Knowledge-Management/BMBF fördert Software-Entwicklungsprojekt "Prompt"

Zur Qualifizierung der Mitarbeiter ein Rollenkonzept einsetzen

27.02.1998

Von zentraler Bedeutung für die Software-Entwicklung sind die Vorgehensmodelle, in denen wichtige Abläufe beschrieben und die sich mittels Tailoring an Firmen- und Projektspezifika anpassen lassen. Die Prozesse werden durch Vorgehensweisen, Ergebnisse und Tätigkeiten der beteiligten Personen definiert. Die bereits seit längerem bekannten Vorgehensmodelle (siehe zum Beispiel [2], [3]) haben ihren Schwerpunkt in den Kernprozessen der Software-Entwicklung, berücksichtigen jedoch weder die Wiederverwendung noch die Benutzerpartizipation. Keines der Modelle bezieht die kaufmännischen Prozessen mit ein.

Deshalb wurde im Rahmen des Verbundvorhabens "Prompt" (Organisationsgestaltung und Methoden für menschengerechte Software-Entwicklungsprozesse) ein Vorgehensmodell für den ganzheitlichen Software-Entwicklungsprozeß entwickelt. Es ist hierarchisch aufgebaut und besteht aus fünf Bereichen, die das Projekt- sowie das Qualitäts-Management, die Software-Entwicklung, kaufmännische Bereiche und unterstützende Prozesse abdecken. Jeder Bereich ist in Kernprozesse untergliedert, die wiederum aus Subprozessen bestehen. Die Subprozesse werden durch Aktivitäten beschrieben, denen man Rollen zuordnet, um die jeweils für die Durchführung einer Aktivität notwendigen Qualifikationen festzulegen.

Es ist eine strukturierte Vorgehensweise notwendig, mit deren Hilfe die Rollen identifiziert und beschrieben werden. Dies bildete den Ausgangspunkt für die Entwicklung eines Rollenkonzepts in Prompt, das das Vorgehensmodell ergänzt. Das Rollenkonzept beschreibt das Zusammenspiel aller Rollen in der Software-Entwicklung und die Vorgehensweisen, Definitionen, Ermittlungen sowie die Integration der Rollen.

Mit dem Aufbau eines Rollenkonzepts wird eine unternehmensspezifische Definition zum Ziel gesetzt. Sie beinhaltet die Integration von Rollen in die

- prozeßorientierte Vorgehensweise bei der Software-Erstellung,

- Aspekte im Management von Softwareprojekten, die zum Beispiel die Teamzusammensetzung und die Bedarfsabschätzung einschließen, sowie

- in ein Qualifizierungskonzept für die Software-Entwicklung.

Die Ermittlung des Qualifizierungsbedarfs und die Ableitung von Qualifizierungsmaßnahmen werden durch das Rollenkonzept unterstützt. Aufgrund unterschiedlicher Organisationsformen und Projekttypen kann dieses keinem verkaufsfertigen Rezept zur Verbesserung der Softwareprojektplanung entsprechen. Es muß an die unternehmensspezifischen Anforderungen, sogar an verschiedene projektspezifische Bedingungen angepaßt werden. Diese Vorgehensweise beziehungsweise die Vorschläge, Hinweise und Empfehlungen sind Bestandteil des Rollenkonzepts, das durch den Einsatz neuer Technologien und daraus entstehende neue Prozesse einer kontinuierlichen Weiterentwicklung unterworfen ist.

Im Rollenkonzept wird eine Rolle durch die Erfahrungen, Kenntnisse und Fähigkeiten, die für einzelne Aufgaben erforderlich sind, definiert. Sie sagt jedoch nichts über die Person aus, die diese übernimmt. Eine Rolle wird mit Aktivitäten und Verantwortlichkeiten verbunden. Sie kann verantwortlich für mehrere Aktivitäten sein, aber ebenso können mehrere Rollen für ein und dieselbe Aktivität zuständig sein. Abhängig von den Gegebenheiten im Projekt oder im Unternehmen, vom Aufgabengebiet und von den Prioritäten, werden die Aktivitäten den Rollen zugeordnet. Der Rolleninhaber ist die Person, die die Rolle einnimmt, somit entsprechend qualifiziert sein muß, die geforderten Aktivitäten durchführt und verantwortlich für deren Ergebnisse ist. Ein Rolleninhaber kann dabei mehrere Rollen wahrnehmen, zum Beispiel Analytiker, Designer und Programmierer sein. Genauso ist es möglich, daß eine Rolle von mehreren Rolleninhabern übernommen wird, daß es also etwa mehrere Programmierer in einem Projekt gibt. Je nach Größe der Projekte werden Rollen entweder zu Gruppen zusammengefaßt oder in Unterrollen unterteilt. Es besteht die Gefahr, daß bei der Vorstellung des Rollenkonzepts in einem Unternehmen der Begriff "Rolle" und "Rolleninhaber" gleichgesetzt werden. Falls signifikant mehr Rollen vorgestellt werden, als Mitarbeiter im Unternehmen sind, kann ein Mißverständnis entstehen, das zur Ablehnung des Rollenkonzepts führen kann.

