Audi - Transparenz in der Logistik

24.05.2007
Mit einem Mobile-Business-Projekt (= MB) hat die Audi AG ein neues Transportleitsystem etabliert. Die Transparenz des Materialflusses wurde erhöht und die Ressourcenauslastung optimiert.

Mit der Einführung des MB-Systems konnte Audi zudem eine beleglose Steuerung der Materialtransporte erreichen. Über das Transportleitsystem am Produktionsstandort Ingolstadt erfolgt die Disposition, Beauftragung und Steuerung der Transportressourcen also der Stapler und Zugmaschinen. Diese übernehmen die Transporte der Fahrzeugteile, die zum Serienproduktionsprozess benötigt werden.

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wie die Audi AG mit einem Mobile-Business-Projekt Geld spart;

wie der Konzern die Trans-parenz des Materialflusses erhöhte;

wie er die Auslastung seiner Ressourcen optimierte

und wie er neue IT-Service-Prozesse etablierte.

Super-GAU Verzögerung

Für einen Hersteller wie Audi ist es von großer Bedeutung, dass es bei der Fahrzeugproduktion an den Fertigungslinien nicht zu Verzögerungen oder zu einem Bandstillstand kommt. Ein einziger Behälter, der mit Einbauteilen (beispielsweise Klimaanlagen) zu spät oder an einen falschen Takt wie die Autobauer eine Einbauposition an der Montagelinie nennen gefahren wird, kann den Produktionsprozess zum Stocken bringen.

Zur Erklärung: Montagelinien in der Fahrzeugfertigung laufen nach Takten ab, an denen jeweils eine oder mehrere spezifische Komponenten verbaut werden. Audi produziert in Ingolstadt auf drei Montagelinien den "A3" und den "A4".

Pro Tag 2200 Autos

Pro Tag fertigt der Konzern in der bayrischen Stadt etwa 2200 Personenkraftwagen. Um das reibungslose Ineinandergreifen der Fertigung zu gewährleisten, bis schließlich ein Neuwagen die Produktionshalle verlässt, sind Stapler- und Zugmaschinenfahrer damit beschäftigt, täglich zirka 27 000 Behälter zu bewegen.

Aufgrund des täglichen Behälterumschlags und der komplexen Prozesse hat die Werklogistik, die für die Montageversorgung zuständig ist, am Standort Ingolstadt im Oktober 2004 den Auftrag für eine Mobile-Business-Lösung erteilt.

Prozessuale Ziele des Projekts

Franz Hainzinger, Leiter Werklogistikplanung bei der Audi AG, sagt, ein Ziel der Mobile-Business-Lösung sei gewesen, die Transportkapazitäten, die Gabelstapler und Zugmaschinen, besser auszulasten. "Zudem wollten wir gewährleisten, dass an der Montagelinie die richtigen Komponenten zuverlässig und termingerecht angeliefert werden und eine Online-Transparenz über den Materialfluss, also wo sich welche Lieferung befindet, gegeben ist."

Weiter wollte die Werklogistik mit dem neuen System sicherstellen, dass die Behälter an der richtigen Stelle bereitgestellt werden. "Jeder Behälter besitzt eine eindeutige Zieladresse, die sich oft nur an einer Stelle unterscheidet, die der Staplerfahrer bisher ablesen musste," erklärt Hainzinger. Bei der Vielzahl von Zieladressen und Anlieferungen konnte es zu da schon einmal zu falschen Ablesungen und damit nicht korrekten Anlieferungen kommen.

Ein wesentliches Projektziel war darüber hinaus, eine komplett beleglose Logistik zu realisieren. Nicht so einfach, denn jeder der 9000 großen und 18 000 kleinen Komponentenbehälter war früher mit mehreren Belegen versehen. Solche etwa, die der Lieferant für den Versand aufbringt oder Belege, auf denen festgehalten war, auf welchen Platz ein Behälter eingelagert werden soll. Auf einem weiteren Label war angegeben, an welche Montagelinie beziehungsweise welchen Takt die Teile transportiert werden mussten. Schließlich müssen die Zettel bei den zigtausenden von leeren Behältern, die wieder an die Lieferanten zurückgeschickt werden, entfernt werden.

