Wyse schliesst 30-Jahre-Kooperation mit Gesundheitsministerium Kalifornier fuehren High-Tech in chinesische Krankenhaeuser ein

26.08.1994

MUENCHEN (jm) - Jungfraeulichem haftet unbestreitbar etwas Reizvolles an. Diese Erfahrung durfte auch die Wyse Technology machen - in ihrem Fall ganz ohne Zweifel ein angenehmes Gefuehl, eroeffnet es ihr doch den wohl groessten Wachstumsmarkt auf unserem Globus: China.

Was Wyse zu veroeffentlichen hat, klingt so spektakulaer, dass man eigentlich von vornherein misstrauisch sein muesste: Mit den Weihen des chinesischen Gesundheitsministeriums versehen, trat das in erster Linie fuer seine Display-Terminals und Monitore bekannte kalifornische Unternehmen in die von einer Expertenkommission der Ministerialen vor drei Jahren gegruendete Firma Trisun ein. Diese hatte sich die Entwicklung und Einfuehrung von High-Tech-Produkten in Krankenhaeusern der Volksrepublik (VR) China zum Ziel gesetzt.

In dem jetzt geschlossenen Joint-venture, das unter dem Namen Beijing Trisun-Wyse Hospital Systeme Integration Co.Ltd. firmiert, halten Amerikaner und Chinesen je 50 Prozent Anteile. Dem Board gehoeren vier Wyse-Manager und drei Vertreter der Gesundheitsbehoerde an, der vorlaeufige President ist ebenfalls ein Wyse-Mann.

Die Trisun-Wyse-Kooperation ist auf 30 Jahre terminiert und soll die computerlose Zeit fuer die ueber 200 000 Krankenhaeuser der Volksrepublik beenden. In der ersten Projektphase entwickeln die Partner unter Federfuehrung von Wyse als Integrator ein Computer- Informationssystem. Im Vordergrund steht dabei der Aufbau von Modulen fuer Krankenhaus-Management-Anwendungen, die einkommende Patienten verwaltungstechnisch genauso im Blick behalten wie die Finanzen eines Hospitals. Darueber hinaus sollen sie die digitale Verarbeitung und Auswertung von Krankendaten erledigen, zukuenftig zudem hochspezialisierte Geraetschaft wie Computertomografen in das Rechnernetz einbeziehen koennen.

In einem zweiten Schritt folgen Testinstallationen an ausgewaehlten Krankenhaeusern. Diese Phase ist bereits eingelaeutet, das Beijing Hospital und das Medical College Hospital dienen als Pilotprojekte, die vom Gesundheitsministerium zunaechst mit jeweils rund 700 000 Dollar ausstaffiert wurden. Letztlich soll dann die Computerisierung aller Hospitaeler in der VR China folgen - ein Unternehmen, "das mehr als die veranschlagten 30 Jahre dauern koennte", schaetzt Berend Haber, Vice-President der in Grasbrunn bei Muenchen angesiedelten deutschen Wyse-Dependance. Dass es fuer Wyse so weit kommen konnte und nicht fuer DEC als letzten Konkurrenten haengt moeglicherweise mit der unbefleckten Vergangenheit von Wyse zusammen.

So zumindest erklaert sich Haber, wie der fernoestliche Deal eingefaedelt und durchgezogen werden konnte und auch keines der Schwergewichte vom Schlage der IBM, Siemens oder HP von den chinesischen Politikern und Beamten beruecksichtigt wurde:

"ICL und HP hatten in China schon Niederlassungen zur Zeit der Altkommunisten", versucht Haber das chinesische Glueckslos ueber einen historischen Rueckgriff zu erklaeren, "da hatten wir vielleicht den psychologischen Vorteil der Jungfraeulichkeit."

Er meint damit, dass Wyse erst seit eineinhalb Jahren einen Fuss in das Reich der Mitte gesetzt hat. Da kann man noch nicht viel falsch gemacht haben als Westler.

Allerdings schultert Wyse in Peking bei weltweit lediglich 2000 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von rund vier Milliarden Dollar eine Last, fuer die es schnell als zu leicht befunden werden koennte. So beeilt sich Haber auch gleich, entsprechende Zweifel zu zerstreuen: "Natuerlich denkt man bei einem Projekt dieser Groessenordnung gleich an die IBM als Integrator. Aber die versucht doch ueberall zuerst einmal, Strukturen aufzuziehen, wie sie sie in allen nationalen Niederlassungen etabliert hat." Das, impliziert seine Rede, bedeutet zuwenig Beweglichkeit und zuviel Interesse an internen Unternehmensablaeufen.

