Zehn Fehler beim Vertrags-Management

27.09.2007
Von Ralph Treitz 
Obwohl Vertragsverhandlungen in der Regel viel Zeit in Anspruch nehmen, gehen die wenigsten Unternehmen systematisch vor. Einige Nachlässigkeiten sind immer wieder zu beobachten.

Wer einen Dienstleister beauftragt, schließt zwangsläufig einen Vertrag. Das hat seine Tücken. Gutes Vertrags-Management kann Unternehmen viel Geld sparen und gleichzeitig Auseinandersetzungen vermeiden. Immer wieder werden die gleichen, vermeidbaren Fehler begangen.

Sorgfalt ist erlernbar

Die Tücken des Vertrags-Managements lassen sich eigentlich recht leicht umgehen – denn die meisten Fehler gründen sich auf mangelnde Sorgfalt, schlechte Kommunikation oder fehlendes Detailwissen. Unternehmen beschäftigen normalerweise teure Anwälte, die vor Vertragsschluss die Vereinbarungen darauf abklopfen, ob sie rechtlich wasserdicht sind. Die inhaltliche Prüfung kommt dagegen häufig zu kurz. Da gilt es, die eigenen Kompetenzen richtig einzuschätzen und notfalls externen Rat einzuholen. (hv)

Viele Probleme, die sich nach Abschluss eines Vertrags ergeben, sind schon in dessen Gestaltung angelegt. Weitere entstehen während der Laufzeit, da Leistungsüberprüfungen und eventuell notwendige Nachverhandlungen oft gescheut werden, obwohl so manche Situation zu retten wäre. Noch seltener wird der Blick zurückgerichtet, wodurch die Chance auf einen Lerneffekt vertan wird. Es besteht also jede Menge Potenzial für bessere Verträge und Beziehungen zu Dienstleistern. Folgende zehn Fehler sind in den drei Vertragsphasen Abschluss, Laufzeit und Bilanz immer wieder zu finden.

1. Falsche Sparsamkeit

Ein Vertrag will gründlich vorbereitet sein. Das kostet Zeit und Ressourcen. Beides können oder möchten viele Unternehmen nicht aufbringen. Gerade Mittelständler besitzen oft nicht das Know-how, um diese Aufgabe mit der erforderlichen Detailtreue und Akribie zu stemmen. Auf den Rat von Spezialisten wird verzichtet, nach dem Motto: "Aufschreiben, was wir wollen, können wir doch wohl alleine. Den Rest klären wir, wenn Angebote vorliegen."

Gerade im Mittelstand decken Führungskräfte aber häufig breite Verantwortungsbereiche ab. Dabei kommt die Planung immer mal wieder zu kurz, man "legt einfach mal los". Anbieter, die sich auf Mittelständler fokussiert haben, kommen damit klar und bessern später oft kundenfreundlich nach. Die großen Dienstleister dagegen zeigen sich oft unerbittlich: "Vertrag ist Vertrag, und das steht hier nicht drin", lautet ihr Argument. Wer also nicht auf die Kundenfreundlichkeit seines Dienstleisters angewiesen sein will, der sollte sich vor dem Vertragsabschluss den Rat von Spezialisten einholen.

2. Zu viele Köche verderben den Brei

Was Mittelständler zu wenig tun, kann in großen Konzernen übertrieben werden: Vertragsabschlüsse werden verschleppt, weil zu viele Personen beteiligt sind. Je umfangreicher der Vertrag, desto mehr Abteilungen sind an der Entscheidungsfindung beteiligt. Neben der Fachebene diskutieren die Management-Ebene und meist auch der Einkauf mit. Die Kommunikation untereinander funktioniert aber nicht immer reibungslos.

Die Folge: Dem Anbieter gelingt es oft, mehr zu verkaufen, als der Kunde braucht. Fast schon als klassisch könnte man die Praxis bezeichnen, über Rabattangebote und mit dem Hinweis auf das Unternehmenswachstum mehr Lizenzen abzusetzen, als das Unternehmen eigentlich benötigt. Eine zweite, gar nicht so seltene Folge: Wichtige Leistungselemente werden im Verlauf der Verhandlungen gestrichen. Wenn beispielsweise der Einkauf in der letzten Verhandlungsrunde die Nacht-Bereitschaft des Outsourcers streicht - "nachts arbeitet ja niemand im Unternehmen" - kann das böse Auswirkungen haben.

