America Online, Prodigy und Compuserve gegen Microsoft Bundling von MS Network mit Windows 95 ruft Protest hervor

02.06.1995

FRAMINGHAM (IDG) - Nachdem sich Microsoft unter dem Druck der Oeffentlichkeit gegen die Uebernahme des Quicken-Herstellers Intuit entschieden hat (siehe Seite 7), spuert die Konkurrenz Rueckenwind. Sie forderte jetzt das amerikanische Justizministerium auf, den Software-konzern zu zwingen, seinen Online-Dienst Microsoft Network (MSN) vom Betriebssystem Windows 95 zu entkoppeln.

Die Liste der Beschwerdefuehrer liest sich wie das Who is who der internationalen Online-Szene: America Online, Prodigy und Compuserve zaehlen ebenso dazu wie eine Reihe bisher nicht bekannter Software-haeuser, die durch den Rechtsanwalt Gary Reback vertreten werden. Sie alle fuerchten eine Einschraenkung des Wettbewerbs, sollte Microsoft sein fuer August dieses Jahres erwartetes Betriebssystem wie

angekuendigt mit der Zugriffssoftware fuer den Online-Dienst koppeln.

So fordert Steve Case, President und CEO von America Online, man muesse Gates davon abhalten, das Betriebssystem Windows 95 als Marketing-Plattform fuer Microsoft-eigene Produkte und Services einschliesslich des MSN zu verwenden.

Anwalt Reback behauptet, beim Justizministerium auf Verstaendnis fuer das Anliegen der Konkurrenten gestossen zu sein. Dagegen hat die Behoerde bisher jeden oeffentlichen Kommentar ueber Ermittlungen gegen Microsoft bezueglich des Online-Geschaefts abgelehnt. Auch beim Softwareriesen aus Redmond weiss man angeblich nichts von offiziellen Untersuchungen.

Demgegenueber berichtet Brian Ek, Sprecher der Prodigy Services Co. in White Plains, New York, sein Unternehmen sei von Anwaelten des Justizministeriums zum Thema MSN angesprochen worden. "Wir haben Dokumente vorgelegt, und eine Reihe unserer Mitarbeiter wurde befragt." Auch Compuserve steht nach Darstellung von Marketing- Direktor Kent Stuckey seit Juli 1994 kontinuierlich in Kontakt mit den US-Rechtsbehoerden.

Prodigy und Compuserve sind nicht nur besorgt, weil mit jeder Windows-95-Kopie ein MSN-Client ausgeliefert werden soll, sie aergern sich vor allem darueber, dass Win-95-Benutzer an der standardmaessig voreingestellten Software kaum vorbeikommen. So werden neue Anwender grundsaetzlich erst einmal dazu aufgefordert, zur Registrierung Microsofts Online-Dienst zu benutzen.

Prodigy-Mann Ek beschreibt die Verzerrung der Marktverhaeltnisse am Beispiel eines Distributionsabkommens, das sein Unternehmen mit PC-Hersteller Packard Bell Electronics Inc. unterhalte. Ein langfristiges Exklusivabkommen habe Ende letzten Jahres neu verhandelt werden muessen, weil Microsoft mit Windows 95 auf den Plan getreten sei. Da das Betriebssystem mit MSN serienmaessig einen Online-Dienst enthaelt, fiel es Prodigy schwer, fuer den eigenen Service zu argumentieren.

Die Loesung des Problems sieht Compuserve-Manager Stuckey im Unbundling von Betriebssystem und Online-Dienst. Entweder muesse Microsoft das Netzgeschaeft separat aufziehen oder im Betriebssystem ein Tool fuer die Bereitstellung aller gaengigen Online-Services anlegen.

Ob die US-Behoerden einschreiten werden, ist voellig offen. Joseph Kattan, Antitrust-Anwalt bei Morgan, Lewis & Bockius in Washington, haelt die Rechtsprechung in diesem Fall fuer aeusserst kompliziert: Microsoft verbinde ja nicht den Online-Dienst selbst, sondern lediglich die Zugriffssoftware mit dem Betriebssystem, erklaert der Jurist.

So argumentiert auch der ausscheidende Microsoft-Manager Mike Maples. Nur die MSN-Client-Software werde mit Win 95 gekoppelt; wer den Netzservice beziehen wolle, muesse sich noch einmal extra an den Anbieter wenden. Allerdings duerfte Maples kaum leugnen, dass ein verfuehrerisch einfacher Mausklick zur Kontaktaufnahme ausreicht.