Applikationsgeschaeft zunehmend unter Druck Quartalsergebnis laesst Aktien von Lotus in den Keller sacken

01.07.1994

BOSTON (IDG) - Die Lotus Development Corp. wird nach eigenen Angaben im zweiten Quartal (Ende: 2. Juli) des laufenden Geschaeftsjahres weit hinter den Umsatz- und Gewinnprognosen der Finanzanalysten zurueckbleiben. Die Enttaeuschung ueber das Ergebnis liess den Aktienkurs des Software-Anbieters um 28 Prozent auf 37 Dollar sinken.

Mit einem erwarteten Quartalsumsatz von rund 235 Millionen Dollar bewegt sich Lotus auf dem gleichen Niveau wie im Vergleichszeitraum des Vorjahres.

Wall-Street-Analysten hatten den Quartalsgewinn des Unternehmens auf 50 Cent pro Aktie geschaetzt. Als Lotus in der vergangenen Woche gegenueber der Anlegergemeinde einraeumte, es sei lediglich mit 20 bis 25 Cent pro Titel zu rechnen, sackte der Aktienkurs in den Keller. Im zweiten Quartal 1993 konnten die Aktionaere noch 34 Cent Profit realisieren. Die Boersenbewertung des Notes- Spezialisten ging nach dieser Ankuendigung um 650 Millionen Dollar zurueck.

Fuer das fehlende Wachstum macht Lotus vor allem die schleppenden Verkaeufe im Desktop-Bereich verantwortlich. In diesem Sektor realisierte das Unternehmen nach Angaben der CW- Schwesterpublikation "Infoworld" rund 30 Millionen Dollar weniger Umsatz als im gleichen Quartal des Vorjahres. "Lotus hat ein Nachfrageproblem bei den Desktop-Produkten", schildert Paul Johnson, Analyst bei Robertson Stephens & Co., den Ernst der Lage. Immerhin werden mit diesen Applikationen trotz aller Anstrengungen, im Kommunikationssektor zu reuessieren, immer noch 70 Prozent des Umsatzes generiert. Obwohl Lotus das Resultat als Quartalsphaenomen betrachtet wissen will, senkte Johnson vorsorglich die Gewinnschaetzungen fuer das naechste Geschaeftsjahr von 2,20 auf 1,80 Dollar pro Aktie. Der Analyst vertritt die Meinung, dass sich die Situation des Herstellers durch den Verlust von Marktanteilen und das verlangsamte Wachstum des gesamten Windows-Applikationsmarkts verschaerfe.

Der Druck nimmt zu. Microsoft verdient gerade kraeftig an der letzten Office-Version 4.1, und Wordperfect wird bereits in den naechsten Wochen eine stark verbesserte Version ihres Softwarepaketes ausliefern.

Lotus kann dagegen Smartsuite 3.0, das bereits fuer das zweite Quartal angekuendigt war, nicht vor August ausliefern. Eigenen Angaben zufolge sollen auch 1-2-3 fuer Windows 5.0, fuer DOS Version 4.0, die Datenbank Approach 3.0, Freelance Graphics 3.1 und Ami Pro 3.1 erst Ende August verfuegbar sein.

Einige Beobachter rechnen damit, dass viele Anwender diese Upgrades auslassen und auf Applikationen warten, die Microsofts Chicago unterstuetzen, das 1995 auf den Markt kommen soll.

Der Preisverfall im Desktop-Softwaremarkt duerfte Lotus jedoch die groessten Schwierigkeiten im Kampf um Umsatz- und Gewinnwachstum bereiten. David Tremblay, Research Director der Software Publishers Associaton (SPA), betonte gegenueber der "Financial Times": "Die aggressive Preisgestaltung der Anbieter hat das Umsatzwachstum 1993 auf elf Prozent begrenzt." Das bedeute allein fuer das letzte Jahr einen Preisverfall von 37 Prozent.