Alles, was Recht ist

23.02.2009
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Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.
Um die Frage, inwieweit der Handel mit gebrauchter Software zulässig ist, streiten Richter, Juraprofessoren, Hersteller und Händler.

Auch wenn der Handel mit gebrauchter Software schon seit Jahren wächst und gedeiht, steht der Markt noch lange nicht auf einer rechtlich sicheren Basis. Zwar müssen die Anbieter den einfachen Weiterverkauf einer Software-CD inklusive Verpackung, Echtheitszertifikat und Lizenzurkunde dulden. Spezialfälle wie online übertragene Lizenzen oder die Behandlung von Volumenpakten werden aber kontrovers diskutiert. Das sind die Fragen, um die am heftigsten gestritten wird:

Dürfen online übertragene Lizenzen gehandelt werden?

Am 3. Juli 2008 hat das Oberlandesgericht München der Klage Oracles gegen den Münchner Lizenzhändler Usedsoft abschließend stattgegeben (Aktenzeichen 6 U 2759/07). In dem Verfahren, das seit Anfang 2006 die Münchner Gerichte beschäftigte, ging es um die Frage, ob der Weiterverkauf von online übertragenen Nutzungsrechten für Oracle-Software rechtmäßig ist. Usedsoft hatte für die Nutzungsrechte geworben, die Interessenten jedoch dazu aufgefordert, sich die Software via Internet von den Oracle-Seiten herunterzuladen. Diese Praxis verstoße gegen das allein dem Hersteller zustehende Vervielfältigungsrecht, entschied das Landgericht München. Dieser Auffassung schloss sich die höhere Instanz an. Urheberrechtliche Nutzungsrechte sind besonders verletzungsanfällig und bedürfen daher eines besonderen Schutzes, heißt es in der Urteilsbegründung.

Die Usedsoft-Verantwortlichen konterten dagegen mit dem Erschöpfungsgrundsatz und verwiesen auf ein Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofes (Aktenzeichen I ZR 244/97). Microsoft hatte versucht, den Handel von Software, die der Konzern an bestimmte Hardware koppeln wollte, zu unterbinden. In dem so genannten OEM-Urteil vom 6. Juli 2000 urteilten die Richter jedoch: "Ist die Programmversion durch den Hersteller oder mit seiner Zustimmung in Verkehr gesetzt worden, ist die Weiterverbreitung aufgrund der eingetretenen Erschöpfung des urheberrechtlichen Verbreitungsrechts ungeachtet einer inhaltlichen Beschränkung des eingeräumten Nutzungsrechts frei." Dieser Erschöpfungsgrundsatz, wonach ein Hersteller die Weiterverbreitung seiner Produkte nach dem Verkauf nicht weiter reglementieren dürfe, könne auch nicht durch die Lizenzbestimmungen ausgehebelt werden.

Rückendeckung erhält der Lizenzhändler von Rechtsexperten. "Ich kämpfe mit aller Gewalt gegen die Linie des OLG München", stellt Thomas Hoeren, Juraprofessor an der Universität Münster, klar. Der Erschöpfungsgrundsatz gelte seiner Ansicht nach nicht nur für körperliche Kopien. Es könne nicht von Belang sein, ob ein Hersteller seinem Kunden die Software auf einer DVD übergebe oder online zum Download anbiete. Das mache im wirtschaftlichen Ergebnis keinen Unterschied. "Es ist absurd, dass wir darüber überhaupt streiten müssen."

Verletzt der Gebrauchthandel die Urheberrechte der Hersteller?

Mit dem Urteil des OLG München im Rücken setzten die Softwarehersteller zu einem Rundumschlag gegen die Händler an. Der Handel mit gebrauchten Softwarelizenzen beziehungsweise der Weiterverkauf an Dritte sei grundsätzlich rechtswidrig, hieß es in einer Mitteilung Oracles. Das gelte auch bei der Übergabe eines Originaldatenträgers. Der Softwarekonzern beruft sich dabei auf die Argumentation des OLG München, wonach es beim Gebrauchthandel zu einer Vervielfältigung der Software komme. Die Rechte dafür lägen jedoch allein beim Hersteller.

