Andreas Resch, Bayer Business Services: Manager zwischen Welten

29.11.2007
Andreas Resch ist CIO des Weltkonzerns Bayer AG. Weltkonzern klingt gut. Für Resch bedeutet es, dass kaum eine Woche ohne Reise vergeht. Die Jury des diesjährigen Wettbewerbs "CIO des Jahres" wählte den vielbeschäftigten Bayer-CIO auf den dritten Platz.

Wenn man den Berliner und Marathonläufer und deshalb jung gebliebenen 54-Jährigen am Telefon erwischen will, sollte man ihm lieber gleich eine E-Mail schicken. Denn irgendwie läuft das bei ihm wie beim Quintett Trio Rio und ihrem Gassenhauer "New York, Rio, Tokio". Ihn fernmündlich zu erreichen ist schwer möglich – eine Antwort via elektronischer Post zu erhalten aber desto wahrscheinlicher.

Andreas Resch, CIO von Bayer, hat sein Smartphone immer dabei, um von unterwegs Business-Mails zu beantworten. (Foto: Joachim Wendler)
Andreas Resch, CIO von Bayer, hat sein Smartphone immer dabei, um von unterwegs Business-Mails zu beantworten. (Foto: Joachim Wendler)
Foto: Joachim Wendler

Denn auch das zeichnet den Vater von drei Kindern aus: Er antwortet immer rasch. Egal, ob er gerade Richtung Japan unterwegs ist und noch schnell E-Mails am Checkin beantwortet. Oder ob er direkt aus der Kathedrale von Sevilla eine Anfrage retourniert – was seine Ehefrau sehr zu Recht eher befremdlich findet. Immerhin ist man in Urlaub. Wir wollen einmal annehmen, dass solche prompten Antworten der Tatsache geschuldet sind, dass Resch neben seinen vielfältigen beruflichen Aufgaben als CIO des Großkonzerns Bayer auch noch Selbstverpflichtungen auf sich nimmt wie beispielsweise als Jury-Mitglied beim Wettbewerb "Anwender des Jahres". Das geschieht freiwillig und könnte deshalb als Nebensächlichkeit missverstanden werden. Aber wer Resch kennt, weiß, dass er auch dann, wenn es "nur" um die Ehre geht, die Ärmel hochkrempelt.

Richtig viel zu tun

Richtig zu tun hat er in seinem ersten Leben als Vorsitzender der Geschäftsführung der Bayer-IT-Tochter Bayer Business Services (BBS) und somit CIO der Bayer AG dann aber auch – und das wie gesagt weltweit. So tauschte das Unternehmen seit 2006 an den Bayer-Standorten in den USA SAP R/3 (weitgehend Release 4.6) gegen Mysap ERP 6.0 aus. Das gleiche Prozedere folgte in Europa und Asien 2007. Da der Konzern an der New Yorker Börse NYSE gelistet war, musste dies nach den Vorgaben von Sarbanes-Oxley geschehen. Gleichzeitig galt es, für 600 Benutzer in zehn Gesellschaften in Europa, Asien und Lateinamerika das für Vertriebsgesellschaften optimierte SAP-Template "Bay4S" einzuführen.

Außerdem integrierte BBS mit "Global HR" ein weltweit vereinheitlichtes Personalmanagementsystem zur Unterstützung von acht HR-Kernprozessen (Performance-Management, Recruiting, Relocation, Payment etc.) in entweder schon existierenden oder noch aufzubauenden HR-Service-Centern.

Andreas Resch auf einen Blick: Stationen, Projekt, Ansichten.
Andreas Resch auf einen Blick: Stationen, Projekt, Ansichten.

Ein weiteres, auch außerhalb des Bayer-Konzern stark beachtetes IT-Projekt befasste sich mit einem umfassenden und vollständig interaktiven Abfall-Management-System. Allein schon wegen der mittlerweile in Europa gültigen gesetzlichen Regelungen kam diesem Vorhaben große Bedeutung zu.

Ferner galt es für Resch und die BBS, Rechnungsbearbeitungsprozesse aus Nordamerika in das Accounting-Service-Center in Barcelona zu übernehmen.

Last, but not least stellte sich 2006/07 die Aufgabe, einen so genannten Approval Workflow – hierzu zählt etwa die Bearbeitung insbesondere von Kreditorenrechnungen - in 40 asiatischen Bayer-Gesellschaften einzuführen. Einsparpotenzial: Immerhin 25 Prozent bei 500.000 pro Jahr anfallenden Dokumenten.

