NC, PC und Net PC streiten um Anwendergunst

Anwender sind uneins über den idealen Netz-Client

02.05.1997

"In unserem Unternehmensnetz betreiben wir momentan noch viele Terminals, die wir demnächst ersetzen wollen. Mich interessiert daher, was für unseren Betrieb die zukunftssicherste und gleichzeitig kostengünstigste Lösung ist." Diese Aussage eines Teilnehmers des von der Debis Systemhaus GmbH veranstalteten Seminars "Lamond '97" bringt auf den Punkt, was viele seiner DV-Kollegen beschäftigt.

Es besteht kein Zweifel, daß "dumme" Terminals, die in 100prozentiger Abhängigkeit vom Mainframe ihre Arbeit tun, in modernen Unternehmen keine Chance mehr haben. Doch wodurch sollen diese Geräte ersetzt werden?

Von insgesamt drei Lösungen, die um die Gunst der Anwender buhlen, sind zunächst einmal die vollwertigen PCs von Interesse. Als traditionelle Netz-Clients verfügen sie über eigene Festplatten, auf denen Anwendungen gespeichert sind, und führen diese meist lokal aus. Den Netzverbund brauchen diese Geräte, um auf gemeinsame Drucker und zentrale Datenbanken zuzugreifen sowie neue Formen der Kommunikation zu ermöglichen.

Als Alternative bietet sich der von Microsoft und Intel favorisierte Net PC, der zwar kein Diskettenlaufwerk hat, wohl aber über eine lokale Harddisk verfügt, auf der Programme installiert werden können, die das System von zentraler Stelle über das Netz erhält. In Verbindung mit Microsofts "Zero Administration Kit", das die Gates-Company noch in diesem Jahr auf den Markt bringen will, soll sich die Verwaltung dieser Geräte gegenüber den normalen PCs für den Netz-Manager vereinfachen lassen und somit billiger werden. Voraussetzung ist allerdings, daß Windows NT sowohl auf Clients als auch Servern installiert ist.

Die dritte Möglichkeit sieht den vollständig "netzabhängigen" NC als Client im LAN vor. Dieses Konzept steht in direkter Konkurrenz zum Net PC und wird unter anderem von Oracle und Sun unterstützt. Beim NC liegen alle Anwendungen und Daten auf dem Server, werden aber lokal ausgeführt. Ohne das Netz läuft für den NC nichts.

Der gemeinsame Vorteil der drei Lösungen ist, daß sie alle in der Lage sind, beispielsweise 3270-Terminals über spezielle Software zu emulieren, daneben aber auch andere Anwendungen auszuführen.

Selbst der Netzzugang via Browser stellt auf keinem der Client-Konzepte der Industrie zufolge ein Problem dar - beim NC ist dies sogar Bedingung für den Betrieb.

Einige Anwender läßt unterdessen ziemlich kalt, was sich als Client der Zukunft etablieren wird. Besonders die zuweilen hitzige Diskussion um den NC halten sie für reine Marktschreierei. Viel wichtiger, so ein DV-Leiter, sei, daß die darunterliegende Architektur, also das Netzwerk selbst, funktioniere und sich problemlos administrieren lasse. Welches Gerät beim Endbenutzer auf dem Tisch stehe, sei vor diesem Hintergrund nicht so wichtig.

Friedrich Daus beispielsweise, Leiter Hauptabteilung EDV bei der Metallschlauch-Fabrik Witzenmann GmbH, Pforzheim, ist da jedoch anderer Ansicht: "Es macht für mich einen gewaltigen Unterschied, ob ich im Unternehmen anstelle von PCs NCs einsetze. Eingesparte Lizenzen belaufen sich pro Arbeitsplatz schnell auf mehrere tausend Mark, was hochgerechnet auf die Gesamtinstallation dann eine stolze Summe ergibt."

Wer wie Daus mit dem Gedanken spielt, NCs im Betrieb einzuführen, der sollte auf alle Fälle vorher sicherstellen, daß das Unternehmensnetz über entsprechend Bandbreite verfügt. Wenn Applikationen von den zentralen Servern kommen und auch Daten nur von dort geholt und abgelegt werden können, kann die Belastung der Netze schnell einen Punkt erreichen, an dem die Gesamtproduktivität leidet. Zusätzlich müssen NCs den zu fahrenden Applikationen entsprechend mit ausreichend Arbeitsspeicher ausgestattet sein.

Referent Fred Lamond schlug den Seminarteilnehmern in Stuttgart vor, dumme Terminals auf alle Fälle zunächst durch PCs zu ersetzen und die Entwicklung bei den NCs vorerst abzuwarten. Als Strategie, um bis dahin Kosten im LAN zu senken, empfiehlt Lamond, die Anwender im Unternehmen in mehrere Kategorien einzuteilen, um ihnen je nach Leistungsbedarf entsprechend rechenstarke Computer zur Verfügung zu stellen.

Sogenannte Power-User, etwa Produktplaner, sollten die leistungsfähigsten Rechner bekommen. Mit etwas älteren Modellen, etwa mit 486-Prozessoren, arbeitet die zweite User-Gruppe, zu der Lamond das mittlere Management oder die Buchhaltung zählt. Die schwächste und älteste Rechnergeneration solle Verwaltungsaufgaben vorbehalten bleiben. Auf diese Weise ließe sich die Lebensdauer eines Rechners im Netz mindestens verdoppeln.

Dieser Vorschlag stößt bei Anwendern jedoch auf heftige Kritik. Günther Vogler von der Veba Öl AG beispielsweise unterstreicht, daß nicht die Anschaffungskosten für Endsysteme die wirklichen Kostenfaktoren im Netz seien, sondern das System-Management, die Verteilung der Software und ähnliches. Der Aufwand beim Kauf weniger neuer Rechner und das damit verbundene Weiterreichen der Altgeräte steht nach Meinung von Vogler in keinem Verhältnis zu dem daraus resultierenden Nutzen.

Außerdem erschwere das Nebeneinander von mehreren Rechnergenerationen die Kontrolle der vorhandenen Programmversionen und die Administration des laufenden Betriebs unnötig. Ein weiterer Aspekt, der das Lamond-Konzept unpraktikabel erscheinen läßt, ist der, daß selbst Nicht-Power-User dennoch in die moderne Unternehmenskommunikation beispielsweise über E-Mail eingebunden werden müssen. Das würde etwa die Nutzung eines betagten 386-Rechners unter DOS durch Sekretärinnen ausschließen.

Unabhängig davon, welcher Client sich letztendlich im Unternehmensnetz etablieren wird, ist doch ziemlich sicher, daß der Mainframe noch nicht tot ist. Die Rechenriesen werden weiter als Zentralrechner dienen, in Zukunft womöglich auch als Superserver im Intranet. Im Gegensatz zu den traditionellen Hosts werden die Großrechner jedoch nicht mehr als denkendes und steuerndes Hirn im Hintergrund, sondern als Lieferant von Daten und Anwendungen fungieren, die zentral auf ihnen gespeichert werden.