Microsoft schlägt in die gleiche Kerbe. Zwar gehe der Lizenzhandel verbreitungsrechtlich in Ordnung, gesteht der Konzern zu: Wenn ein Produkt im europäischen Wirtschaftsraum in Umlauf gebracht worden sei, dann könne der Hersteller die weitere Verbreitung nicht einschränken. Das gelte allerdings nicht für das Vervielfältigungsrecht. Der Drittkäufer einer Lizenz habe diese zwar rechtmäßig erworben, dürfe sie aber im Grunde nicht nutzen, da die Installation der Software einer Vervielfältigung gleichkomme. Dieses Recht habe der Käufer einer Second-Hand-Lizenz vom Rechteinhaber, dem Hersteller der Software, jedoch nie bekommen, sondern nur der Erstkäufer. Das Verbreitungsrecht könne sich erschöpfen, aber das Vervielfältigungsrecht nicht, heißt es bei Microsoft.

Ein Kunde muss eine Software überhaupt erst einmal installieren, bevor er sie nutzen kann, kontert Rechtsprofessor Hoeren. Zwar entstehe dadurch eine Kopie, diese sei aber durch eine Vorschrift im Urheberrecht (Paragraf 69d, Absatz 1) abgesichert. Darin werde dem Kunden das Recht eingeräumt, alles mit der Software zu machen, was zum bestimmungsgemäßen Gebrauch erforderlich ist. Dazu gehöre dem Experten zufolge auch die Installation und damit eine gewisse Vervielfältigung der Software. Diese Vorschrift sei zwingendes Recht, sagt Hoeren, und lasse sich nicht durch Vertragsklauseln aushebeln.

Dürfen Volumenverträge aufgespalten werden?

Ebenfalls unter Berufung auf das Urteil der Münchner Richter pocht Microsoft auf sein Recht, in den Verträgen Regeln zur Weiterveräußerung seiner Software festzulegen. Die Entscheidung bestätige die eigene Rechtsauffassung, wonach der An- und Verkauf von Vervielfältigungsrechten aus Volumenlizenzverträgen ohne Zustimmung unwirksam und urheberrechtswidrig sei, heißt es in einer Mitteilung. Gestattet sei eine Übertragung beispielsweise im Fall von Insolvenzen beziehungsweise Firmenverkäufen. Alle anderen Fälle, in denen Lizenzen auf Dritte übertragen werden sollen, müssten geprüft werden.

Für die Übertragung von Softwarelizenzen gibt es bei Microsoft derzeit ein standardisiertes Verfahren. Zustimmen muss dabei die Europazentrale in Irland. Aktuell verfolgt der Softwareriese die Richtlinie, dass Volumenverträge nur im Ganzen übertragen werden dürfen. Eine Aufspaltung der Lizenzpakete ist aus Sicht der Microsoft-Verantwortlichen nicht erlaubt.

Aus Sicht der Lizenzhändler handelt es sich dabei um eine unzulässige Einschränkung des Erschöpfungsgrundsatzes. Sie verweisen auf Urteile aus Hamburg und München. In Hamburg hatte 2006 ein Microsoft-Partner Usedsoft vorgeworfen, für Lizenzen aus Volumenverträgen zu werben. Dies sei irreführend. Allerdings schloss sich das Landgericht dieser Auffassung nicht an (Aktenzeichen 315 O 343/06). Vielmehr sei der Verkauf einzelner Microsoft-Lizenzen, die zuvor im Rahmen von Volumenverträgen abgegeben worden waren, auch ohne Zustimmung von Microsoft wirksam möglich. Eine entsprechende Werbung sei nicht irreführend. Das Landgericht München schloss sich dieser Argumentation an. Ein Unternehmen, das gebrauchte Lizenzen bei Usedsoft eingekauft hatte, klagte gegen Usedsoft. Die gelieferten Datenträger seien keine originalen gewesen. Offenbar habe der Händler Volumenlizenzen gesplittet. Als Folge verweigerte der Kunde die Zahlung. Zu Unrecht, urteilten die Richter (Aktenzeichen 30 O 8684/07). Mit der Übertragung der Software habe sich das Verbreitungsrecht Microsofts erschöpft. Das gelte für jedes einzeln eingeräumte Nutzungsrecht. Der Verkauf einzelner Lizenzen aus einem Volumenvertrag sei daher möglich.

