Kolumne

Zwischen Klassenkampf und KaffeeklatschKolumne

08.05.2008
Von 
Karin Quack arbeitet als freie Autorin und Editorial Consultant vor allem zu IT-strategischen und Innovations-Themen. Zuvor war sie viele Jahre lang in leitender redaktioneller Position bei der COMPUTERWOCHE tätig.

Bei den deutschen Oracle-Anwendern war es immer sehr unterhaltsam. Auf der Jahrestagung gaben musisch begabte Mitglieder zu vorgerückter Stunde schon einmal selbst gedichtete Chansons zum Besten - "Oh mein Oracle, du mein Debakel" (auf die Melodie von "O sole mio") -, und der tanzsportlich ambitionierte IT-Leiter führte die Datenbank-Administratorin aufs Parkett. Späterer Austausch über Workarounds und Wartungskonditionen nicht ausgeschlossen.

Aber auch tagsüber ging es munter zur Sache: Die Anwender hielten mit Kritik an allem, was ihnen am Hersteller und dessen Produkten missfiel, nicht hinterm Berg. Sie erstellten Mängellisten und hakten nach, welche Punkte von der Vorjahresliste immer noch nicht abgearbeitet waren. So erwarb sich die DOAG den Ruf, eine kämpferische Interessenvertretung der deutschen Oracle-Kunden gegenüber dem damals noch überschaubaren Imperium des Lawrence Ellison zu sein.

Die Zeiten haben sich geändert. User Groups moderner Prägung - ob sie nun DOAG oder DSAG, GSE oder DNUG heißen - begreifen sich weniger als Kunden-Lobby denn als Kommunikationsforum. Sie vernetzen ihre Mitglieder jeweils untereinander, und sie bieten ihnen einen "Draht" (sic!) zu den Entscheidungsträgern des Herstellers.

Trotzdem ist es für die User Groups nicht weniger kompliziert geworden, ein ausgewogenes Verhältnis zum Hersteller zu finden: Freundlich, aber distanziert, kritisch, aber konstruktiv, so lautet das Ziel. Das sagt sich leicht. In der Praxis erfordert es einen ständigen Balance-Akt. Wer dem Hersteller so nahe kommt, dass er vertrauliche Informationen erhält, läuft Gefahr, seine Kritikfähigkeit einzubüßen. Und wer ständig auf Konfrontationskurs geht, wird in die Diskussionen um neue Produkte und Lizenzmodelle kaum einbezogen werden.

In dieser Beziehung ergeht es den User Groups nicht anders als den Parteien einer parlamentarischen Demokratie oder einem verantwortungsbewussten Betriebsrat. In anderer Hinsicht haben sie es dagegen leichter als diese Mitbestimmungsorgane: Einen wesentlichen Teil ihrer Aufgabe können sie bereits dadurch erfüllen, dass sie ihre Mitglieder ausgiebig miteinander Kaffee trinken lassen.