Rechenzentrum Aachen bedient europäische Konzerntöchter

AMB Generali bündelt seine IT-Ressourcen

11.07.2003
MÜNCHEN (wh) - Der Kostendruck in der Versicherungsbranche zwingt AMB Generali zum Sparen. Nach einem verlustreichen Geschäftsjahr hat der drittgrößte deutsche Erstversicherer wesentliche Teile der europäischen IT-Infrastruktur am Standort Aachen zusammengelegt. Vorstandschef Walter Thießen plant weitere Konsolidierungsprojekte.

Mehr als 40000 Unternehmenskunden im Konzernverbund bedient der erweiterte IT-Standort Aachen, erklärte Thießen zur Eröffnung des "Informations- und Verwaltungszentrums II". Damit betreibe man "eines der modernsten und größten privatwirtschaftlich betriebenen Rechenzentren Europas".

Unter dem Dach der Management-Holding verarbeitet der interne IT-Dienstleister AMB Generali Informatik täglich bis zu 24 Millionen Online-Transaktionen für die angeschlossenen Gesellschaften. Dazu gehören unter anderem die Versicherer Aachener und Münchner, Thuringia-Generali, die Volksfürsorge und der Direktanbieter Cosmos. Insgesamt betreut der Konzern rund 15 Millionen Kunden.

Vorangegangen war eine weit greifende IT-Konsolidierung, die neben der Zusammenlegung dezentraler Server auch die Verlagerung des Wiener Rechenzentrums nach Aachen umfasste. Das neue IT-Zentrum bedient damit nicht nur die deutschen Konzerngesellschaften, sondern auch Unternehmen in Osteuropa und den Niederlanden.

AMB Generali hat dazu eigenen Angaben zufolge 75 Millionen Euro investiert, davon 20 Millionen Euro in Hardware und Software. Der Anstoß für die jüngsten Maßnahmen kam vom Hauptaktionär der AMB Generali Holding, dem italienischen Generali-Konzern (Assicurazioni Generali) mit Hauptsitz in Triest. Er hatte die bis dato weitgehend unabhängig tätigen Gesellschaften aufgefordert, enger zu kooperieren.

"Im Rahmen der Konzernstrategie der AMB Generali Holding wurde die Zusammenarbeit der einzelnen Gesellschaften auf eine qualitativ neue Ebene gehoben", resümiert Thießen. Grundlage dafür sei die Multimarken-Struktur des deutschen Konzernteils der internationalen Generali Gruppe mit jeweils eigenen Marketing- und Vertriebsorganisationen der Gesellschaften. Im Backoffice gebe es bereits seit Mitte der 90er Jahre Konsolidierungsbestrebungen, so der Manager, der von 1996 bis 2002 neben seiner Vorstandstätigkeit auch als Geschäftsführer der AMB Informatik agierte. Im März 2002 stieg er zum Vorstandsvorsitzenden der AMB Generali Holding AG auf.

Sparzwang auch in der IT

Dass der Druck aus Triest zugenommen hat, dürfte vor allem mit den unbefriedigenden Geschäftszahlen zusammenhängen. Im Jahr 2002 musste die Konzernmutter zum ersten Mal in der Firmengeschichte Verluste ausweisen, obwohl das Tagesgeschäft im Heimatmarkt nicht schlecht lief. Die deutsche Tochter trug mit einem Verlust von 235 Millionen Euro und hohen Abschreibungen auf Commerzbank-Anteile nicht unwesentlich zu den roten Zahlen bei. Thießen kündigte an, die Zügel zu straffen.

Dabei steht ihm sein Nachfolger als IT-Chef, Christoph Schmallenbach, zur Seite. "Wir fahren eine klare Zentralisierungsstrategie", erklärt der Geschäftsführer der AMB Generali Informatik Services GmbH. Damit verbunden sind Konsolidierungsprojekte auf allen Ebenen. Schon vor der Übernahme des Wiener Rechenzentrums hat Schmallenbach die ehedem weit verteilten Unix-Systeme in Aachen zusammengefasst. Heute steuern rund 70 Highend-Server vorwiegend unter IBMs Unix-Derivat AIX die unterschiedlichen Arbeitslasten der Konzernkunden über logische Partitionen.

Ähnliches plant der Konzern für die rund 600 Windows-Server. Sie sollen weitgehend im neuen Rechenzentrum konsolidiert, ihre Anzahl auf ein Fünftel reduziert werden. Unterm Strich erwartet Schmallenbach von der RZ-Verlagerung Einsparungen von fünf bis sechs Millionen Euro ab dem Jahr 2004. Die österreichische Konzerngesellschaft, die künftig von Aachen aus mit Diensten versorgt wird, könne so ihre IT-Infrastrukturkosten um zirka ein Drittel senken.

Synergieeffekte ergäben sich ferner durch eine "Harmonisierung der Anwendungslandschaften". Dazu zählen zuvörderst Kernanwendungen wie Bestandsverwaltung, Provisions- oder Agentursysteme - allesamt Eigenentwicklungen, die Zug um Zug vereinheitlicht werden. Im Bereich der Mailing- und Workgroup-Systeme verfolgt AMB Generali eine Rehosting-Strategie. Die komplette Lotus-Domino-Infrastruktur für 16000 Innendienst- und 18000 Außendienstmitarbeiter migrierte das IT-Team auf /390-Großrechner. Anwendungs- und Datenbank-Server für die rund 4500 Nutzer des ERP-Systems SAP R/3 laufen auf AIX-Maschinen.

Dem Thema Outsourcing, das gerade im Finanzsektor einen Boom erlebt, steht das Management kritisch gegenüber. "IT ist eine Schlüsselposition, die wir grundsätzlich selbst betreiben wollen", betont Thießen. Auch Schmallenbach vertritt die Ansicht, IT gehöre zu den Kernfunktionen eines Finanzdienstleisters, schränkt aber ein: Bei diesem Grundsatz sei es im Rahmen einer Sourcing-Strategie durchaus denkbar, Teilfunktionen wie den Support für bestimmte Systeme auszulagern. Entscheidend sei, dass die Kontrolle und Steuerung, beispielsweise die Definition von Service-Level-Agreements (SLA), in den eigenen Händen bleibe.

IT-Tochter mit Wachstumschancen

Für die AMB-Informatik eröffneten sich Wachstumschancen, gibt sich Thießen überzeugt, auch wenn der Dienstleister nicht außerhalb des Unternehmensverbunds tätig werde. Die italienische Mutter Generali treibe die IT-Konsolidierung international voran, was für die IT-Zentrale in Aachen die Übernahme weiterer Aufgaben bedeuten werde. So entwickelt der Konzern derzeit eine gemeinsame Intranet-Plattform für alle europäischen Kapitalanlage-Gesellschaften der Generali-Gruppe. Federführend sei AMB-Informatik, die mit 1366 Mitarbeitern den größten internen IT-Dienstleister stelle.