückt. Auch müssten bestehende Arbeitsverhältnisse flexibilisiert und die Löhne entsprechend der Knappheiten angepasst werden, so der Bericht. Vor allem in Deutschland lässt sich ein Engpass bei technischen Fachkräften derzeit nicht bestreiten. So geht der Hightech-Verband BITKOM von 43.000 offenen ITK-Stellen aus, von denen 2007 über 4.000 nicht besetzt werden konnten.

Wesentlich dramatischer gestaltet sich die Situation bei den Ingenieuren. Hierbei berichtet der DIHK, dass einer Umfrage nach über 80 Prozent der deutschen Industrieunternehmen bislang ohne Erfolg Ingenieure suche. Dies hat in Deutschland mittlerweile sogar dazu geführt, dass jedes sechste Unternehmen den eigenen Beschäftigten ein Kopfgeld zahlt, wenn diese neue Mitarbeiter werben. Angaben des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI) nach stieg die Zahl offener Stellen bei Ingenieuren im Juni bereits auf 96.000 an. "Diese Zahl können wir nicht bestätigen. Fakt ist jedoch, dass derzeit rund 40.000 Ingenieurinnen zum Beispiel aufgrund von Kinderbetreuungen dem Arbeitsmarkt gar nicht zur Verfügung stehen. Zudem ist die Idee des VDI zur Förderung des Technikunterrichts an Schulen zwar gut, dennoch sollte man sich zuerst der Schaffung der Basisqualifikation in Deutschland widmen. Noch immer verlassen hierzulande jährlich neun Prozent der Schüler die Schule ohne Abschluss", sagt Anja Kettner vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit auf Nachfrage von pressetext. (pte)