Durch Standardisierung einer weiteren Marktzersplitterung entgegenwirken:

X/Open kämpft um breitere Unix-Akzeptanz

05.12.1986

AMSTERDAM (kul) - Unzufrieden mit der bisherigen Akzeptanz von Unix, richtete jetzt die Herstellervereinigung X/Open einen dringenden Appell an die internationale DV-Welt: Standardisierungsbestrebungen im Softwarebereich seien mehr denn je eine zwingende Notwendigkeit. Gehe nämlich der gegenwärtige Zeitpunkt ungenutzt vorbei, werde die zunehmende Marktzersplitterung es immer schwerer machen, auf einen weltweit akzeptierten gemeinsamen Nenner zu kommen.

Bei Herstellern und Usern ein verstärktes Interesse an Unix und somit an der SW-Standardisierung zu schaffen, ist nach Worten von X/Open-Chairman Geoff Morris oberstes Postulat auf der Prioritätenliste der Unix-Interessengemeinschaft, der die Hersteller Bull, DEC, Ericsson, Hewlett-Packard, ICL, Nixdorf, Olivetti, Philips, Siemens und Unisys angehören. Eine Schlüsselposition innerhalb der X/Open-Strategie komme deshalb der Bereitstellung eines Common Applications Environment zu, das auf der "Unix System V Interface Definition" (SVID) basiert. Ziel sei es, dem Benutzer beim Hard- und Sofwarekauf eine freie Entscheidung zu ermöglichen und ihn von der Notwendigkeit zu entbinden, sich mit Fragen der Systemarchitektur auseinanderzusetzen. "Natürlich" schränkt Philips-Repräsentant Hans Dinklo ein, "bietet eine solche Umgebung allein keine Garantie für Softwareportabilität. Aber zumindest handelt es sich dabei um eine ausbaufähige Grundlage, die sich weiterentwickeln läßt."

Im Bereich der Programmiersprachen hat sich X/Open bereits für einen "C"-Standard entschieden; allerdings sei hier noch Vorsicht geboten, da es gelte, maschinenspezifische Statements zu vermeiden.

Auch für die wichtigsten "klassischen" Programmiersprachen hat die Unix-Vereinigung Definitionen zum Maßstab erklärt: So wurde für Cobol der ANSI-Standard übernommen und um eine Standardform von "Accept" und "Display" erweitert, um User zu unterstützen, die interaktiv arbeiten. Für Fortran ist ANSI Fortran 77 verbindlich, da dieser Standard weltweit bei den Programmierern Akzeptanz gefunden hat.

Spezifikationen wurden bewußt offengehalten

Spezifikationen für andere Sprachen, beispielsweise Pascal, sollen nach ihrer Festlegung in künftigen Ausgaben des Portability Guide, der maßgeblichen Richtlinie von X/Open, veröffentlicht werden.

Der jüngste von der Unix-Vereinigung etablierte Standard befaßt sich unter dem Aspekt der weltweiten Portabilitätsbestrebungen mit internationalen Zeichensätzen. X/Open hat deshalb die ersten international gültigen Interface-Definitionen für Unix verfügbar gemacht, die eine Arbeit mit 8-Bit-Zeichensätzen erlauben. Die Spezifikation wurde bewußt offen gehalten und soll auf einen 16-Bit-Standard erweitert werden, um neben den Sprachen der westlichen Welt auch Japanisch und Chinesisch miteinbeziehen zu können.

Als Standard für Applikationsschnittstellen zu relationalen Datenbanken hat sich die Herstellervereinigung Dinklo zufolge für SQL entschieden. Ziel sei es, die Spezifikationen nicht nur zu übernehmen, sondern Schritt für Schritt auch auf eine Verbesserung dieses in Fachkreisen nicht unumstrittenen Standards hinzuwirken.

Große Pläne kündigt X/Open für 1987 an: Im technischen Bereich ist eine Erweiterung der Definition von Unix System V geplant. Außerdem sind die Definition eines Unix-Sicherheitssystems und die Entwicklung von verbesserten Benutzerschnittstellendefinitionen angekündigt. Neu hinzukommen sollen ferner Standards für die Transaktionsverarbeitung.

Was die Akzeptanz betrifft, sind neben dem Ausbau der USA-Aktivitäten erweiterte Trainingsmöglichkeiten für User, Anbieter und Softwarehäuser angesagt. Erster Schritt dieser Strategie, so Hewlett-Packard-Repräsentant James Bell, sei die Einrichtung eines "X/Open International Portability Centre" in London. Als Leiter des Projekts werde Basil Cousins, Technology Exploitation Manager bei ICL, fungieren. Ziel des Zentrums sei es, Hilfestellung zu bieten bei der Portierung von Applikationen auf die Hardware der verschiedenen Mitgliedsunternehmen.

Verunsicherung der User soll beseitigt werden

"Wir wollen", so Bell, "die gegenwärtige Verunsicherung angesichts der gegenwärtig im Markt befindlichen verschiedenen Unix-Versionen aus der Welt schaffen. Allen Interessenten soll eine Basis geboten werden auf ein gemeinsames Ziel hinzuarbeiten und von den Vorteilen eines allgemein gültigen Standards zu profitieren."

Die Gruppe wurde am 30. November 1984 durch Unterzeichnung eines "Agreement of the Open Unix Group" gegründet.