"Dieses ganze Beleghandling wollten wir uns sparen", sagten die Projektleiter Roman Gabriel und Thomas Neuhauser. Statt vieler Einzelbelege beim Einlagern und Auslagern von Komponenten aus den Lagern hin zu den Montagelinien sollte es nur noch einen einzigen Beleg beim Wareneingang geben.

IT-Ziele

Über die prozessuale Neuausrichtung hinaus wollte das Team um Can Gümüs, Leiter Prozess- und Systemintegration Supply Chain Management bei der Audi AG, aber auch fachspezifische IT-Ziele realisieren. Als Zielsetzung sollte ein Übergang weg von einer systemorientierten Auslegung der IT-Betriebsprozesse hin zu einer standardisierten, serviceorientierten und ITIL-konformen Ausrichtung der IT-Betriebsprozesse im Kontext des Materialversorgungsprozesses erfolgen. Diese Serviceorientierung sollte auch gegenüber dem Kunden über ein Service-Level-Management und daraus resultierenden Dienstleistungsvereinbarungen (SLA) manifestiert werden.

Weiter erhoffte sich Gümüs einen standardisierten Prozess für die Zertifizierung der zum Einsatz kommenden mobilen Endgeräte und eine transparente Übersicht über deren Lebenszyklus. Schließlich wollte das Gümüs-Team auch noch ein vorausschauendes Kontrollsystem für produktionskritische Prozesse aufbauen. Hintergrund hierfür ist, dass der Materialversorgungsprozess sehr sensibel ist. Die die Materialversorgung unterstützenden IT-Systeme sollten deshalb in die Lage versetzt werden, bereits im Vorfeld sich abzeichnende Störungstrends zu erkennen und entsprechend gegenzusteuern. Ferner mussten sie in die Lage versetzt werden, im Störungsfall gezielt und schnell Korrekturmaßnahmen zu ergreifen. So sollte der Umstieg auf einen Notbetrieb von vornherein unnötig sein.

Audi schrieb das Projekt 2004 aus. Die Firma Inform GmbH erhielt den Zuschlag zur Entwicklung des Transportleitsystems und unterstütze Audi beim Rollout des Projekts.

Welche Hard- und Software?

Die eigentliche Anwendung, die die Dispositions- und Steuerungsfunktionalität für die Zuordnung der Transportressourcen vornimmt, ist "SyncroTess", eine unter Windows laufende Software von Inform aus Aachen. Die Oracle-Datenbank läuft auf einer Sun-Plattform und die Kommunikation mit den beteiligten Partnersystemen erfolgt über "MQS", das auf einer AIX-Plattform betrieben wird. Alle Plattformen sind als Clusterlösung implementiert.

Die Firma Symbol (im Herbst 2006 kaufte Motorola den RFID-Spezialisten) lieferte die Windows-CE-Handhelds für die Flur-fahrzeuge. Die Firma DLOG steuerte die Staplerterminals bei, die mit einer Embedded-Version von Windows XP arbeiten. Stapler und Flurfahrzeuge erhalten ihre Transportaufträge über eine WLAN-Infrastruktur von Nortel.

Ziel erreicht?

Audi-Manager Gümüs blickt heute auf ein gemeinsam erfolgreich absolviertes Projekt der Werklogistik und Systemplanung zurück. Der Zeitplan wurde eingehalten, die prozessualen Ziele seien weitgehend erfüllt, ein proaktives Monitoring und die IT-Service-Prozesse "Incident- und Problemmanagement" etabliert, ein Change- und Release-Management ist definiert. Das avisierte Service-Level-Management steht kurz vor der Umsetzung.

Zur Erfolgsgeschichte des Mobile-Business-Projekts von Audi zählt auch, dass die Prozessqualität der operativen Logistik gegenüber dem Kunden gesteigert werden konnte. Außerdem war der Autokonzern in der Lage, die Transparenz im Materialfluss zu erhöhen. Last, but not least können heute mögliche Systemprobleme schneller eingegrenzt werden. Störungen und deren Auswirkungen auf den Prozess der Materialversorgung lassen sich rechtzeitig und richtig einschätzen und entsprechende Entstörmaßnahmen ergreifen.