Bei Siemens liege der Fall anders. Traditionell ist der deutsche Konzern im ostasiatischen Markt zwar gut etabliert, mit Vorstand Heinrich von Pierer stellt er auch den Vorsitz im Asien Pazifik Ausschuss (APA) der Wirtschaft Deutschlands. Aber Siemens, so Haber, "hat nicht unbedingt den Ruf als Galionsfigur der Technologieentwicklung". Und auf Technologien beziehungsweise auf Partner, die ihnen das Gefuehl vermitteln, Kompetenz zu verkoerpern, seien die Chinesen scharf.

Wyse machte deshalb einen cleveren Schachzug. Wohl wissend, dass die eigenen Staerken vor allem im Bau von Terminals und deren Unterfuetterung mit Software liegt, werkelten die Ingenieure aus San Jose ueber ein Jahr daran, einem ihrer Displays die Kenntnis eines kompletten chinesischen Zeichensatzes einzutrichtern. Diese Investition in Fleissarbeit wendete sich in den Augen der Chinesen zum entscheidenden Argument: Hatte hier doch augenscheinlich vorauseilende Sorge um die des Englischen nicht so maechtigen chinesischen Krankenhausmitarbeiter die Feder gefuehrt - ein Pluspunkt.

"Meistens interessieren naemlich die harten technologischen Fakten, die Bits und Bytes, gar nicht so sehr, wenn es um so grosskalibrige Verhandlungen geht", unterstreicht Haber die so schwer greifbare menschliche Komponente bei Geschaeftsabschluessen.

Als Beleg fuer seine Feststellung dient Haber ein Fall aus der ehemaligen Tschechoslowakei. Da habe man 1991 mit Motorola um einen lukrativen Auftrag des Innenministeriums gefochten. "Als die ihre ganz neuen Server unter der 88x00-Architektur anpriesen, haben die Osteuropaeer gar nicht verstanden, was RISC ueberhaupt ist." Den Auftrag bekam Wyse.

Die hohe Kunst, Vertrauen zu bilden

Vertrauen bilden scheint denn auch die hoechste Kunst, um sich im heissumkaempften chinesischen Markt etablieren zu koennen. "Da muessen Sie auch die richtigen Leute einladen, wenn Ihr Unternehmen sich im Land vorstellt. Und das darf auf keinen Fall die zweite Riege von Bankern, Politikern und Beamten sein", erklaert der deutsche Wyse-Mann das kleine ABC des erfolgreichen Entrees in asiatische Geschaeftskulturen.

Der Wyse Technology arbeiten zwei Unternehmen zu, die vergleichsweise klein, auf ihren Gebieten aber durchaus mit Meriten versehen sind: Von Sunsoft stammt das Betriebssystem Solaris, auf das die Multiprozessor-Systeme und die Display- sowie X-Terminals von Wyse geeicht sind, die mit dem Marschbefehl Richtung China versehen sind.

Praktisch unbekannt ist die Illustra Information Technologies ausserhalb der USA. Jenseits des grossen Teichs aber hat sich das Unternehmen einen Namen als Spezialist fuer Krankenhausanwendungen gemacht, die auf ihrem objektorientierten Datenbanksystem "Illustra" laufen.

Auch hier hat also keine etablierte Groesse wie Oracle das Rennen gemacht: "Die orientieren sich mit ihren Anwendungen ja eher horizontal aus, die Chinesen brauchten einen Spezialisten", fuehrt Haber Gruende an, warum auch relativ kleine Unternehmen im Big Business kraeftig mitmischen koennen. "Sie muessen natuerlich etwas vorweisen koennen, ihr Metier hundertprozentig verstehen."

Ob China fuer Wyse zum Jahrtausenderlebnis wird, laesst Haber vorsichtshalber offen. Er will und darf nichts zur Groessenordnung der finanziellen Beteiligungen sagen. Auch auf Spekulationen darueber, welche Rendite der Krankenhausdeal einmal abwerfen koennte, will er sich nicht einlassen. "Wir wollen uns einen Markt oeffnen", gibt sich Haber bescheiden.

Die grosse Unbekannte sei die Finanzierbarkeit solcher Riesenprojekte. Allerdings birgt China, hofft Haber mit Blick auf das Exempel Taiwan, auch die Chance, einen ungeheuren Aufschwung zu nehmen. Die VR habe erhebliche Potentiale als billige Produktionsnation, was breite Kapitalstroeme ins Land leiten wuerde und Devisen, die ehrgeizige Technologieprojekte bezahlbar machen. Selbst ueberlege man schon, in China eine Monitorfertigung einzurichten.

Trotz des von politischer Ebene verordneten Understatements nennt Haber schliesslich aber doch eine Hausnummer fuer die Bedeutung des Joint-ventures:

"Da sind Umsaetze in Milliarden-Dollar-Hoehe drin." Und das klingt dann doch etwas spektakulaer.