Mal so nebenbei: Wie integriert man einen Weltkonzern?

Diese stattliche Liste an Aufgaben nennt Resch das "eigentliche Projektprogramm", das die BBS unter seiner Führung in den vergangenen knapp zwei Jahren schultern musste. Nicht gerade wenig. Insbesondere mit Sicht auf den weltweiten Zuschnitt des Bayer-Konzerns.

Hinzu kam jedoch ein ungleich größeres Aufgabenpaket: Die Integration von Schering in den Bayer-Konzern. "Bayer Business Services wäre in den Jahren 2006 und 2007 auch ohne die Integration der Schering AG voll ausgelastet gewesen", erläutert Resch. "Wir hatten es nun mit einer Situation zu tun, die nicht vorhersehbar war."

Andreas Resch on tour: Momentaufnahmen. (Fotos: Joachim Wendler)
Andreas Resch on tour: Momentaufnahmen. (Fotos: Joachim Wendler)
Foto: Joachim Wendler

Im März 2006 kündigte Bayer an, die Schering AG in einem Bieterwettkampf mit der Merck KGaA übernehmen zu wollen. Im September konnte Bayer verkünden, 95 Prozent der Schering-Papiere gekauft zu haben. Am 29. Dezember 2006 wurde der Berliner Konzern offiziell in Bayer Schering Pharma umbenannt. Die Integration des Pharmariesen aus der Bundeshauptstadt bedeutete nichts weniger, als ein Unternehmen mit einem Jahresumsatz von über 5 Milliarden Euro und mit 25 000 Mitarbeitern in die Prozesse und Strukturen von Bayer zu integrieren. Resch: "Es ging dabei für die IT nicht nur um die Zusammenführung von Infrastruktur und Geschäftsprozessen mit entsprechenden Applikationen. Vielmehr musste zudem das Team von Schering in die Servicegesellschaft Bayer Business Services des Bayer-Konzerns integriert werden."

Dieses bedeutete, die Berliner IT in die bei Bayer bewährte Shared-Service-Organisation zu überführen, die für alle Bereiche des Weltkonzerns arbeitet, und zugleich das Konzept der Integrated Services auf Schering zu übertragen. "Wir verstehen Integrated Services als Geschäftsprozesslösungen, in die wir die passende IT-Unterstützung gleich integriert haben. Wir gestalten diese als Service und bieten sie im Business Process Outsourcing als Komplettpaket an", erklärt Resch.

Monster-Akquisition in Zahlen

In nackten Zahlen: Die Einverleibung der Schering AG in den Bayer-Konzern musste über 83 rechtlich selbständige Gesellschaften verwirklicht werden. Die Schering-IT wurde hierbei aus den bisherigen Server-Standorten auf die drei globalen Bayer Data Center in Pittsburgh, Leverkusen und Singapur umgelagert. Insgesamt umfasste der Integrationsplan im Bereich Informationstechnologie rund 500 Einzelprojekte. Die Kosten beliefen sich auf einen niedrigen dreistelligen Millionenbetrag. Und das Ziel für Bayer Business Services hieß, durch Synergieeffekte die Kosten für den gesamten IT-Geschäftsbetrieb deutlich zu reduzieren.

"Bayer Business Services hat bereits viel Erfahrung mit der Aus- und Eingliederung von Unternehmen oder Unternehmensteilen", betont Resch. "Die Eingliederung der Schering AG hatte jedoch eine neue, größere Dimension als beispielsweise der Carve-Out von Lanxess oder die Integration der Roche-Unternehmensteile. Die Größe und die besondere Logik eines so genannten Share-Deals stellte enorme Anforderungen an das gesamte Fachpersonal." Die Integration eines bisher selbständigen Unternehmens sei zudem immer auch eine Herausforderung für die Unternehmenskultur beziehungsweise das Change-Management.

Wie sage ich, dass ich gut bin?

