Outsourcing/Vertragsgestaltung beim Outsourcing - der Teufel steckt im Detail

Zu Beginn immer auch schon das Ende im Visier haben

26.03.1999
Von Andrea Goder* Drum prüfe, wer sich "ewig" bindet. Gerade große IT-Projekte, die ausgelagert werden, können zu Beginn hohe Anfangsinvestitionen erfordern - auch in Gehirnschmalz. Damit es später nicht zu bösen Überraschungen kommt, sollten Kunde und Outsourcing-Anbieter auf die Vertragsgestaltung große Sorgfalt verwenden. An und für sich eine Selbstverständlichkeit, doch die Realität sieht noch immer anders aus.

"A und O" eines jeden Outsourcing-Vertrags ist die Leistungsbeschreibung. Je genauer im Pflichtenheft die jeweiligen Leistungen auf beiden Seiten definiert werden, um so reibungsloser funktioniert später das Zusammenspiel zwischen Kunde und IT-Dienstleister. Eigentlich eine Binsenweisheit - zumindest in der Theorie. "In der Praxis stellt man immer wieder fest, daß viele Kunden extrem schreibfaul sind. Erst im Streitfall kommen dann die völlig verschiedenen Auffassungen beider Seiten ans Licht", weiß jedoch der Frankfurter Rechtsanwalt Wolfgang Bosch zu berichten.

Im Vertrag sollte deshalb das gesamte Leistungsspektrum sorgfältig aufgefächert werden - angefangen von den Funktionen über die Qualität und Verfügbarkeit der einzelnen Services bis hin zur Festlegung und Implementierung der Schnittstellen, also der Übergabepunkte zwischen der IT des Auftraggebers und der des Auftragnehmers. Ist bei Vertragsabschluß eine vollständige Beschreibung des gesamten Leistungsumfanges nicht möglich, sollten sich beide Seiten zumindest zur Fortschreibung und Spezifizierung des Leistungsumfanges verpflichten. Und was noch wichtiger ist: Im Zuge eines innovativen Qualitäts-Managements ist es ratsam, sich auf ein entsprechendes Procedere, also meßbare Kriterien und "Eskalationsstufen" für Entscheidungen, zu verständigen. Für den Fall, daß es bei einzelnen Maßnahmen zu keiner Einigung zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer kommt, kann ein explizites Kündigungsrecht vereinbart werden. Zurück zur Definition und Abgrenzung der Schnittstellen. Vordergründig geht es dabei um die Frage: Bis wohin geht die Verantwortung des Kunden und wo beginnt die des Dienstleisters? Wird beispielsweise die Hardware vom Auftraggeber zur Verfügung gestellt, ist dennoch zu regeln, wer für deren Funktionsfähigkeit zuständig ist - ein Punkt, der schon in so manchem, bereits laufenden Outsourcing-Projekt, für Zündstoff gesorgt hat.

In der Praxis kann aber selbst die spezifizierteste Leistungsbeschreibung nicht jedes auftretende Problem regeln. Ganz gleich, ob einzelne Services zu modifizieren oder zu erweitern sind, beispielsweise durch ein Software-Update - in jedem Fall sollte das Abkommen so angelegt sein, daß beide Vertragspartner berechtigt sind, begründete Änderungen zu verlangen und durchzusetzen.

Für sogenannte Change-Request-Verfahren bieten sich laut Rechtsanwalt Wolfgang Bosch von der Anwaltssozietät verschiedene Möglichkeiten an: Entweder ist der Dienstleister verpflichtet, den vom Auftraggeber eingereichten Änderungsantrag zu prüfen und darüber zu entschei- den, oder Änderungen bedürfen in puncto Umfang, Zeitrahmen und Preis grundsätzlich der Einigung der Vertragspartner.

Mit zu den schwierigsten Verhandlungsgegenständen gehört naturgemäß die Festlegung des Preises. Eine Methode, die hier weiterhilft, ist die Vereinbarung sogenannter Service-Levels, mit denen sich Qualität und Verfügbarkeit einer bestimmten Leistung messen und tarifieren lassen. Insbesondere bei komplexen Outsourcing-Projekten, etwa der Auslagerung der Finanzbuchhaltung, empfiehlt es sich beispielsweise, detaillierte Tabellen auszuarbeiten. Pro Leistung koppelt man dabei maximale Ausfallzeiten beziehungsweise Verfügbarkeiten an bestimmte Anteile der Vergütung. Hinzu kommen Sanktionen im Falle der Nichterfüllung seitens des Auftragnehmers, also die allseits bekannten Vertragsstrafen.