Die Aufspaltung von Volumenlizenzen werfe Probleme auf, wendet jedoch Rechtsexperte Hoeren ein. Es stelle sich die Frage, ob ein derartiges Volumenpaket als ein Produkt zu behandeln sei oder nicht. Hoeren kann die Sorgen der Softwarehersteller nachvollziehen, wenn Produkt-Keys, die ursprünglich für einen Kunden gedacht waren, plötzlich bei einer Vielzahl von Firmen im Einsatz sind: "Das ist nicht mehr kontrollierbar."

Diesen Einwand will Matthias Leistner, Professor an der Universität Bonn, nicht gelten lassen. Der Rechtsgelehrte hat für die Stadt Arnsberg die Rechtmäßigkeit von Gebrauchtsoftware untersucht. Dabei kam er zu dem Schluss, dass aus einem Volumenvertrag abgespaltene Lizenzpakete rechtlich nicht zu beanstanden seien. Außerdem bedürfe es dafür keiner Zustimmung des Herstellers.

Die Vergabekammer Düsseldorf hat am 23. Mai 2008 entschieden, dass Behörden verpflichtet seien, bei der Ausschreibung von Standardsoftware auch Anbieter von gebrauchten Lizenzen zuzulassen. Zuvor hatte Usedsoft eine Ausschreibung des Landesbetriebs für Datenverarbeitung und Statistik des Landes Nordrhein-Westfalen (NRW) angefochten. Dabei seien nur Large Account Reseller (LAR) von Microsoft berücksichtigt worden. Dieses Vorgehen verstoße jedoch gegen das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, entschieden die Düsseldorfer Richter, und hoben das Vergabeverfahren auf.

So geht es weiter

Wie die Vorzeichen derzeit stehen, wird der Streit noch eine ganze Weile weitergehen. Nach dem Urteil des OLG München, in dem die Richter keine Revision zuließen, hat Usedsoft Nichtzulassungsbeschwerde vor dem Bundesgerichtshof (BGH) eingelegt. Experten erwarten, dass die Richter im Sommer darüber entscheiden, ob sie den Fall annehmen oder nicht. Kommt der Streit vor das höchste deutsche Gericht, ist mit einem endgültigen Urteil nicht vor zwei Jahren zu rechnen. Haben die Richter am BGH kein Interesse an dem Fall, ist das Urteil des OLG München rechtskräftig.

Im Namen des Gesetzes

Angesichts der jahrelangen Streits um die Rechtmäßigkeit von Gebrauchtsoftware stellt sich die Frage, ob der Gesetzgeber an dieser Stelle nicht Klarheit schaffen müsste. Doch auch dies wird kontrovers diskutiert:

  • Microsoft zufolge muss das Gesetz nicht nachgebessert werden. Schließlich sei das Urheberrecht erst in den 90er Jahren novelliert worden, als alle schon wussten, dass es digitale Medien gibt. Außerdem werde genau unterschieden zwischen Verbreitungs- und Vervielfältigungsrecht. Es könne nicht sein, dass jedes Mal, wenn über die Auslegung eines Gesetzes gestritten werde, Forderungen nach neuen Gesetzen laut würden.

  • Das sieht Thomas Hoeren, Juraprofessor an der Universität Münster jedoch anders. Das Urheberrecht stamme aus dem Jahr 1965. Zwar habe es im Laufe der Jahre Ergänzungen und Novellierungen gegeben, am Erschöpfungsgrundsatz sei jedoch nie gearbeitet worden.

Das soll sich offenbar ändern. Bundestag und Justizministerium haben bereits durchblicken lassen, dass es eine weitere Novellierung, den so genannten dritten Korb, des Urheberrechts geben wird. In diesem Zusammenhang will sich der Gesetzgeber unter anderem umstrittenen Fragen wie beispielsweise der Online-Erschöpfung annehmen. Bis das Gesetz durch alle Gremien und Instanzen verabschiedet ist, wird es jedoch noch einige Zeit dauern. Experten zufolge wird in der laufenden Legislaturperiode nichts mehr geschehen. Nach der Bundestagswahl im Herbst 2009 müssten sich zunächst Regierung und Ausschüsse neu ordnen. Alles in allem dürfte es mindestens zwei Jahre dauern, bis der dritte Korb durch ist.

Anwender zum Recht

Hartmut Hopfenzitz, CIO, Woolworth: "Wir haben intern die rechtliche Situation prüfen lassen. Wenn ich etwas käuflich erworben habe und im Vertrag steht, ich habe es gekauft, dann ist es mein Eigentum - Punkt. Kein Mensch darf mir verbieten, dieses Eigentum weiterzuveräußern."