Um einen einfachen und eindeutigen Umgang mit Rollen zu gewährleisten, werden im Rollenkonzept Kriterien, die die Rollen beschreiben, angegeben. Eine Rollenbeschreibung besteht aus:

- einem leichtverständlichen, möglichst bereits im Unternehmen geläufigen Namen als Bezeichnung für die Rolle,

- einer stichwortartigen Auflistung der häufigsten beziehungsweise wichtigsten Aufgaben und zu erreichenden Ergebnisse,

- den Qualifikationsanforderungen an die Rolle, untergliedert in vier verschiedene Kompetenzarten (Fach-, Methoden-, Sozial- und Medienkompetenz),

- einer Angabe zur erforderlichen Qualifikationsausprägung der einzelnen Kompetenzen sowie

- einer Angabe zur Beziehung der Rolle zu anderen Rollen, die die Abhängigkeiten aufführt oder beschreibt, welche Konflikte eventuell entstehen, wenn ein und dieselbe Person verschiedene Rollen einnimmt.

Die Kompetenzarten [1] der Rollenbeschreibung sind folgendermaßen definiert:

- Fachliche Kompetenz bezieht sich in der Software-Entwicklung vorwiegend auf die einzelnen phasenabhängigen und -übergreifenden Tätigkeiten.

- Die Methodenkompetenz entspricht der Fähigkeit, dieses Fachwissen zu nutzen, zu kombinieren und zu ergänzen. Sie beinhaltet sowohl die Entwicklung von Systemdenken, Abstraktions-, Planungs- und Problemlösungs- sowie Entscheidungsfähigkeit als auch die Beherrschung von Arbeitsmethoden.

- Soziale Kompetenzen umfassen die persönlichen Ausprägungen beziehungsweise Grundverhaltensmuster. Sie lassen sich in zwei Bereiche untergliedern: Zum einen sind Kompetenzen im Umgang mit anderen Personen gemeint, zum andern solche, die sich allein auf die eigene Person beziehen, etwa Selbsterkenntnis oder die Wahrnehmung und Beurteilung der eigenen Wirkung und Verhaltensweisen.

- Die Medienkompetenz gewinnt aufgrund des Internet-Booms zunehmend an Bedeutung. Das Nutzen von Informations- und Kommunikationstechnologien umfaßt die Informationsbeschaffung, -aufbereitung und -darstellung. Die Fähigkeiten zur Informationsrecherche, Präsentation und Gestaltung sind Qualifikationsanforderungen in diesem Bereich. Weiterhin sind das Verwalten von Wissen und das Filtern von Informationen nach der Wichtigkeit sowie das Beherrschen verschiedener Medien von großer Bedeutung.

Für die einzelnen Kompetenzarten werden Themengebiete für das benötigte Wissen festgelegt. Eine Aufstellung dieser Themengebiete, die die Qualifikationsanforderungen der vier Kompetenzarten im Bereich der Software-Entwicklung abdecken, sollte abhängig von der Vorgehensweise bei der Software-Entwicklung durchgeführt werden. Hierfür ist entweder die Übernahme der Angaben der bereits definierten Prozesse (aus dem dokumentierten Vorgehensmodell) oder eine Analyse der entsprechenden Prozesse notwendig. Die zweite Möglichkeit hat, neben dem Aufbau eines Rollenkonzepts, den Nutzen, daß diese Prozesse untersucht, definiert und transparent gemacht werden.

Soll-Profil und Qualifizierungsbedarf

Für das Rollenkonzept werden die verschiedenen Bereiche des Software-Engineering (zum Beispiel Projekt-, Qualitätsmanagement, Software-Entwicklung etc.) den vier Kompetenzarten zugeordnet, so daß sich diese Bereiche wiederum in detailliertere Qualifikationsanforderungen untergliedern lassen. So könnte die Qualifikationsanforderung "Praktische Erfahrung in der Programmiersprache Java" dem Bereich "Software-Entwicklung" und der fachlichen Kompetenz zugeordnet werden, wobei die Rolle "Programmierer" sein würde. "Kenntnisse im Risiko-Management" würde von der Rolle "Projektleiter" gefordert werden und einer methodischen Kompetenz im Bereich Projekt-Management entsprechen.

