Kein Gefängnis für das "schiefgegangene Experiment"

"Wurm"- Programmierer Morris kommt mit blauem Auge davon

11.05.1990

SYRACUSE (CW) - Mit einem relativ milden Urteil endete das Verfahren gegen Robert T. Morris, dessen Wurmprogramm Ende 1988 im amerikanischen Internet-Netz Tausende Rechner lahmgelegt hatte. Der Richter schloß sich der Auffassung an, daß es sich nicht um einen Anschlag, sondern um ein schiefgegangenes Experiment ohne böse Absicht gehandelt habe.

Morris wurde zu einer dreijährigen Bewährungszeit, 10 000 Dollar Strafe und 400 Stunden gemeinnütziger Arbeit verurteilt. Dazu hat er die Kosten seiner Bewährungsüberwachung in Höhe von 91 Dollar monatlich zu tragen. Erspart bleibt ihm jedoch der Schadenersatz für die von seinem Programm verursachten Kosten. Experten hatten sie auf über 100 Millionen Dollar veranschlagt; der größte Teil davon entfiel auf Rechenzeit, die sein unkontrolliert sich vermehrendes Programm beansprucht hatte. Die Regreßfrage, meinte Richter Howard Munson, hätte den Fall nur "über Gebühr verkompliziert und verlängert".

Angesichts der möglichen Höchststrafe - fünf Jahre Gefängnis, 250 000 Dollar Geldbuße plus Schadenersatz - ist der Sohn des Chefinformatikers am National Computer Security Center, einer Stelle des US-Geheimdienstes NSA, damit ausgesprochen glimpflich davongekommen. Morris' Anwalt will trotzdem Berufung einlegen, um seinen Mandanten vom Makel des Verbrechers zu befreien, der ihm mit einer rechtskräftigen Verurteilung nach dem amerikanischen Computerbetrugs- und -mißbrauchsgesetz anhaften würde.

In ersten Reaktionen wurde der Spruch überwiegend als "fair" bezeichnet. Es sei "ein angemessenes Urteil für einen Ersttäter", fand Marc Rotenberg von der Vereinigung "Computer Professionals for Social Responsibility". "Wenn jemand ohne böse Absicht handelt, ist nicht recht zu erkennen, wovor die Strafe abschrecken soll." Erleichtert zeigte sich auch Andy Sudduth, ein früherer Kommilitone und Arbeitskollege des Angeklagten, der vor Gericht als Zeuge der Verteidigung ausgesagt hatte. Niemand bezweifle mehr, so Sudduth, daß Morris nur aus wissenschaftlicher Neugier gehandelt habe.

Etwas unzufrieden äußerte sich dagegen Professor Gene Spafford von der Purdue Universität. Er fürchtet, daß der Verzicht auf eine Gefängnisstrafe "ein falsches Signal geben könnte". Auch wenn ein hartes Urteil in diesem speziellen Fall unangemessen gewesen wäre, so hätte es doch als Abschreckung vor derartigen Aktivitäten dienen können.

Die Staatsanwaltschaft lehnte es ab, das Urteil zu kommentieren, wies jedoch darauf hin, daß nach Meinung der Regierung eine Gefängnisstrafe durchaus gerechtfertigt gewesen wäre.