Christian Ude, Oberbürgermeister Landeshauptstadt München: "Die Stadt München sieht nicht ein, für Software mehr als nötig zu zahlen. Über 50 Prozent Ersparnis gegenüber dem Preis für Neuware sprechen eine deutliche Sprache. Nach genauer juristischer Prüfung hatten wir auch keinerlei rechtliche Bedenken. Wir sind der Überzeugung, dass der Handel mit Gebrauchtsoftware vollkommen legal ist."

Sebastian Wendeler, IT-Leiter, Grooveattack GmbH: "Dass der Handel mit gebrauchten Lizenzen den Herstellern ein Dorn im Auge ist, ist nicht weiter verwunderlich. Wer gibt schon gern freiwillig einen Teil seines Gewinns ab? Fakt aber ist, dass der Gebrauchtmarkt für Software juristisch abgesichert ist. Kein Gericht hat gegen den grundsätzlichen Handel mit Lizenzen bisher auch nur einen Einwand erhoben - geschweige denn ein entsprechendes Urteil gefällt."

Urteile

BGH, 6. Juli 2000 (I ZR 244/97): Die isolierte Veräußerung der OEM-Version des Betriebsprogramms an einen Abnehmer ohne gleichzeitige Veräußerung eines neuen PC stellt keine Urheberrechtsverletzung dar. Denn das dem Hersteller zustehende Verbreitungsrecht an dem fraglichen Werkstück ist dadurch erschöpft, dass es durch die bestimmungsgemäße Veräußerung an einen Zwischenhändler mit Zustimmung der Klägerin in Verkehr gesetzt worden ist.

LG Hamburg, 29. Juni 2006 (315 O 343/06): Der Verkauf beziehungsweise die Veräußerung einzelner Microsoft-Softwarelizenzen, die zuvor im Rahmen von Volumenlizenzverträgen wie zum Beispiel Select-Verträgen abgegeben worden waren, ist auch ohne Zustimmung von Microsoft wirksam möglich. Eine Werbung, die dies kommuniziert, ist mithin nicht irreführend.

LG München, 15. März 2007 (7 O 7061/06): Nutzungsrechte der Klägerin werden durch den Verkauf gebrauchter Lizenzen seitens der Beklagten verletzt. Die dauerhafte oder vorübergehende Vervielfältigung eines Computerprogramms ist dem Rechtsinhaber vorbehalten. Die Beklagte veranlasst ihre Kunden, (...) die Software von der Homepage der Klägerin herunterzuladen. Das stellt eine dem Rechtsinhaber vorbehaltene Vervielfältigung dar. Die Beklagte kann ihren Kunden weder dingliche Nutzungsrechte übertragen, noch greift zugunsten der Erwerber der Grundsatz der Erschöpfung.

LG München, 28. November 2007 (30 O 8684/07): Die Veräußerung einzelner Microsoft-Softwarelizenzen, die zuvor im Rahmen von Volumenlizenzverträgen abgegeben worden waren, ist auch ohne Zustimmung von Microsoft im Grundsatz wirksam möglich. Durch die (...) Einräumung von Nutzungsrechten hat sich das Verbreitungsrecht von Microsoft in Bezug auf jedes einzelne eingeräumte Nutzungsrecht, welches jeweils als ein eigenständig zu beurteilendes Vervielfältigungsstück der Software zu behandeln ist, erschöpft.

Vergabekammer Düsseldorf, 23. Mai 2008 (VK - 7/2008 - L): Die Vergabekammer kann den Erwerb von so genannten Gebrauchtlizenzen (...) nur dann grundsätzlich ablehnen, wenn mit der erforderlichen Gewissheit feststünde, dass der Bieter durch sein Angebot gegen Schutzrechte Dritter verstößt.

OLG München, 3. Juli 2008 (6 U 2759/07): Auch beim Vertrieb von Einzelplatznutzungsrechten wird von einem Kunden eine weitere Vervielfältigung vorgenommen, nämlich auf die Festplatte seines Rechners, wozu ihn aber der Erstkäufer nicht ermächtigen konnte. Denn die Abtretung des Nutzungsrechts ist in den allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin ausdrücklich ausgeschlossen. (...) Nichts anderes gilt für den Vertrieb von Nutzungsrechten unter Übergabe eines Datenträgers.