Ausgehend von dem Soll-Profil einer Rolle läßt sich der Qualifizierungsbedarf ermitteln. Für die Besetzung einer Rolle durch einen Mitarbeiter kann relativ einfach ein Ist-Profil seiner Qualifikation erarbeitet werden. Dazu können verschiedene Methoden, etwa Befragungen oder Selbsteinschätzung, eingesetzt werden. Das ermittelte Ist-Profil vergleicht man mit dem Soll-Profil. Auf diese Weise werden Übereinstimmungen, Defizite und Überqualifizierungen aufgedeckt. Aus den aufgezeigten Defiziten lassen sich der Qualifizierungsbedarf ableiten und entsprechende Qualifizierungsmaßnahmen festlegen. Somit kann das Rollenkonzept zur gerichteten Qualifizierung der Mitarbeiter eingesetzt werden.

Neben dem bereits angesprochenen Nutzen bei der Qualifizierung der Mitarbeiter leistet das Rollenkonzept auch Unterstützung beim Projekt-Management. Für die Entwicklung von Anwendungen ist die Teamzusammensetzung ausschlaggebend. Aufgrund der Komplexität heutiger Anwendungen müssen Mitarbeiter, die Spezialisten in unterschiedlichen Gebieten sind, in einem Team integriert werden. Dabei beschreiben die Rollen die im Projekt benötigten Qualifikationen und tragen dazu bei, die Verantwortlichkeiten für die Aufgaben transparent festzulegen.

In Abhängigkeit von verschiedenen Projekttypen werden unterschiedliche Rollen und die Anzahl der Rolleninhaber pro Rolle bestimmt. Bei den Projekttypen läßt sich zum Beispiel zwischen Neuentwicklungen, Wartungsprojekt, Portierung von Altanwendungen oder Projekten, in denen neue Technologien zum Einsatz kommen, unterscheiden.

Projekte können weiterhin mit Hilfe von Kriterien wie Anwendungsbereich, verwendete Technologie oder eingesetzte Entwicklungsmethoden beschrieben werden - so etwa Objektorientierung oder strukturierte Entwicklung. Darüber hinaus sind auch Kriterien wie Projektgröße, Zeit und Kosten für die Zuordnung von Rollen und Rolleninhabern zu den Projekten ausschlaggebend. Mit Hilfe einer Analyse der vorhandenen Projekte in der Software-Entwicklung lassen sich firmenspezifische Kriterien aufstellen, die Projekte geeignet beschreiben.

Auf diese Weise kann in der Planungsphase das Projekt durch einmal definierte Kriterien so beschrieben werden, daß sich die erforderlichen Rollen im Projekt abschätzen lassen. Werden dabei die gewonnenen Projekterfahrungen in Form von Kennzahlen gesammelt, ist es möglich, diese als Grundlage für die Projektplanung hinzuzuziehen und das Rollenkonzept bei der quantitativen Mitarbeiterplanung für ein Projekt genauer zu unterstützen.

So können beispielsweise für den Projekttyp "Konvertierung einer alphanumerischen in eine grafische Benutzeroberfläche" mit einer geplanten Kapazität von fünf Monaten zum einen die benötigten Rollen wie Programmierer und Software-Ergonom und zum anderen die Anzahl der Rolleninhaber, etwa zwei Oberflächenprogrammierer und ein Software-Ergonom, abgeleitet werden.

Beim Rollenkonzept wird die gesamte Projektlandschaft betrachtet, einzelne Projekte jedoch werden nicht berücksichtigt. Daraus ergeben sich verschiedene Möglichkeiten der Zuordnung von Rollen zu Rolleninhabern, Rollen zu Projekten und Rolleninhabern zu Projekten.

Erfahrungen aus der Einführung des Prompt-Rollenkonzepts in größeren Softwarehäusern zeigen, daß zuerst die etablierten Prozesse und damit verbundenen, bereits vorhandenen Rollen und Tätigkeiten identifiziert werden mußten, um diese dann in ein einheitliches Rollenkonzept zu integrieren. Die Analyse der Prozesse führte zu einem besseren Verständnis der Prozesse in der Software-Entwicklung und vereinfachte die Zuordnung der vorhandenen Rollen in das Prompt-Rollenkonzept. Daraus ließ sich dann eine Rollenbeschreibung erstellen.

Anhand der im Rollenkonzept vorgeschlagenen Vorgehensweise bei der Erstellung der Ist-Profile der Mitarbeiter werden nun die Profile aufgestellt. In ersten Projekten werden diese Ist-Profile herangezogen, um entsprechend qualifizierte Mitarbeiter für die Projekte zu finden. Aufgrund der Differenz zwischen Ist- und Soll-Profil, werden die im Rollenkonzept vorgeschlagenen Qualifizierungsmaßnahmen durchgeführt.

