Microsoft erläutert Exchange-Fahrplan

17.02.2005
Rund ein Jahr schwieg Microsoft über die weiteren Pläne für Exchange. Vice President David Thompson erläuterte nun gegenüber der deutschen Presse das im Januar angekündigte nächste große Update des Messaging-Systems.

Der Rückzieher bei Kodiak war nicht der einzige Meinungsumschwung von Microsoft in Sachen Exchange. Nach der Absage dieses großen Updates kündigte das Unternehmen an, dass es einen Teil der dafür geplanten Technologien schon vorher in Form der "Edge Services" ausliefern werde. Sie sollten eine Reihe von Funktionen zum Schutz von E-Mails und zur Abwehr von Spam zusammenfassen. Im Herbst 2004 kam dann das Aus für dieses Zwischen-Release. Einige der dafür angekündigten Features wandern nun in das Service Pack 2 (SP2) für Exchange 2003, darunter Sender-ID. Es handelt sich dabei um ein Framework, das Phishing-Angriffe erschweren soll. Die Standardisierung dieser Technik bei der Internet Engineering Task Force (IETF) scheiterte im letzten Jahr an patentrechtlichen Ansprüchen von Microsoft. Der Spam-Schutz unter der Bezeichnung "Intelligent Message Filter" (IMF) wurde bereits Ende 2004 freigegeben. Er kann allerdings nicht von den Anwendern trainiert werden, so dass die erste Version bereits an Effektivität verliert. Der IMF wird mit dem SP2 aktualisiert, aber Microsoft legte sich nicht auf regelmäßige Aktualisierungsintervalle fest, die bei solcher Software üblich sind.

Seit Microsoft den "Mobile Information Server" als eigenständiges Produkt aufgegeben hat und seine Funktionen in Exchange 2003 integrierte, ist das Messaging-System für die Abgleichung von Daten aus dem persönlichen Informations-Management (PIM) mit mobilen Geräten zuständig. Das dafür genutzte "Activesync"-Protokoll konnte bisher nur mit Handhelds kommunizieren, die unter Microsofts Betriebssystem liefen. Der Windows-Hersteller lizenzierte diese Synchronsierungs-Technik im Lauf der letzten Monate an Palmone, Nokia und Motorola. Damit sollte die Beschränkung von Exchange auf Pocket-PCs in absehbarer Zeit überwunden werden.

Die auffälligste Neuerung, die Kodiak hätte bringen sollen, wäre die Umstellung des Datenspeichers von der "Jet"-Engine auf den SQL Server gewesen. Das im Januar unter dem Codenamen "E12" angekündigte nächste große Release lässt solche Ambitionen vermissen und bleibt bei der herkömmlichen Exchange-Datenbank. Als Hauptargument für die Umstellung auf den SQL Server hatte Vice President Paul Flessner 2001 auf einer Konferenz vorgebracht (http://www. microsoft.com/presspass/exec/flessner/10-01flessnermec.asp), dass selbst ein großes Entwicklerteam bei Exchange nicht in der Lage sei, ein ähnlich leistungsfähiges Speichersystem zu produzieren. Angesichts der rapide steigenden Datenvolumina, die Mail-Server zu bewältigen haben, gilt Jet zunehmend als ein Schwachpunkt von Exchange. Hauptkonkurrent IBM verwendet in Lotus Notes ebenfalls eine proprietäre Datenbank mit beschränkter Kapazität. Allerdings legt dieses System im Gegensatz zu Exchange einen separaten Speicher für jeden Benutzer an. Lotus Domino 7 bietet die Möglichkeit, DB2 als alternative Datenbank zu nutzen.

Microsoft möchte der Speicherproblematik mit mehreren Maßnahmen abhelfen. Zum einen betont das Unternehmen, dass es die Leistungsfähigkeit von Jet für E12 verbessert habe. Zusätzlich bringt es eine 64-Bit-Version von E12 auf den Markt, deren Datenbankmaschine vom natürlichen Leistungszuwachs einer solchen Ausführung profitieren soll. Microsoft möchte zudem die notorisch schwierige Wiederherstellung einer Exchange-Datenbank, etwa nach einem Hardwaredefekt, durch die Einführung eines kontinuierlichen Backups erleichtern. Es bietet die Möglichkeit, alle Daten einer Exchange-Installation auf einen Standby-Server zu replizieren.

Kontinuierliches Backup soll Ausfallsicherheit erhöhen

Dieser Mechanismus ist vergleichbar mit der Cluster-Funktion von Lotus Domino, die allerdings schon 1996 mit der Version 4.5 eingeführt wurde. Dave Thompson berichtete gegenüber der computerwoche von Plänen für eine Synchronisierungsmöglichkeit zwischen der Jet-Datenbank und dem SQL Server. Außerdem werde darüber nachgedacht, zwei sich automatisch abgleichende Instanzen der Exchange-Datenbank auf einer Maschine zu unterstützen, so dass der Defekt einer Festplatte nicht zum Ausfall des Mail-Systems führe. Thompson wollte sich aber nicht festlegen, ob und wann diese Features umgesetzt werden.

Zu den wesentlichen Neuerungen von E12 zählt, dass sich Installationen genauer auf bestimmte Aufgaben zuschneiden lassen. So kann eine Maschine etwa die Rolle eines Mailbox- oder Client-Access-Servers übernehmen. Diese Arbeitsteilung war auch schon bisher üblich, in E12 kommen die Rollen eines Edge-, Bridgehead- und Unified-Messaging-Servers dazu. Ersterer bündelt die für Mail-Hygiene zuständigen Dienste, Zweiterer soll die Möglichkeit bieten, benutzerspezifische Regeln ("Policies") zu definieren. Das nächste große Release soll eine bessere Integration von Mail, Voice und Fax bieten und bündelt entsprechende Funktionen in einer eigenen Server-Rolle. Eine solche ist auch für den Betrieb öffentlicher Ordner vorgesehen, einem Überrest aus Zeiten, als Exchange als vollwertiges Groupware-System geplant war. Mittlerweile kommt die Aufgabe eines derartigen Dokumentenspeichers in der Microsoft-Welt bevorzugt dem Sharepoint-Server zu.

Fazit: E12 bringt einige wichtige Verbesserungen

Insgesamt bleibt E12 erwartungsgemäß hinter den Ansprüchen zurück, die vor mehreren Jahren mit der Kodiak-Ankündigung formuliert wurden. Es repräsentiert eine Evolution von Exchange und bringt etwa mit der Cluster-Option und den Edge Services wichtige Verbesserungen. Für Microsoft stellt sich die Frage, ob Anwender von Exchange 5.5 die Ankündigung von E12 so interessant finden, dass sie die Version 2003 überspringen und mit dem Update noch zuwarten wollen. Microsoft beziffert den Anteil der 5.5-Nutzer mit 30 Prozent, viele Analysten schätzen ihn noch deutlich höher ein. Allerdings lässt sich der Umstieg auf E12 derzeit schwer planen, weil sich Microsoft auf kein genaues Freigabedatum festlegt. Das Unternehmen wird Exchange E12 voraussichtlich Anfang 2007 auf den Markt bringen.