Ratgeber Additive Manufacturing

3D-Druck in- oder outsourcen?

05.11.2015
Von 
Klaus Hauptfleisch ist freier Journalist in München.
Die Kosten für 3D-Drucker, CAD-Software und zusätzliche Ausrüstung können in die Millionen gehen. Vom Personalbedarf ganz zu schweigen. Da liegt es nahe, Aufträge an Dienstleister abzugeben. Aber es gibt auch gute Gründe fürs Insourcing.

Die Geschichte des 3D-Drucks reicht schon über 30 Jahre zurück. In der industriellen Produktion spricht man lieber von Additive Manufacturing oder Fertigung (AM/AF) und wird diese seit über 20 Jahren schon weithin genutzt. Gleiches trifft in zunehmendem Maße auch auf Medizin- und Zahntechnik zu, für die metallverarbeitende Oberliga der 3D-Druckerbranche heute neben Luft- und Raumfahrt eine der wichtigsten Anwendungen.

So gehört die BEGO Gruppe, 1890 von Wilhelm Herbst, dem Erfinder der Rotationsmethode für Plombiergold, als Bremer Goldschlägerei gegründet, zu den führenden Auftragsfertigern für Dentallabore mit weltweit rund 450 Mitarbeitern und einem Umsatz von 80 Millionen Euro im Vorjahr. Das Unternehmen hat ein eigenes selektives Laserschmelzverfahren für die vollautomatische Herstellung von Zahnersatz entwickelt und ist über Tochterfirmen auch Lieferant für Dentaltechnik und Implantate.

3D-Druck beim Flugzeuginstrumentenbauer Kelly Manufacturing: Die Maschine soll 500 dieser Ringkerngehäuse aus hochtemperaturbeständigem Ultem praktisch über Nacht ausdrucken.
3D-Druck beim Flugzeuginstrumentenbauer Kelly Manufacturing: Die Maschine soll 500 dieser Ringkerngehäuse aus hochtemperaturbeständigem Ultem praktisch über Nacht ausdrucken.
Foto: Stratasys

Von Consulting- bis Rundum-Services

Viele Betriebe anderer Branchen, aus dem Handwerk zum Beispiel oder große Kfz-Werkstätten, zeigen auch zunehmend Interesse am 3D-Druck, müssen sich aber oft erstmal beraten lassen. Die Hersteller der 3D-Drucker und -Scanner tun dies schon aus Eigeninteresse natürlich auch. Aber es gibt eine Reihe von Firmen, die entweder die ganze Palette von Dienstleistungen rund um die Additive Fertigung anbieten oder sich wie Core Consulting aus München hauptsächlich auf Beratung, Konzeption und das Erstellen von 3D-CAD-Modellen konzentrieren oder nur auf Letzteres.

Die Trindo Digitalmanufaktur, ebenfalls aus München, geht da schon weiter und verspricht den Rundumservice von der Konzeptionierung und Konstruktion bis hin zur Serienfertigung. Der eigentliche industrielle 3D-Druck wird dann allerdings von großen Dienstleistungs-Partnerunternehmen wie der FIT AG, Creabis und FKM vorgenommen, erklärt Trindo-Geschäftsführer Bennet Klein. Alphaform aus Feldkirchen nahe der bayerischen Landeshauptstadt musste gerade Insolvenz beantragen.

Ähnlich wie Trindo aufgestellt ist auch die unter anderem auf Sondermaschinenbau spezialisierte HIC Innotec GmbH aus Bretten bei Karlsruhe, die mit einer Weiterentwicklung der Polygrafie- oder PolyJet-Technologie Prototypen aus einem Gipskeramikgemisch mit bis zu 160.000 Farben anbietet. Geschäftsführer Stefan Hinzmann weiß, ohne dieses zu nennen, von einem Partnerunternehmen, das über 100 Jahre Erfahrungen in der Metallverarbeitung hat und für den 3D-Druck aus einer Vielzahl von Metallen und Legierungen schöpfen kann, die selbst viele Hersteller nicht kennen.

