Johannes Helbig x Deutsche Post 3. Platz x IT-Executive des Jahres

IT aus der Business-Sicht

04.11.2005
Eine Service-orientierte Architektur ist für Johannes Helbig kein Technologie-, sondern ein Management-Konzept.

Sich selbst bezeichnet Johannes Helbig als "fachseitigen" CIO mit einer - gemessen an der Größe des Unternehmens - relativ kleinen Mannschaft von 400 Mitarbeitern. Beschäftigt doch allein der Unternehmensteil Brief der Deutsche Post Word Net, für den Helbig als Mitglied des Bereichsvorstands verantwortlich zeichnet, mehr als 120 000 Mitarbeiter.

Helbigs CIO-Bereich erfüllt vor allem strategische Funktion. Unter anderem bündelt er die Nachfrage der Fachbereiche nach IT-Leistungen, er nimmt also die Auftraggeberrolle wahr. Für Implementierung und Betrieb der Informationssysteme greift die Deutsche Post auf verschiedene Dienstleister, darunter die konzerneigene Deutsche Post IT Solutions, zurück. "End-to-End-Service-Provider" für die Fachabteilungen wollen Helbig und sein Team sein. Mit dieser zeitgemäßen Interpretation der CIO-Rolle sicherte sich der promovierte Informatiker Bestnoten der Juroren und einen Spitzenplatz im diesjährigen COMPUTERWOCHE-Wettbewerb um den "IT-Executive des Jahres".

Eine strikte Trennung von Supply- und Demand-Seite ist für den 44-Jährigen unabdingbar, um die "Run"-Kosten in der IT zu senken und Finanzmittel für die Unterstützung neuer Geschäftsideen ("Change"-Ausgaben) freizusetzen. Helbigs Budget hat in den vergangenen drei Jahren - völlig untypisch für die deutschen Anwenderunternehmen - um einen zweistelligen Prozentsatz zugenommen. Damit das Plus vor allem dem Change-Bereich zugute kommt, praktiziert der CIO unter anderem ein effizientes Provider-Management, das - wo immer durchsetzbar - auf Festpreisprojekte zielt.

Hinzu kommt ein enges Dienstleistungs-Monitoring mit einfachen Service-Level-Definitionen. Den Erfolg dieses Ansatzes belegt die Verringerung der IT-Infrastrukturkosten um 45 Prozent in den vergangenen zwei Jahren.

Der SOA-Pionier Die Fachöffentlichkeit kennt Helbig vor allem als jemanden, der sich sehr früh bereits intensiv mit dem Thema Service-orientierte Architektur (SOA) auseinander gesetzt hat. Dabei vertritt er einen eigenständigen Ansatz: "SOA ist ein Management- und kein Technologiekonzept." Entsprechend kritisch bewertet er die Tatsache, dass das derzeitige Hype-Thema oft nur auf Produktebene diskutiert wird: "Seit 20 Jahren schürt die IT die Hoffnung, man könne sich durch Tools von der Management-Verantwortung freikaufen. Aber das ist ein Trugschluss."

Sein Konzept einer "logischen Applikationsarchitektur" brachte Helbig dem Unternehmen schon 1999 nahe - damals als Strategie- und IT-Berater in Diensten des Consulting-Unternehmens McKinsey & Co. Mit einer solchen Architektur wollte er eine Verbindung zwischen den Geschäftsprozessen und den Applikationen herstellen.

"Vielleicht hätte ich mir den Begriff SOA damals patentieren lassen sollen", scherzt Helbig heute. Im Gegensatz zu denjenigen, die das Schlagwort ständig im Mund führen, hält er allerdings die logische Beschreibung der Architektur, nicht die Implementierung, für wichtig: Die entscheidende Rolle bei der Umsetzung spielen in seinem Konzept die Fachabteilungen. Sie sind Herr ihrer Anwendungsdomänen und Daten, und sie können anhand definierter Designstandards selbst Services entwickeln, die sie daraufhin anderen Bereichen zur Verfügung stellen. Auf diese Weise lassen sich Geschäftsprozesse schnell durch IT unterstützen, so der Bereichsvorstand. Außerdem fördert eine solche Architektur die unter dem Begriff "IT-Governance" geführte Abstimmung zwischen der Business- und der IT-Seite.

Damit verändert die Service-orientierte Architektur letztlich das traditionelle Verhältnis zwischen Fach- und IT-Bereich. "Nur auf diese Weise konnten wir unseren Management-Ansatz überhaupt umsetzen", resümiert Helbig. Wie er ausdrücklich betont, bedurfte es dazu allerdings auch der Unterstützung von Seiten seiner Vorstandskollegen.

Offene Standards "Eine SOA lässt sich nicht kaufen", lautet Helbigs Credo. Aber eine passende Infrastruktur hilft, das Potenzial dieses Konzepts auszuschöpfen. Deshalb entschied sich die Post schon 2000, eine eigene SOA-Struktur zu implementieren - Best-of-Bread und auf offenen Standards basierend. Das externe Interesse an dieser "SOPware" genannten Lösung war so rege, dass Helbig beabsichtigt, sie "befreundeten" Unternehmen zur Verfügung zu stellen - auch um der Post die Geschäftskommunikation zu erleichtern.

Auf der Basis der SOA hat Helbig viele Projekte erfolgreich umgesetzt, die für den Briefbereich der Deutschen Post von wettbewerbsentscheidender Bedeutung sind. Derzeit arbeitet er mit seiner Mannschaft an der Konzeption und Realisierung eines durchgängig IT-gestützten Auftrags-Managements, das eine Brücke zwischen Vertrieb, Produktion und Abrechnung schlagen soll. n

Karin Quack