Das Verfahren gegen Microsoft

Apple-Manager Tevanian belastet die Gates-Company schwer

10.11.1998
MÜNCHEN (CW) - Die Schlacht im Verfahren gegen Microsoft wogt hin und her und mit ihr die Meinung, welcher der Kontrahenten momentan im Vorteil ist. Wie es aussieht, bläst der Gates-Company gerade der Wind ins Gesicht.

Insbesondere die undurchsichtige Haltung Microsofts zu den Vorgängen um ein Treffen mit Topmanagern von Netscape im Juni 1995 hat der Glaubwürdigkeit des angeklagten Softwaregiganten offensichtlich geschadet. Erst sagte Microsofts oberster Justitiar John Warden, das Treffen habe nur in der Phantasie von Netscape existiert. Dann wollte er den vorsitzenden Richter Thomas Jackson und die Öffentlichkeit glauben machen, daß Microsoft von Netscape in einen Hinterhalt gelockt wurde. Die hochkarätige Zusammenkunft sei von Netscape nur deshalb anberaumt worden, um sofort am darauffolgenden Tag belastendes Material an das Justizministerium zu liefern. Als auch diese Argumentation nicht so recht verfing, verlegte sich Warden auf die Argumentation, in der Software-Industrie gehe es nun mal hart zu, und "jeder benützt seine Ellenbogen".

Nach der Auseinandersetzung über das Treffen mit Netscape dürfte nun eine schriftliche Zeugenaussage von Apples Senior Vice-President Avadis Tevanian explosiven Charakter entwickeln. Tevanian wirft der Gates-Company vor, sie habe Apple aus dem Markt für Multimedia-Technologien drängen wollen. Apple sollte auf Druck der Gates-Company nämlich seine "Quicktime"-Software einstampfen. Ein besonderer Dorn im Auge war Microsoft, daß Quicktime auf verschiedenen Plattformen läuft.

Der Softwaregigant wollte Apple zwingen, so Tevanian, sich auf das Geschäft mit Autorenwerkzeugen zu beschränken. Insbesondere diese Forderung, die auch als Versuch verstanden werden könnte, Märkte aufzuteilen, wird für Microsoft möglicherweise zum Stolperstein: Genau diese Art von monopolistischem Verhalten ist nämlich verboten, und exakt dieses illegale Vorgehen versuchen das Justizministerium und 20 US-Bundesstaaten Microsoft nachzuweisen.

Tevanian sagte ferner aus, Microsoft habe gedroht, die Unterstützung der "Office"-Softwaresuite für die Macintosh-Plattform einzustellen, wenn Apple den "Internet Explorer" nicht als Standard-Browser für die Mac-Systeme wählen würde. Hätte Microsoft diese Drohung wahrgemacht, wäre das der Todesstoß für Apple gewesen.

Der Apple-Manager beschrieb, wie Microsoft versuchte, Apple für die Argumente aus Redmond empfänglich zu machen: Nachdem verschiedene Lockrufe, sich doch mit dem unattraktiven Autorenwerkzeug-Markt zu begnügen, bei Apple-Boß Steve Jobs auf wenig Gegenliebe stießen, ließ Microsoft die Muskeln spielen.

Die Gates-Company habe, so Tevanian, Apples auch auf Windows laufende Multimedia-Technologie "Quicktime" sabotiert. Hierzu gehörten plötzlich auftauchende Fehlermeldungen. Die meisten industrieweit genutzten Dateiformate, die von Quicktime unterstützt werden, führten unter Windows 98 und dem "Internet Explorer 4.0" plötzlich zu Problemen. Dem Benutzer wurde suggeriert, die Schwierigkeiten ließen sich umschiffen, indem die Dateiformate in solche für Microsofts Quicktime-Konkurrenzprodukt "Active Movie" umgewandelt werden würden. Damit war Quicktime im Prinzip aber nicht mehr sinnvoll zu nutzen.

Microsoft soll, so Tevanian weiter, auch Compaq und Avid Technology Inc. sowie Truevision Inc. gezwungen haben, Quicktime nicht weiter zu unterstützen. Compaq habe Ende 1997 Pläne fallenlassen, Quicktime mit Windows als Paket auf seinen PCs anzubieten, weil man "sehr viel Angst hatte, irgend etwas zu tun, das Microsoft verärgern könnte".

Avid wurde der Ausschluß aus Microsoft-spezifischen Windows-98-Händlerprogrammen angedroht für den Fall, daß seine Multimedia-Applikation "Cinema" weiterhin Quicktime unterstützen würde. Ähnliche Erfahrungen machte laut Aussagen von Tevanian auch Truevision, ein Hersteller von sogenannten Video-Capture-Cards. Die Gates-Company soll das kleine Unternehmen genötigt haben, Microsoft-eigene Multimedia-Produkte anstelle von Quicktime zu benutzen.

Tevanian resümierte schließlich, warum Microsoft an Quicktime so wenig Gefallen finden kann: "Dessen Plattformunabhängigkeit gefährdet fundamental die symbiotische Beziehung, die es zwischen dem Betriebssystem und den Applikationen von Microsoft gibt und die die Basis für das Monopol der Gates-Company darstellen - und eine fast unüberwindliche Hürde im Wettbewerb verschiedener Betriebssysteme." Als nächster Zeuge soll ein Intel-Spitzenmanager zu Microsoft befragt werden.