Natürlich weichen, um noch einmal auf den "Grundkonflikt" zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer, das typische "Principal-Agent-Problem", zurückzukommen, in der Praxis aufgrund der Komplexität vieler IT-Projekte die Preisvorstellungen beider Seiten oft erheblich voneinander ab. "Immer dann empfiehlt es sich, zunächst mit vorläufigen Kosten zu arbeiten und sich während der Konzeptionsphase in Form einer Wert-/Kostenanalyse vorsichtig an die Höhe der Vergütung heranzutasten", empfiehlt Bosch. Wichtig bei der Preisfindung ist zudem die Frage, wie die jeweilige Teilleistung erfüllt sein muß. Eher ungünstig ist es, wie der Frankfurter Rechtsexperte im Rahmen einer Veranstaltung "Management Circle" in Berlin betonte, die Leistung prozentual und zeitlich zu definieren. Stattdessen sollte sich der Kunde bereits im Vorfeld überlegen, zu welchen Ausfällen und Schäden es auf keinen Fall kommen darf - die Festlegung eines "Worst-Case"-Szenarios also. Will beispielsweise ein Anwenderunternehmen seine Produktionssteuerung auslagern, ist genau festzulegen, wie lange die Produktion in einem bestimmten Zeitraum ausfallen darf beziehungsweise kann, ohne daß dies gravierende Folgen nach sich zieht.

Unverzichtbarer Bestandteil eines jeden Outsourcing-Vertrags ist auch die Haftungsfrage. Selbst wenn beim Outsourcing ein bestimmtes Leistungsbündel einem Externen übergeben wird, ist damit das Schadensrisiko nicht eliminiert, sondern genau so hoch wie vorher. Viele DV-Dienstleister weigern sich allerdings, die Haftung für auftretende Schäden in vollem Umfang zu übernehmen. Durchaus üblich sind deshalb Haftungsbeschränkungen auf dem Niveau sogenannter Höchstbeträge. Um dennoch auf der sicheren Seite zu sein, sollte sich der Kunde bereits vor Vertragsabschluß überlegen, wie sich das Restrisiko "steuern" läßt. Bei großen Outsourcing-Projekten jedenfalls ist es geradezu ein Muß, das Risiko eines Betriebsausfalls durch eine zusätzliche Versicherung abzudecken.

Hinzu kommt: Fehlerhaft erbrachte Leistungen, die zu Störungen, in welcher Dimension auch immer, führen, sind nicht von vornherein und zwangsläufig auf den Dienstleister zurückzuführen. Die Ursache dafür kann auch beim Auftraggeber liegen. Wichtig für beide Seiten ist jedoch, daß Fehler so schnell wie möglich behoben werden. Dazu Bosch: "Ein erfolgversprechender Mechanismus besteht darin, daß der Outsourcing-Anbieter verpflichtet ist, den Fehler zu beseitigen - jedenfalls bis zu einer bestimmten Aufwandsgrenze." Liegen die Aufwendungen höher, ist der Dienstleister nur dann zur Fehlerbeseitigung verpflichtet, wenn die entstehenden Kosten vom Kunden vorfinanziert werden. Nach erfolgter Fehlerbeseitigung läßt sich dann, möglicherweise durch einen neutralen Gutachter, klären, wer für den "Bug" seinen Kopf hinhalten muß.

Werden Dritte in ein Outsour- cing-Verhältnis aufgenommen, ist exakt auf die Abgrenzung der Verantwortlichkeiten zu achten. Aus diesem Grund sollte genau festgehalten werden, als wessen "Erfüllungsgehilfe" ein Dritter fungiert. Zu regeln ist auch, wer überhaupt als Subunternehmer in Frage kommt. Gegebenenfalls sind Zustimmungserfordernisse in den Vertrag aufzunehmen.

Bereits vor Vertragsabschluß müssen zudem wichtige Fragen in Sachen Softwarelizenz geklärt werden. So ist beim Einsatz von Standardsoftware unbedingt zu prüfen, ob die beim Auftraggeber vorhandene Lizenz überhaupt auf den Dienstleister übertragbar ist. Im schlimmsten Fall kann hier der Softwarehersteller bei unberechtigter Nutzung seiner Programme eine einstweilige Verfügung erwirken. "In der Regel droht dann die Leistungseinstellung, die für das Unternehmen existenzbedrohend sein kann", malt Bosch den Teufel an die Wand, der allerdings schon in so manchem laufenden Outsourcing-Betrieb die Verantwortlichen schlaflose Nächte gekostet hat. In der Regel einigt man sich dann doch noch - aber auf eine für das Anwenderunternehmen sehr teure Art und Weise.

