Mißachtung der einfachsten Regeln ist die Ursache für das Scheitern vieler Projekte:

Zuwenig in Systemlösungen gedacht

15.10.1982

STUTTGART (nw) - "Die Technologie wird für den Anwender nur beherrschbar, wenn man mit ihr wächst. Mitarbeiter und organisatorische Strukturen darauf vorbereitet." Dies ist das Ergebnis der ersten Arbeitstagung des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO), die unter dem Thema "Rationalisierungsreserven - erkennen und nutzen" veranstaltet wurde. Die meisten Projekte scheitern nämlich nicht an der Technik, sondern, so betont IAO-Geschäftsführer Professor Hans-Jörg Bullinger, an der Mißachtung

einfachster Regeln.

Die hauptsächlichen Fehler, die heute bei der Einführung notwendiger Technologien im administrativen und technischen Büro gemacht werden, darin waren sich die anwesenden Vertreter aus Wirtschaft, Wissenschaft und Verwaltung sowie die Referenten einig, liegen in der grundsätzlichen Einstellung: Es werde zuviel in Produkten und zuwenig in Systemlösungen gedacht.

Bei der Einführung neuer Informations- und Kommunikationstechnologien fehlten die ausreichend flankierenden Maßnahmen oder Organisationen. Bevor eine Technik gekauft werde, müßten die Arbeitsinhalte abgegrenzt sein, die sich ergeben. Nur so können Bullinger zufolge rechtzeitig Qualifizierungsmaßnahmen für Mitarbeiter eingeleitet werden. Eine Schreibkraft werde nicht über Nacht zur Textverarbeitungsspezialistin und auch ein Sachbearbeiter werde die Vorteile eines Inhouse-Netzwerkes nur nutzen können, wenn er sorgfältig darauf vorbereitet werde.

Der Wachstumsprozeß innerhalb des Unternehmens dürfe daher nicht übereilt vor sich gehen. Mitarbeiter und organisatorische Strukturen müssen gründlich darauf vorbereitet werden.

Mit seinen "zehn Geboten zur Arbeitsgestaltung" hofft nun Bullinger die primitivsten Regeln, die bei der Einführung von neuen Technologien zu beachten sind, auf einen Nenner gebracht zu haben. Denn heute liege nicht in der Technik das Problem, sie könne schon viel mehr als das, was man anwendet. Vielmehr sei eine qualifizierte Schulung der Mitarbeiter notwendig.

Weitergehende Befürchtungen äußerte auf der Veranstaltung das IG-Metall-Vorstandsmitglied Karl-Heinz Janzen. Nach Auffassung der IG-Metall droht in den Büros der Bundesrepublik durch den Einsatz neuer Techniken Massenarbeitslosigkeit. Die Industrie versuche dabei die Entwicklung zu verharmlosen. Er sprach von 600 000 arbeitslosen Angestellten in Büroberufen, davon etwa 70 Prozent Frauen.

In diesem Zusammenhang verwies Janzen auf die steigende Leistungsfähigkeit und die sinkenden Preise der technischen Geräte. Dies führe vor allem zu einem verstärkten Einsatz auch in Klein- und Mittelbetrieben. Dabei glaubt die IG-Metall nicht, daß dem Verlust von Arbeitsplätzen die Schaffung neuer Stellen in der Büromaschinen- und Datenverarbeitungsindustrie gegenüberstehe. Der Rückgang der Beschäftigtenzahlen um 13 Prozent in diesem Bereich während der vergangenen zehn Jahre widerlege dies.

Die zehn Gebot zur Bürorationalisierung:

1. Informieren Sie Ihre Mitarbeiter rechtzeitig und umfassend über die geplanten Veränderungen. Vergessen Sie auch den Betriebsrat nicht.

2. Beteiligen Sie Ihre Mitarbeiter an den Planungen. ...Sie vermeiden damit schon viele Akzeptanzprobleme.

3. Achten Sie bei der Systemauswahl und -aufstellung auf gute ergonomische Gestaltung. ... das ist um so wichtiger, je länger die Mitarbeiter an den Geräten arbeiten.

4. Planen Sie die notwendigen organisatorischen Veränderungen systematisch und gründlich . . . denn die Organisation ist oft wichtiger als die Technik.

5. Entwickeln Sie angepaßte Lösungen für Ihr Unternehmen . . . die Maximallösung ist meist nicht die optimale.

6. Gestalten Sie die Arbeitsinhalte so, daß die Arbeit auch Freude macht . . . denn die Mitarbeiter stellen heute höhere Ansprüche an die Qualität des Arbeitsplatzes.

7. Nutzen Sie das gesamte Erfahrungspotential Ihrer Mitarbeiter . . . diese wissen oft mehr als Sie denken.

8. Erwarten Sie kurzfristig keine unrealistischen (Rationalisierungs-)Erfolge ... überhöhte Erwartungen sind Keim des Mißerfolges.

9. Qualifizieren Sie Ihre Mitarbeiter rechtzeitig für die neuen Aufgaben ... um so reibungsloser wird die Einführung verlaufen.

10. Eröffnen Sie den Mitarbeitern Möglichkeiten zur beruflichen Weiterentwicklung ..., daß kommt auch Ihrem Unternehmen zugute.