Ungenutzte Möglichkeiten

Zusatz-Ferien bei Studienreise

30.04.1976

MÜNCHEN - Wer in Hamburg ein EDV-Seminar besuchen will, bekommt Urlaub: Nach dem seit zwei Jahren geltenden Hamburgischen Bildungsurlaubsgesetz muß der Arbeitgeber dafür - sofern die Veranstaltung behördlich anerkannt ist - einmal innerhalb von zwei Jahren bis zu zehn Tagen bezahlten Urlaub gewähren. Ein Niedersachse, der in den amtlich anerkannten Fortbildungsplänen nichts Passendes findet, kann sogar einen individuellen Anerkennungsantrag beim Wissenschaftsministerium stellen und nach dessen Genehmigung Urlaub für praktisch jede vernünftige Form der Weiterbildung verlangen.

In Bremen gehört zu den anerkannten Veranstaltungen ein Lehrgang "Aktuelle Fragen zur EDV im Betrieb", für dessen Besuch Bildungsurlaub beansprucht werden kann. In Berlin gibt es zwar Bildungsurlaub bisher aber kein DV-orientiertes Angebot, um ihn zu nutzen. In Hessen kommt aus dem EDV-Bereich höchstens das Thema "Datenschutz" in F rage, wenn ein Arbeitnehmer Bildungsurlaub nehmen will: Frei gibt es nur für Veranstaltungen, die der politischen Bildung dienen oder die - falls beruflich orientiert - " zugleich die Kenntnis gesellschaftlicher Zusammenhänge vermitteln, damit der Arbeitnehmer seinen Standort in Betrieb und Gesellschaft erkennt". So will es das hessische Gesetz.

Die Firmenkassen sind bisher durch diese Vorschriften nicht sonderlich strapaziert worden. Wenn vier Prozent der Arbeitnehmer in einer Firma Bildungsurlaub machen, ist das schon ein überdurchschnittlich hoher Prozentsatz. In der zurückliegenden Rezessionszeit scheuten sich viele Angestellte nicht nur krank zu werden, sie scheuten auch aus Angst um den Job den Antrag auf zusätzlichen Urlaub. Andererseits war das Angebot der "anerkannten Veranstalter" vielfach mehr auf Urlaub als auf Weiterbildung zugeschnitten: Themen wie " Parteien im Wahlkampf " oder " Die Welt, in der wir leben ", ein Seminar über " Partnerschaft, Liebe und Sexualität " oder eine Fahrt zu indischen Gedenkstätten schreibt nicht jedermann gern als Begründung einen Urlaubsantrag. -py