Um abschließend noch einmal auf das Principal-Agent-Problem zurückzukommen: Outsourcing-Projekte scheitern nicht selten daran, daß sich nicht mehr lösbare Konflikte zwischen den Vertragsparteien aufbauen. Meistens geht es dabei um mangelhaft erbrachte Leistungen oder unzureichend behobene Fehler. Das mag sich banal anhören, und das Wissen um dieses Konfliktpotential hilft auch nicht weiter. Auch nicht die "Empfehlung", Streitfälle schnell vom Tisch zu bringen, um die Funktionsfähigkeit beziehungsweise Produktivität ausgelagerter Systeme und Anwendungen nicht zu gefährden. Ratschläge wie diese sehen in der Theorie gut aus, scheitern jedoch häufig in der Praxis, weil keine Seite bereit ist nachzugeben.

Was tun? Im Idealfall werden strittige Punkte zwischen den Vertragspartern bereits im Projekt-Management beigelegt. Oft wandert ein Problem aber auch bis zur Geschäftsleitungsebene - wo es dann auch nicht gelöst werden kann. Für solche Fälle sollte der Vertrag klare Regieanweisungen für das Konflikt-Management beinhalten. Hilft alles nicht weiter, gilt auch hier als ultima ratio die Anrufung eines Schiedsgerichts. Um im Ernstfall keine kostbare Zeit zu verlieren, sollte man Namen entsprechender Sachverständiger, auf die man sich vorher verständigt hat, in den Vertrag aufnehmen.

Wie in jeder geschäftlichen Beziehung kann es natürlich auch bei Outsourcing-Verträgen zu einer vorzeitigen Beendigung der Zusammenarbeit kommen. Beide Partner trennen sich um so einfacher, je sorgfältiger die Möglichkeiten zur Kündigung im Vertrag definiert sind. "Der Dienstleister sollte nur mit sehr langer Frist ordentlich kündigen können. Auch die außerordentliche Auflösung des Vertragsverhältnisses ist, soweit rechtlich zulässig, genau zu regeln, um den Vertragspartnern jeweils ausreichende Übergangsfristen zu sichern", rät Bosch.

Sicherzustellen ist außerdem, daß die ausgelagerte Leistung auch nach Vertragsende wieder zur Verfügung steht. Durch entsprechende Regelungen kann sich der Kunde das Recht auf Übernahme sachlicher Mittel, etwa der IT-Infrastruktur, einräumen lassen. "Da die Vergütung während der Vertragslaufzeit meist zu einer Anlagenamortisation führt, ist bei Vertragsbeendigung oft eine Buchwertregelung bei Übernahme der sachlichen Mittel angemessen", gibt der Rechtsanwalt einen Hinweis auf das gängige Vergütungsnivau.

Für die Rückgabe des "Outsourcing-Mandats" sollten überdies Unterstützungsleistungen von seiten des Dienstleisters im Vertrag genau definiert werden. Damit es hier nicht zu einer abschließenden Kraftprobe zwischen beiden Parteien kommt, empfiehlt es sich, bereits vor Vertragsbeginn festzulegen, wie viele Mannstunden der Outsourcing-Anbieter beispielsweise für die Reintegration der ausgelagerten IT-Abteilung zu erbringen hat. In jedem Fall sollte sich der Kunde stets vor Augen halten, daß Outsourcing-Projekte schneller, als es manchem Projektverantwortlichen lieb ist, vor dem Aus stehen können.

Checkliste

- Vertragsgegenstand mit Leistungsbeschreibung, Festlegung des Umfangs, Sanktionierung der einzelnen Leistungen;

- Maßnahmen zur Mängelbeseitigung;

- Regelung der Erweiterung und Änderung des Umfanges der Leistung;

- Allgemeine Zusammenarbeit in puncto Projektorganisation;

- Abgrenzung der Verantwortlichkeiten, Mitwirkungspflichten, Vergütung und Leistungserbringung;

- allgemeine Haftung der Vertragspartner;

- Mechanismen zur Streitbeilegung;

- Regelung der Vertragsbeendigung.

Quelle: Rechtsanwalt Dr. Wolfgang Bosch, Anwaltssozietät Gleiss, Lutz, Hootz und Hirsch, in Frankfurt am Main.

Angeklickt

Kunde und IT-Dienstleister gehen beim Outsourcing eine komplexe Beziehung ein, die einer umfassenden vertraglichen Regelung bedarf. Da in der Praxis jeder Fall anders gelagert ist, läßt sich nicht mit Musterverträgen arbeiten. Um einen reibungslosen Verlauf des Outsourcing-Betriebs zu gewährleisten, ist auf die Ausgestaltung der Verträge akribische Sorgfalt zu verwenden. Insbesondere bei großen Projekten kann im Streitfall die eine oder andere Ungenauigkeit zum Spiel mit dem Feuer und somit zur Existenzbedrohung eines ganzen Unternehmens werden.

*Andrea Goder ist freie Journalistin in München.