Bei kleineren Software-entwickelnden Unternehmen wird nicht die gesamte Bandbreite des Rollenkonzepts von der Ermittlung und Beschreibung über die Projektplanung bis hin zur Ableitung von Qualifizierungsmaßnahmen genutzt. Hier liegt der Schwerpunkt auf der transparenten Darstellung der Tätigkeiten einer Rolle und der dafür benötigten Fähigkeiten. In der Regel wird eine Person mehrere Rollen einnehmen. Das Rollenkonzept trägt dazu bei, sich der gerade aktuell wahrgenommenen Rolle und der damit zu erzielenden Ergebnisse bewußt zu werden.

Das Rollenkonzept wurde innerhalb des vom BMBF geförderten Verbundvorhabens "Organisationsgestaltung und Methoden menschengerechter Software-Entwicklungsprozesse" Prompt entwickelt http://iao.fhg.de/ prompt . Die Ergebnisse, die erarbeiteten Konzepte und Methoden und die Umsetzungserfahrungen werden am 24. April 1998 bei der Abschlußveranstaltung des Software-Management-Symposiums (22. bis 24. April 98) in Stuttgart präsentiert.

In Prompt wurde vom Projektstart an ein ganzheitlicher Ansatz verfolgt, den Software-Entwicklungsprozeß unter Beteiligung von Software-entwickelnden Unternehmen zu gestalten. Das Projekt wird vom Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO und der GSM Gesellschaft für Software-Management mbH gemeinsam mit sieben Industriepartnern durchgeführt.

Durch das Einbinden der verschiedenen Firmen, die das vorhandene Spektrum möglicher Unternehmenstypen in der Software-Entwicklung gut abdecken, erfolgt im Rahmen von Prompt erstmals neben der Entwicklung auch in breiterer Form die Evaluation arbeitsgerechter Organisationskonzepte, Methoden und Werkzeuge. In Prompt werden explizit die immer wichtiger werdenden Organisationsformen der Software-Entwicklung unter Zusammenarbeit von Softwarehäusern und Anwenderunternehmen berücksichtigt.

Die Einführung der Wiederverwendung in der Software-Entwicklung in Verbindung mit der Objekttechnologie, die Konzeption und Einführung teamunterstützender Systeme und die Entwicklung eines Prozeßmodells, das sich aus einem prozeßorientierten Vorgehensmodell, dem Rollenkonzept und einem Qualifizierungsmodell zusammensetzt, sind die Schwerpunkte in Prompt, die die Verbesserung des Software-Entwicklungsprozesses unterstützen.

Im Rahmen der Betriebsprojekte werden die entwickelten Konzepte umgesetzt und praktische Maßnahmen zur Verbesserung des Software-Entwicklungsprozesses erprobt.

Die Partner

Objekt International Software GmbH, Stuttgart

Bonndata Gesellschaft für Datenverarbeitung mbH, Bonn

Data-Team GmbH, Waiblingen

Lufthansa Technik AG, Hamburg

Müller GmbH, Freiberg/Sachsen

SRZ Software- und Beratungs GmbH, Siegen

AngeklicktNeben dem Fraunhofer-Institut (IAO) und der Gesellschaft für Software-Management (GSM) beteiligen sich sieben Industriepartner an dem vom Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie (BMBF) geförderten Projekt "Organisationsgestaltung und Methoden für menschengerechte Software-Entwicklungsprozesse" (Prompt). Dabei geht es im weiteren Sinne um Verfahren des Wissens-Managements, die helfen sollen, dem enormen Qualifizierungsbedarf bei Software-Entwicklern entgegenzukommen.

Literatur:

[1] Bullinger, Hans-Jörg: Arbeitsgestaltung. Stuttgart, Teubner, 1995

[2] Bröhl, Adolf-Peter und Dröschel, Wolfgang (1995): Das V-Modell. München, Oldenburg, 1995

[3] Singh, Raghu: Information Technology & Software Life-Cycle Processes, Committee Draft, ISO/IEC(JTC1)-SC7, 12. Februar 1993

[4] Bullinger, Hans-Jörg: Software-Technologien in der Praxis & Prompt & Organisationsgestaltung und Methoden für menschengerechte Software-Entwicklungsprozesse. Tagungsband des IAO-Forums am 23. April 1997

*Diplominformatikerin Sandra Frings ist wissenschaftliche Mitarbeiterin der Compentence Center Software-Management am Fraunhofer IAO, Dr. Ingenieurin Anette Weisbecker ist Leiterin des Compentence Center Software-Management am Fraunhofer IAO und Projektleiterin von "Prompt". (Das diesem Artikel zugrundeliegende FE-Vorhaben wurde in Auftrag des BMBF unter dem Förderkennzeichen 01 HP 904/4 durchgeführt.)