Die Mobilfunkbranche ist nicht lernfähig

Zehn Jahre und kein bisschen weise

16.08.2002
MÜNCHEN (CW) - Vor zehn Jahren fiel in Deutschland der Startschuss für das digitale mobile Telefonieren. Im Sommer 1992 begannen D2 Mannesmann und die Deutsche Telekom mit dem Betrieb ihrer GSM-Netze. Die Erfolgsgeschichte lief schleppend an, und grundlegende Fehler der Industrie wiederholen sich immer wieder.

Ob in Strassenbahn, Kneipe, im Konzert oder der Oper: Kaum ein Ort, an dem nicht das Läuten eines Handys stört. Die Deutschen haben sich innerhalb der letzten zehn Jahre zu einem Volk von Mobiltelefonierern entwickelt, die sich mit ihren elektronischen Begleitern aber auch schriftliche Nachrichten via SMS zuschicken. Vor allem die Jüngeren hat die Handy-Sucht gepackt: Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa greifen 86 Prozent der 18- bis 29-jährigen regelmäßig zum mobilen Telefon, von den über 60-jährigen gerade mal ein knappes Drittel.

Dabei fing alles relativ harmlos an: Als vor zehn Jahren der Startschuss für die digitalen Handy-Netze fiel, waren die Geräte noch ziemlich unhandlich. Der legendäre "Knochen" von Motorola etwa, das "International 3200", wog ein gutes halbes Kilogramm und war mit einer Länge von über 30 Zentimetern alles andere als "handy". Außerdem war mobiles Telefonieren noch ziemlich teuer: So betrug die monatliche Grundgebühr für das D1-Netz der Deutschen Telekom stolze 79 Mark, ein zehnminütiges Telefonat kostete damals 14,70 Mark. Kein Wunder, dass im ersten Jahr nicht mehr als 250000 Kunden für die beiden digitalen Netze gewonnen werden konnten.

Heute sieht das ganz anders aus: Nach Angaben der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (Reg TP) verzeichneten die deutschen Mobilfunknetze Ende 2001 eine Gesamtteilnehmerzahl von 56,3 Millionen. Das bedeutet, dass inzwischen fast 70 Prozent der deutschen Bevölkerung ein Handy benutzen. Damit gilt der deutsche Markt allerdings als nahezu gesättigt, von Steigerungsraten wie in den 90er Jahren können T-Mobile, D2 Vodafone und die anderen nur noch träumen.

Sie versuchen daher, mit besseren Techniken und neuen Anwendungen das Geschäft wieder anzukurbeln. Vor allem höhere Übertragungsraten sollen die Kunden dazu bringen, immer wieder neue Mobiltelefone zu kaufen. Doch bislang erwiesen sich alle Anstrengungen, über Telefonie oder SMS hinausgehende Anwendungen zu etablieren, als Flops. An mobilem Einkaufen via Handy (M-Commerce) beispielsweise zeigte kaum jemand Interesse.

Daran konnten auch schnellere Verfahren wie High Speed Circuit Switched Data (HSCSD) oder General Packet Radio Service (GPRS) nichts ändern. Die Netzbetreiber und auch die Hersteller von Endgeräten wie Nokia, Siemens oder Ericsson sind nicht ganz unschuldig an diesem Dilemma. Schon bei der Einführung der digitalen Funktechnik geschah, was auch heute wieder beobachtet werden kann: Nach anfänglich vollmundigen Versprechungen fehlen die notwendigen Endgeräte, hapert es bei der Abdeckung oder gibt es technische Probleme, die das Vertrauen der Kunden nicht gerade fördern.

Das ließ sich beispielhaft beim Wireless Application Protocol (WAP) beobachten, das Handy-Nutzern das Surfen im Internet ermöglichen sollte. Als WAP bereitgestellt wurde, war das zugrunde liegende Übertragungsverfahren noch viel zu langsam, die Einwahl langwierig, außerdem fehlten wieder einmal die notwendigen Endgeräte. So kam es, dass schon bald gespottet wurde, WAP stehe eher für "Where are the phones?"

Mit UMTS steht der nächste Technologiesprung bevor, und bereits jetzt zeichnet sich ab, dass wieder mit den gleichen Problemen zu rechnen sein wird. Zehn Jahre digitaler Mobilfunk in Deutschland - und die Industrie ist kein bisschen weiser. (ave)