Deutschlandweit 600 bis 800 3D-Druckdienstleister

Stefan Ritt, Marketingchef beim norddeutschen Hersteller SLM Solutions, zufolge gibt es deutschlandweit rund 600 bis 800 Dienstleistungsunternehmen, im Bereich der Metallverarbeitung jedoch sehr viel weniger. Beim 3D-Laserdruck mit den Selektiven Laserschmelz- und Lasersinter-Verfahren (kurz SLM und SLS genannt), sind deutsche Unternehmen wie SLM Solutions aus Lübeck, EOS und Concept Laser global führend. Das Segment der metallverarbeitenden AM-Technologien, das 2012 laut einem Wohlers-Report nur etwa neun Prozent des auf zwei Milliarden Dollar geschätzten Gesamtmarktes für 3D-Druck ausmachte, soll besonders stark wachsen. Aber wie Ritt einräumt, stehe man damit gemessen an den weltweiten Umsätzen in der Metallverarbeitung noch relativ am Anfang.

Angesichts der hohen Investitionskosten seien AM-Dienstleistungsunternehmen wie die FIT AG wichtige Kunden. Diese würden heute schon etwa zur Hälfte zum Umsatz beitragen und den Markt beflügeln. FIT aus Lupburg in der Oberpfalz hat im Juli 2015 gerade die Investition von 20 Millionen Euro für die weltweit erste Fabrik bekanntgegeben, die vollständig für die industrielle Serienfertigung auf Basis der additiven Verfahren geplant ist und will somit zu General Electrics (GE) aufschließen. Zu den 30 Hochleistungsmaschinen, die dafür angeschafft wurden oder werden, gehören neun Laserschmelzanlagen, darunter acht SML 500HL, die Top-Modelle der Lübecker.

Gründe für Insourcing

Für OEMs (Industrieunternehmen) gebe es im Wesentlichen zwei Gründe für das Insourcing, sagt Ritt: Zum einen sollen vertrauliche Daten oder Firmengeheimnisse nicht nach außen gelangen. Zum anderen hegten viele Unternehmen den Wunsch, bei der jeweiligen Technologie immer auf dem neuesten Stand sein und zu wissen, wie die Maschinen arbeiten. Schließlich zähle das schnelle Time to Market.

Mit den von Ritt genannten Innovationszyklen von drei bis fünf Jahren sind die technologischen Fortschritte immens. Im Umkehrschluss kann man daraus aber erst recht einen Grund ableiten, Auftragsfertiger zu beschäftigen, wenn man bedenkt, dass die SLS- und SLM-Maschinen zwischen 200.000 und zwei Millionen Euro kosten sollen. Dass externe Dienstleister mit ihrem Knowhow und Wissen der Abläufe Dinge beschleunigen können, die im Unternehmen selbst zwischen den verschiedenen Abteilungen vielleicht ins Stocken geraten, habe man dem Manager von SLS Solutions zufolge nicht erfahren.

Weltmarktführer Stratasys sagt, viele Unternehmen hätten noch nicht verstanden, dass 3D Printing sehr schnell voranschreite und die hochqualitative 3D-Drucker wie die seinen keineswegs mehr so teuer seien. Allerdings hat Stratasys nur Geräte mit FDM- und PolyJet-Technologie für Kunststoffe im Programm und keine für die Metallverarbeitung. Wie dem auch sei, der Company zufolge gibt es sechs Gründe für Insourcing: günstigere Preise, ein schnelleres Time-to-market, Wettbewerbsvorteile, weniger Produktionsfehler, mehr Verlässlichkeit und eine verbesserte Genauigkeit und Qualität.

"Demokratisierung des 3D-Drucks"

Für Endkunden fangen die Gerätepreise heute bei unter 400 Euro an. Vom Elektronik-Dienstleister RS-Components war sogar zu erfahren, dass die Materialkosten für den RepRap-Bausatz schon bei unter 200 Euro angelangt seien. Adrian Bowyer hat mit dem 2006 angestoßenen Open-Source- und Open-Hardware-Projektes eines sich selbst replizierenden FDM-Druckers unter dem Namen RepRap(Replication Rapid Prototyper) laut RS-Components viel zur "Demokratisierung des 3D-Drucks" beigetragen.

Unzählige Heimbastler haben eigene Ideen entwickelt und nicht wenige darüber auch ein Geschäftsmodell für 3D-Services, angefangen vom Consulting über die Datenerfassung, das Erstellen von 3D-CAD-Modellen bis hin zum 3D-Druck. Die Community der Enthusiasten war bald so stark am Wachsen, dass sich selbst die etablierten Player für sie zu interessieren begannen. War 3D-CAD-Software früher noch sehr teuer, haben namhafte Hersteller wie Autodesk oder die FIT-Tochter netfabb ihre Lösungen in abgespeckter Form plötzlich kostenlos angeboten, wohl auch mit dem Hintergedanken, dass sich dadurch etwas tut im Markt.