Die BBS bedient als Business-Process-Outsourcing-Partner und IT-Dienstleister zum einen die Teilkonzerne der Bayer AG, zum anderen aber auch externe Kunden. Zu diesen zählt etwa der abgespaltene Chemiekonzern Lanxess. Die BBS erwirtschaftet etwa 80 Prozent ihres Umsatzes mit inhäusigen Kunden, den Rest mit externen. Um diesen, aber auch der eigenen Klientel zu zeigen, wie die BBS auch im Vergleich mit anderen IT-Dienstleistern abschneidet, hat Resch schließlich das Projekt "Top Quartile Price and Performance" etabliert. Dieses hat, sagt der Bayer-CIO, "ganz wesentlich zu einem weniger budgetorientierten als vielmehr performanceorientierten Verhältnis zu unseren Kunden beigetragen".

Hinter dem Begriff "Top Quartile Price and Performance" verbirgt sich ein Verfahren, das die BBS in den vergangenen zwei Jahren entwickelt hat. Sie erstellte hierzu einen internationalen Produktkatalog, der vorrangig an der Entwicklung von Produkten im Markt der IT- beziehungsweise IT-Service-Industrie und weniger an der Struktur der Leistungserbringung orientiert ist.

Außerdem erarbeitete die BBS mit Unterstützung einschlägiger Expertenfirmen (Gartner, SMP, Compass, Maturity) eine Struktur der am Markt üblichen Preise, die IT-Dienstleister pro Produkt beziehungsweise pro Produktbereich verlangen. Diese hielt sie dann dem Preisangebot der BBS entgegen. Nach dem gleichen System errechnete BBS – wiederum unter Verwendung externen Know-hows – auch die voraussichtliche Entwicklung der Preise in den nächsten fünf Jahren. Hierin berechnete die Resch-Truppe auch absehbare Veränderungen der Faktorkosten ein - im Wesentlichen also Ausgaben für Personal, Hard- und Software.

Das Ergebnis dieses Verfahrens dient der Steuerung der Kosten (Eigenfertigung) und des Sourcings (internes Offshoring, Outsourcing) in den kommenden Jahren. Die BBS hat damit, so Resch, "die Voraussetzungen geschaffen, sich als Kompetenzzentrum des Konzerns dauerhaft seinen Platz innerhalb der Bayer-Welt zu behaupten, sich andererseits aber weitgehend an den Wettbewerbsbedingungen vergleichbarer Servicefirmen beziehungsweise der Serviceindustrie als Branche zu orientieren". Dieses Vorgehen ist nach den Worten des Bayer-CIO der entscheidende Schritt zur Sicherung des BBS-Geschäftsmodells und zur Industrialisierung von Leistungsstrukturen. Die Ersterhebung von 2006 sei mittlerweile aktualisiert worden, was zu Preisanpassungen und zur Ausrichtung an den besten Angeboten anderer IT-Dienstleister geführt habe.

Das Ergebnis solcher Transparenz des eigenen Wirkens kam im Bayer-Konzern richtig gut an. Resch beschreibt es so: "Die nahezu überwältigende Wirkung dieses Vorgehens bei den bisher ausgesprochen kritisch eingestellten Vertretern im Management der Teilkonzerne und des Corporate Center hat eine erfreuliche Bestätigung des eingeschlagenen Kurses erbracht."

Dialog der CIOs

Resch wäre nicht ein so erfolgreicher CIO, wenn er nicht auch wüsste, welche Sorgen seine Fachkollegen drücken. Um hier in einen konstruktiven Dialog zu treten, hat er wesentlich zur Etablierung der mittlerweile größten CIO-Community Europas beigetragen. Seit 2002 beteiligt sich der Bayer-Mann an der Initiative zum Aufbau der IT-Community CIO Circle, die ohne Einfluss von Anbieterfirmen den fachlichen Diskurs und den offenen Erfahrungsaustausch unterstützt. Gegenwärtig nehmen an dem informellen Netzwerk 660 IT-Manager oder CIOs teil. Sie treffen sich zum tiefschürfenden Erfahrungsaustausch in Workshops und auf der Diskussionsplattform im internen Web-Bereich (www.cio-circle.org), auf Jahrestagungen und Fachforen. Das explosionsartige Anwachsen des CIO Circle bestätigt Resch in dem Credo, dass IT-Verantwortliche einen hohen Bedarf an Informationsaustausch haben. Im Circle bleiben übrigens IT-Manager strikt unter sich und etwa Hersteller außen vor. Entre eux kommuniziert diese IT-Führungsriege allerdings intensiv – und dann darf es auch mal aus spanischen Kathedralen sein.