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Experten skeptisch

Online-Supermärkte im Kommen

15.07.2010
Milchreis per Mausklick: Neben Bücherregalen füllt Amazon jetzt auch Kühlschränke. Andere Händler wollen nachziehen - aber Experten und Verbraucherschützer sehen die Geschäftsaussichten kritisch und präsentieren lange Mängel-Listen.

Vertippen kann teuer werden im Online-Supermarkt: "Einmal wollte ich nur fünf Tomaten, und die haben mir fünf Kilo gebracht", erzählte der Schauspieler Christian Ulmen dem Berliner "Tagesspiegel". Zufrieden war Ulmen aber trotzdem mit dem Service: "Die bringen das Zeug direkt in die Küche."

Ob Tomaten, Kartoffeln oder ein Rindersteak - Shoppen im Online-Supermarkt ist in Deutschland bislang noch die Ausnahme: Nur rund ein halbes Prozent der mehr als 150 Milliarden Euro, die der Lebensmittelhandel in Deutschland 2009 umsetzte, wurden online erwirtschaftet, wie Olaf Ruik vom Bundesverband des Deutschen Lebensmittelhandels (BLV) erklärt. Bislang dominieren Delikatessen und Spezialitäten den Markt. Mit der Ankündigung des Online- Einzelhändlers Amazon, Essen und Getränke ins Sortiment aufzunehmen, kommt Bewegung in die Branche.

Mit rund 35.000 Produkten ging Amazon Anfang Juli auf den Markt, inzwischen sind es nach eigenen Angaben schon etwa 60.000: Von Gemüse, Fleisch und Fisch über Backwaren bis hin zu Delikatessen. Neben einem eigenen Angebot haben 60 Partner-Unternehmen ihre Produkte ins Netz gestellt. "Das ist die größte Auswahl an Lebensmitteln, die es in Deutschland online gibt", sagt der zuständige Amazon-Manager Christian Bubenheim. In den ersten Wochen nach dem Start belegen Kaffee-Kapseln für Espresso-Maschinen und Müsli die vorderen Verkaufsränge.

Manche Angebote sind anders als im Supermarkt: Bananen legt man beispielsweise nicht stückweise in den virtuellen Einkaufswagen, sondern zu je 180 Gramm. Nur Bananen zu kaufen, lohnt sich allerdings kaum - denn der Portionspreis von je nach Anbieter 32 bis 45 Cent steht in keinem Verhältnis zu den Versandkosten von 7,90 Euro. Wie bei Büchern fallen die Versandkosten erst ab einem Gesamtpreis von 20 Euro weg. In Berlin und Frankfurt am Main liefert Amazon am selben Abend, sofern die Bestellung bis 11 Uhr eingegangen ist.

Experten sehen die Geschäftsaussichten für virtuelle Supermärkte in Deutschland sehr kritisch: "Der Online-Anteil wird zwar steigen, aber es wird ein langer Prozess sein, bis wir da auf nennenswerte Umsatzanteile kommen", sagt Verbandssprecher Ruik. Fast jeder habe in Deutschland einen Supermarkt um die Ecke und könne da auf dem Weg nach Hause schnell dran vorbei gehen.

Auch Verbraucherschützer sind skeptisch: "Das Angebot ist teuer, umständlich und wenig transparent", sagt Lebensmittel-Experte Armin Valet von der Verbraucherzentrale Hamburg. Sein Praxistest hat ergeben, dass Einkäufe bei Amazon bis zu dreimal teurer sein können als im Supermarkt um die Ecke. Zudem seien die Lieferzeiten sehr lang und die Lebensmittel im Internet nicht ausreichend gekennzeichnet.

Alles Gründe dafür, weshalb sich Online-Supermärkte weltweit bislang nicht etablieren konnten, sagt Handelsexperte Matthias Queck. "Es hat noch keiner geschafft, einen Heimlieferdienst für frische Lebensmittel nachhaltig profitabel auf die Beine zu stellen." In den USA oder Großbritannien kaufen trotzdem schon deutlich mehr Menschen ihre Lebensmittel online. "Im internationalen Vergleich liegt Deutschland weit hinten."