3. Nur an die Gegenwart denken

Aktuelle Probleme drücken naturgemäß am meisten. Darüber kann die Zukunft schon mal in den Hintergrund treten. Und so orientieren sich Verträge viel zu oft am Tagesbedarf (dort allerdings in aller Breite und Tiefe), statt sich auf langfristige, strategische Ziele zu beziehen. Details sind wichtig, aber eben vor allem bei den Vertragszielen. Bis ins Kleinste aufzudröseln, wie etwa die Datensicherung technisch vonstatten zu gehen hat, nur weil es dort gerade Probleme gibt, ist für einen Vertrag mit einem Dienstleister dagegen eher kontraproduktiv.

4. Sich unter Zeitdruck setzen lassen

Es ist erstaunlich, wie oft es Anbietern gelingt, einen Termindruck aufzubauen, selbst wenn es um größte Abschlüsse geht. Verblüffend viele Entscheider lassen sich darauf ein. Wer sich durch Aussagen wie "dieser Rabatt gilt nur bis zum Ende des Monats" zu einem schnellen Abschluss drängen lässt, muss später mit Problemen rechnen. In solchen Fällen fehlt meistens die Zeit, Vertragsdetails bis zum Ende durchzudenken.

5. Stillhalteabkommen verhindern vergleiche

Immer wieder versuchen Anbieter, ihren Kunden glaubhaft zu machen, sie könnten Produkte und Services zu sensationellen Sonderkonditionen beziehen – vorausgesetzt, sie hielten sich an eine vertraglich abgesicherte Stillschweigevereinbarung. Eigentlich ist diese Strategie durchschaubar, trotzdem fallen Entscheider immer wieder darauf herein. Der Dienstleister verhindert damit gleich für die gesamte Vertragslaufzeit, dass der Kunde den Preis in einen gründlichen Marktvergleich einbeziehen kann. Meist bieten die Konditionen dem Anbieter dann nichts Besonderes. Eher ist der umgekehrte Fall zu beobachten: Je geheimer der Verhandlungsgegenstand, desto weniger interessant ist das Angebot tatsächlich.

6. Compliance nicht im Blick

Compliance ist notwendig, aber ein auf der Fachebene unbeliebtes Thema. Am Ende geht es immer um Regeln und Sperren, die eingebaut werden und das flüssige Arbeiten behindern. Und genau das sollen sie in gewisser Hinsicht auch: flüssiges Arbeiten - in die falsche Richtung - verhindern.

Mit Dienstleistern vertraglich festgelegte Compliance-Maßnahmen müssen also gründlich durchdacht sein. Das Problem sind die dadurch auftretenden Kosten und der zu erzielende Nutzen. Compliance-Regelungen, die gesetzlich gefordert sind (etwa Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung oder Sarbanes-Oxley Act) führen wenigstens dazu, dass ein formales Ziel der Konformität erreicht wird. Im Allgemeinen ist Compliance in der IT aber keine Disziplin, in der man mit tollen Ergebnissen glänzen kann. Letztlich sieht man ja nicht, dass etwas Übles geschehen wäre, wenn man es nicht verhindert hätte. Compliance wird letztlich nur dort geschätzt, wo sie als Qualitätsmerkmal in den Genen der Firma verankert ist.

In Dienstleistungsverträgen spielt Compliance heute eine zu geringe Rolle. Gelegentlich hat man sogar den Eindruck, durch Verlagerung bestimmter Aufgaben an Externe sollten entsprechende Fragen umgangen werden.

7. SLAs mit untauglichen Parametern

Insbesondere Dienstleistungsverträge enthalten Komponenten, mit denen die Qualität des gelieferten Service definiert und deren Vermessung vereinbart wird. Das Ganze nennt man dann Service-Level-Agreement (SLA). Ein SLA abzuschließen, hat aber natürlich nur Sinn, wenn man taugliche Parameter vereinbart und die Einhaltung des Abkommens auch überprüft. Stattdessen sind ungenaue, fragwürdige Absichtserklärungen Realität. Die Formel "Der Dienstleister sorgt für angemessene Antwortzeiten" ist so verlässlich und objektiv wie "Der Veranstalter sorgt für einen gelungenen Abend".

Werden Schwellenwerte festgelegt, sind diese häufig willkürlich und zu allgemein gewählt. Eine Aussage wie "90 Prozent aller Transaktionen haben eine Antwortzeit von unter einer Sekunde" ist zwar überprüfbar, kann aber völlig am Ziel vorbeischießen. Was bringt diese Klausel, wenn gerade die wichtigsten Transaktionen unter die zehn übrigen Prozent fallen? Nur selten findet man ein stimmiges System von Parametern, die danach gewählt wurden, dass ihre Einhaltung tatsächlich einen "Zufriedenheitszustand" definiert, der im besten Fall auch mit den Endabnehmern von IT-Leistung, nämlich den Fachabteilungen, abgestimmt ist.

