Anforderungen an SAP-Berater

Arbeiten als Prozessversteher

20.10.2010
Von 
Ina Hönicke ist freie Journalistin in München.
Prozessberatungs- und -umsetzungs-Know wollen die Unternehmensberatungen bei ihren SAP-Kandidaten sehen, wie das Beispiel von Capgemini zeigt.

Dass die IT-Bewerber von dem augenblicklichen Wachstumsschub in der deutschen Wirtschaft profitieren, beweist die Suche der Consulting-Häuser nach neuen Mitarbeitern. Kaum ein Beratungsunternehmen bei dem nicht IT- und vor allem SAP-Experten auf der Wunschliste stehen. So plant beispielsweise Capgemini in Deutschland, Österreich und der Schweiz mindestens 300 neue Mitarbeiter einzustellen - ein Drittel davon SAP-Profis. Letztere sollen für paketbasierende Lösungen in SAP- wie auch anderen Standardsoftware-Projekten arbeiten.

Peter Lempp, Capgemini: Die Anforderungen an SAP-Spezialisten werden weiter steigen.
Peter Lempp, Capgemini: Die Anforderungen an SAP-Spezialisten werden weiter steigen.

"Um die richtigen Berater zu finden, ist es zu kurzsichtig, nur auf den Arbeitsmarkt zu schauen", erklärt Peter Lempp, einer der Capgemini-Geschäftsführer und COO der Technologie-Service-Einheit Package Based Solutions. Grundsätzlich gibt das Beratungshaus nicht nur erfahrenen SAP-Experten, sondern auch Newcomern und Hochschulabsolventen eine Chance. Letztere bildet Capgemini laut Lempp von der Pike auf aus. "Dass unser Haus national und international über eigene Ausbildungsstätten verfügt und eine enge Partnerschaft mit SAP unterhält, erleichtert die Qualifizierungsoffensive um einiges", meint der Capgemini-Manager. In den Akademien, in denen sich Mitarbeiter aus aller Welt treffen, werden SAP-Kenntnisse vertieft und Sozialkompetenz vermittelt.

Dazu kommen laut Lempp noch spezielle Schulungen in puncto Management und Kundenführung. "Ziel all dieser Qualifizierungsmaßnahmen ist es, nicht nur bei den Management Consultants, sondern auch bei den SAP-Profis Prozessberatungsfähigkeit zu erreichen", resümiert Lempp. "Heute fragt der Kunde nach dem Prozessversteher - dem Prozessberater und dem SAP-Experten, der sowohl die Sprache des Business als auch der IT spricht. Wenn derjenige zudem so kommunikativ ist, dem Kunden die angestrebte Lösung näherzubringen, ist er der ideale Kandidat", formuliert es der Capgemini-Mann. Kommunikative SAP-Profis seien noch für einen weiteren Bereich gefragt - der immer intensiver werdenden Zusammenarbeit zwischen IT- und Fachabteilung.

Für Lempp steht fest, dass viele Anwenderunternehmen, gerade wenn es um SAP- oder andere umfangreiche Produkte geht, von einem Consulting-Unternehmen beraten werden wollen. "Das ist auch einer der Gründe, warum unser Unternehmen so viel Wert auf die Auswahl und die Qualifizierung unserer Mitarbeiter legt", meint Lempp. Für ihn steht fest, dass die Anforderungen gerade im SAP-Bereich weiter steigen werden. So würden Unternehmen in Wachstums-, aber auch in Transparenz- und Management-Themen investieren. Das bedeute unter anderem eine stärker werdende Nachfrage nach Beratungsleistungen rund um Business Intelligence, CRM bis hin zu neuen Systemintegrationsmodellen. Lempp: "Nicht zu vergessen die On-demand-Modelle und der mobile Bereich, in den SAP einsteigen will." Nach seiner Erfahrung gibt es für die neuen Aufgaben entsprechende Spezialisten auf dem Arbeitsmarkt. Gefragt seien SAP-Spezialisten auch weiterhin im Finanzwesen, der Logistik und auf dem Gebiet der Supply-Chain-Optimierung und der Architektur.

Beate Rölle, Managing Consultant im Bereich Technology Services bei Capgemini, fühlt sich in der SAP-Welt seit Jahren zu Hause. Bereits während des Studiums kam sie mit dem Thema in Berührung. Nachdem sie sich bei einer Unternehmensberatung um ein Praktikum beworben hatte, schickte diese Rölle drei Monate nach Paris, um bei einem SAP-Roll-out-Projekt mitzuarbeiten. ""Dort konnte ich jede Menge praktische Erfahrungen sammeln, die Arbeit mit den Kollegen und das Reisen habe ich sehr genossen", erzählt sie. Die Internationalität, das Reisen und die interessante Projektarbeit gehörten zu den Gründen, warum sich Rölle 2006 um einen Job bei Capgemini bewarb: "In erster Linie wollte ich mein fachliches Know-how erweitern und mehr Verantwortung übernehmen."

Auch bei Capgemini heißt es Koffer packen und in der Regel vier Tage pro Woche vor Ort beim Kunden arbeiten. Das Team besteht aus Capgemini-Kollegen und internen Mitarbeitern des Auftraggebers, die das Projekt gemeinsam planen und umsetzen. Abhängig von der jeweiligen Projektphase finden, so Rölle, etliche Besprechungen statt. "Insbesondere zum Projektstart bestimmen Workshops und Besprechungen den Tag", erzählt die heutige Projektleiterin. Zwar seien heutzutage bereits viele Prozessschritte über ein Template vorkonfiguriert. Die unternehmens- und prozessspezifischen Feinheiten - und damit der Unterschied zwischen einer lediglich funktionierenden und einer wirklich guten Lösung - ließen sich aber doch erst in der Praxis in enger Abstimmung mit dem Kunden erarbeiten.

Nach der Umsetzung der Prozesse im System würden intensive Testphasen folgen, in denen der Kunde das System abnimmt. Außerdem müssen, so die Projektleiterin, Kundenmitarbeiter trainiert werden. Die für alle Beteiligten intensivste Projektphase umfasse die vier Wochen vor und nach Start, dem Zeitpunkt, ab dem die neuen Prozesse und Lösungen in das Produktivsystem des Kunden übernommen und im täglichen Betriebsablauf verwendet würden. "Es ist unglaublich spannend zu sehen, wie alle Fäden zusammenzulaufen, und das Gefühl als Team an einem Strang zu ziehen ist während keiner anderen Projektphase so intensiv", berichtet Rölle.

Allerdings nehme die Besprechungsintensität auch während der Implementierungsphase nicht wirklich ab, da ständig neue Prozessdetails berücksichtigt, der Projektstatus berichtet und weitere Projektphasen geplant werden müssten. Zum Projektende wiederum würden überwiegend Evaluationsgespräche stattfinden. Hier seien beraterisches Stehvermögen und Sensibilität gefragt. "Bevor ein System live geht, herrscht bei den Beteiligten immer eine gewisse Spannung", räumt Rölle ein. Für sie ist es vor allem interessant mitzuerleben, wenn die Mitarbeiter des Kunden mit dem entwickelten System praktisch arbeiten. Eigentlich würde auf die Beraterin bereits das nächste Projekt warten. Doch Rölle nimmt sich nach arbeitsintensiven Jahren erst einmal eine dreimonatige Auszeit. Schließlich unterstützt Capgemini die Work-Life-Balance mit Sabbaticals dieser Art. "Ich freue mich bereits auf die nächsten Projekte, aber jetzt möchte ich entspannen und Ruhe haben", lautet ihr Resümee.