Zu geringe Nachfrage aus großen Unternehmen

Zu geringe Nachfrage aus großen Unternehmen Siemens verabschiedet sich vom Baan-Geschäft

29.01.1999
CW-Bericht Bernd Seidel MÜNCHEN - Siemens Business Services (SBS) gibt in Deutschland die Consulting-Aktivitäten im Umfeld der Standardsoftware von Baan auf. Das Geschäft habe sich nicht so entwickelt wie erhofft, teilte das Unternehmen mit.

"Baan hat uns die Entscheidung leicht gemacht", gibt Walter Linnartz, Leiter des Baan Business Centers in Köln, zu Protokoll. Das Produkt habe nicht so im Markt eingeschlagen, wie man sich das erhofft hatte. SBS hatte das Competence Center 1991 gegründet. Damals habe man mit dem Baan-Vorgängerprodukt "Triton" begonnen. Mehr als 40 Mitarbeiter gehörten zu der Einheit, bei der nun zum 31. März 1999 endgültig die Lichter ausgehen. Entlassungen gebe es keine, betonte Linnartz: "Die meisten Leute sind im Siemens- Konzern untergebracht worden, ein kleiner Teil hat bei Partnerunternehmen ein neues Zuhause gefunden." Er habe nur noch den Auftrag, das "Baan-Geschäft zu beenden". Den First-Level- Support übernimmt Baan selbst, und die Beratung wird an Partner übergeben.

Wie eine nicht namentlich genannte Quelle gegenüber der CW mitteilte, soll der Ausstieg SBS rund 30 Millionen Mark kosten. Allein zehn Millionen davon würden durch die Freikäufe aus laufenden Projekten anfallen: "Das ist Quatsch", dementiert Linnartz.

Norbert Strauch, SBS-Sprecher in München, wollte diese Zahlen nicht kommentieren. Seinen Aussagen zufolge möchte Siemens das Baan-Geschäft innerhalb des Konzerns nur "neu ordnen". Neben Siemens-Hardware werde auch weiterhin Consulting für Baan-Software angeboten. Konkrete Pläne legte er jedoch nicht vor.

Henrik Klagges, Analyst bei Strategy Partners in München, sind diese "Umschichtungspläne" bekannt. Aus seiner Sicht handelt es sich dabei aber eher um ein "Gnadenbrot" als um eine echte strategische Entscheidung für Baan: "Siemens-intern gibt es Baan- Installationen, und diese Mitarbeiter sollen dann notfalls einem Kunden zur Hand gehen."

Potentieller Vertriebskanal für Baan verbaut

"Daß SBS das Beratungsgeschäft mit Baan-Software aufgibt, ist für die Niederländer ein Schlag ins Gesicht", kommentiert Klagges weiter. Damit verschließe sich für die angeschlagene Softwareschmiede (siehe auch Seite 11) ein potentieller Vertriebskanal. Für den Analysten birgt der SBS-Ausstieg aber zwei Interpretationsmöglichkeiten: Entweder hat sich das Produkt aus Sicht von SBS wirklich nicht verkauft, oder die Siemens-Company war, obwohl sie seit Jahren den Zugang und gute Kontakte zu mittelständischen und größeren Unternehmen habe, nicht in der Lage, Projekte zu akquirieren und abzuwickeln.

Für SBS-Nachlaßverwalter Linnartz jedenfalls paßte die Marktentwicklung von Baan im vergangenen Jahr mit den Vorstellungen von SBS nicht mehr zusammen. Ende 1997, kurz nach dem Verkauf der Standardsoftware "Comet" an Baan, hatte die Siemens-Tochter die Client-Server-Software zunächst als strategisches Produkt für sich entdeckt. Ziel war es, vor allem im gehobenen Mittelstand und bei Großkunden Projekte als Full- Service-Anbieter zu realisieren.

Größere Anwender tendieren zu SAP

Doch im deutschen Markt gelinge es den Niederländern nicht, in diesem Segment Fuß zu fassen: "Größere Unternehmen entscheiden sich hierzulande für SAP und nicht für Baan, wenn es um Standardsoftware geht", lautet seine Erkenntnis. Baan-Kunden seien im wesentlichen im unteren Mittelstand zu finden, und diese Segmente seien durch die Siemens-Nixdorf-Werksvertretungen auch weiterhin gut versorgt.

Die Entscheidungsmentalität deutscher Unternehmen bestätigt auch Analyst Klagges: "Schon im gehobenen Mittelstand tendieren die Unternehmen zu SAP." Gerade im Heimatmarkt der Walldorfer würden immer wieder weiche Faktoren oder politische Argumente angeführt, um die Entscheidung für R/3 durchzuboxen.

Leidtragende des plötzlichen Strategiewechsels von SBS sind wieder einmal die Anwender: "Nachdem Siemens uns Anfang April vergangenen Jahres erklärt hatte, den Baan-Bereich fortan als richtungsweisend zu betrachten, wurde ab November dann der leise Ausstieg bekanntgegeben", ärgert sich Werner Nagel, DV-Leiter beim Polheimer Büromöbel-Hersteller Voko, über die Bäumchen-wechsel- dich-Strategie.

Bereits seit 1996 versuche sich Siemens an der Einführung der Baan-Software bei dem 800-Mitarbeiter-Unternehmen und habe sich dabei nicht gerade mit Ruhm bekleckert: Zunächst hatte SBS Berater von Origin als Unterauftragnehmer mit im Boot. Als sich diese jedoch nach und nach zurückzogen, verzögerte sich das Projekt ständig und wurde dann im April 1998 endlich wieder neu aufgenommen. Wobei SBS diesmal mit einer eigenen Mannschaft das Vorhaben stemmen wollte: "Da haben sie sich zuviel zugemutet", mußte DV-Leiter Nagel feststellen. SBS habe die Komplexität der Möbelbranche, speziell der Büromöbelfertigung, anscheinend unterschätzt. Im November 1998 kündigte SBS dann das Engagement, das eigentlich bis Mitte dieses Jahres hätte laufen sollen.

Auf der Suche nach einem neuen Partner fiel Nagels Wahl nun auf die Baan & Schuler GmbH, ein Gemeinschaftsunternehmen der Unternehmensberatung G. Schuler & Partner, Homag Maschinenbau und Baan, das das Branchenpaket "Baan Furniture" vermarktet. Er hofft nun, das Projekt ohne große Übergangsschwierigkeiten zum Abschluß bringen zu können.