Meist völlig außer Acht gelassen wird auch die Tatsache, dass Zufriedenheitskriterien sich verändern können. Gerade bei längeren Verträgen sollte deshalb die Weiterentwicklung der Qualitätsparameter jederzeit möglich sein. Weil diese aber üblicherweise mit Pönalen verknüpft sind, gelten sie als unantastbar. Nichts entwickelt sich jedoch so schnell weiter wie die zur Zufriedenheit der Anwender erforderlichen Parameter.

Eigentlich sollte daher eine Benchmark-Klausel (siehe Punkt 9) in jeden Vertrag aufgenommen werden. In dieser darf es aber nicht nur um die Preisgestaltung gehen. Mindestens ebenso wichtig ist die regelmäßige Überprüfung der Qualitätskriterien. Kaum ein Unternehmen hat gleich bleibende Qualitätsansprüche. Mit seiner Weiterentwicklung verändern sich auch die Zufriedenheitskriterien. Ohne Benchmark-Klausel kann man darauf nicht reagieren.

8. Fehlendes Eskalations-Management

Im Zusammenhang mit Service Level Agreements ist ein weiterer Stolperstein zu beachten. Viele Dienstleistungsverträge enthalten kein geordnetes Eskalations-Management. Genau definierte Eskalationsstufen und zugeordnete Ansprechpartner gehören in jeden Vertrag. Dabei geht es weniger darum, Rechte durchzusetzen. Müssen Probleme eskaliert werden, so werden Schwachstellen in den Vereinbarungen oder in der Ausführung sichtbar und können behoben werden. Eskalations-Management ist damit ein wichtiger Faktor zur Qualitätssicherung.

9. Kein Blick zurück

In der bestmöglichen aller Welten würde man laufende Verträge regelmäßig einem Review unterziehen. Veränderte Rahmenbedingungen, das Lernen aus ungünstigen Klauseln und technologische Weiterentwicklungen könnten so in eine laufende Vertragsbeziehung einfließen. Verträge nachzubessern ist kein Bekenntnis, schlecht gearbeitet zu haben. Manche Beziehung zwischen Dienstleister und Kunde würde heute noch bestehen, wenn die Beteiligten nicht bis zum Ende der Vertragslaufzeit abgewartet hätten, um es "beim nächsten Mal" besser zu machen.

In den meisten Verträgen sind keine Benchmark-Klauseln oder Review-Milestones vereinbart. Die Folge: Man leidet länger unter schlechten Vertragsregelungen oder Fehlern als nötig.

Gar nicht so selten leiden darunter beide Seiten. Konkreter Fall: Ein Unternehmen betreibt seine IT im Outsourcing. Eines Tages werden große Unternehmensteile verkauft, wodurch selbstverständlich der Bedarf an IT schrumpft. Weil aber der Vertrag läuft und keine Möglichkeit eines Reviews vorsieht, versucht das Unternehmen gar nicht erst, das Vertragsvolumen zu reduzieren. Gleichzeitig stöhnt aber auf der anderen Seite der Betreiber, weil er für eine inzwischen überalterte IT-Landschaft spezielle Betreuung vorhalten muss, die nicht kostendeckend erbracht werden kann. Beide Seiten würden den Vertrag gerne verändern. Gelegentlich sollte man einfach miteinander reden...

10. Wirtschaftliche Effizienz wird nicht geprüft!

Natürlich geht es bei Verträgen darum, dass der Kunde zufrieden ist. Aber genauso selbstverständlich geht es eben auch um Geld. Und da hört bekanntlich der Spaß auf. Umso erstaunlicher ist es, dass die wirtschaftliche Effizienz von Vertragswerken in der großen Mehrzahl der Fälle nicht überprüft wird. Einmal abgeschlossen, werden Verträge oft bis zum bitteren Ende durchlebt. Der Grund ist sehr menschlich. Welcher Verantwortliche will sich schon in die Lage bringen, dass während der Vertragslaufzeit Stück für Stück nachgewiesen wird, wie unüberlegt der Abschluss war?

Ein guter Vertrag nimmt daher diesem Problem die Schärfe: Es wird schon zu Vertragsabschluss festgelegt, dass ein regelmäßiger Review in Form eines Benchmarks vorgenommen wird und beide Parteien bei Abweichungen in Verhandlungen über die Nachbesserung des Vertrages eintreten werden.

Ein guter Benchmarker wird dann die Schwachstellen des Vertragswerks anhand der jeweils aktuellen Situation offenlegen und dabei berücksichtigen, dass etwa für Investitionen ein entsprechender Bestandsschutz bestehen muss.