Wo sich die IT-Kosten auszahlen

20.01.2006
Von Thomas Mak und Philip Tauschek 
Die HVB Info GmbH hat mit Droege & Comp. ein Vorgehensmodell erarbeitet, das die Zusammenhänge zwischen fachlichen Bankprozessen und IT-Komponenten sichtbar macht.
Für das Pilotprojekt wählte die HVB Info den wichtigen, aber überschaubaren Prozess "Sofortkredit im Filialbetrieb".
Für das Pilotprojekt wählte die HVB Info den wichtigen, aber überschaubaren Prozess "Sofortkredit im Filialbetrieb".

Die herkömmlicherweise im IT-Betrieb eingesetzten Überwachungssysteme greifen zu kurz: Zwar lassen sich Ausfälle einzelner Technikkomponenten ermitteln, deren Auswirkungen auf die Geschäftsprozesse der Bank sind jedoch nur schwer abzuschätzen. Zusammenhänge zwischen den identifizierten Ausfällen und daraus resultierenden Problemen auf Seiten des Kunden zeigen sich häufig erst, wenn dieser zum Telefonhörer greift. Eine nach dem Ausmaß des jeweiligen Schadens priorisierte Störungsbearbeitung ist demnach nicht möglich.

Kritische Erfolgsfaktoren

• Ressourcen frühzeitig einplanen: Bei einem durchschnittlich komplexen Geschäftsprozess beläuft sich der Projektbedarf auf rund 40 Personentage plus 20 bis 60 Personentage für die Umsetzung der Überwachungsmechanismen. Die jeweiligen Aufwände in den Betriebs- und Entwicklungseinheiten sowie den Fachbereichen sind rechtzeitig mitzuteilen und einzuplanen. Dazu muss das Thema "Geschäftsprozesse" fest in die Jahres- beziehungsweise Ressourcenplanung der beteiligten Organisationseinheiten integriert werden.

• Business Case - ein Muss: Transparenz hinsichtlich der Verbindung zwischen den Geschäftsprozessen und der IT ist das, was sich die Fachbereiche stets gewünscht haben. Dennoch zögert der Kunde, sobald es um die Projektfinanzierung geht. Deshalb muss die IT ihm den Business Case vorrechnen: Der Kunde will wissen, was das Projekt und der anschließende laufende Betrieb kostet und bringt.

• Ohne Configuration-Management keine Transparenz: Die heutigen Standard-Konfigurationsdatenbanken berücksichtigen alle Arten von IT-Komponenten - den einzigen Bezug zum Kunden stellen die Anwendungen dar. Die während der Prozessaufnahme neu gewonnenen Informationen über die Geschäftsabläufe, insbesondere die Teilprozessschritte mit den beteiligten Anwendungen, müssen in das Configuration-Management integriert werden. Nur so lassen sich die Verbindungen zwischen fachlichen Abläufen der Bank und IT-Komponenten mit vertretbarem Aufwand aktuell halten. Andernfalls geht die gewonnene Transparenz mit dem nächsten Wechsel wieder verloren.

• Dauerhafter Erfolg nur mit Geschäftsprozessverantwortung: Wird die Nachhaltigkeit vernachlässigt, lassen Veränderungen an den Komponenten oder den fachlichen Prozessen die aufgenommenen Informationen schnell veralten und die darauf bezogenen Überwachungen ins Leere laufen. Um den Qualitäts- und Effizienzgewinn langfristig zu sichern, ist ein Geschäftsprozess-Manager zu etablieren, der losgelöst von der Linienhierarchie und organisationsübergreifend als Vollzeitkraft arbeiten sollte.

• Kommunikation und Management-Unterstützung: Aus dem organisationsübergreifenden Charakter der Aufgaben ergibt sich eine Vielzahl inhaltlicher Überschneidungen mit anderen Projekten und Linienverantwortlichkeiten. Das daraus resultierende unternehmenspolitische Spannungspotenzial ist nicht zu unterschätzen. Wichtig ist daher die intensive Kommunikation mit allen Betroffenen. Zudem ist die Unterstützung durch das Management unverzichtbar.

Was ein Geschäftsprozess-Manager tut

• Er registriert, was die Kunden wollen, plant entsprechende IT-Unterstützung und schreibt offizielle Ziele fest;

• er überwacht die Qualität, mit der die IT die Geschäftsprozesse unterstützt;

• er definiert und misst Kennzahlen, anhand derer sich Qualität und Effizienz der IT-Unterstützung beurteilen lassen;

• er analysiert Soll-Ist-Abweichungen und vereinbart Abhilfe.

Hier lesen Sie …

• wie die HVB Info die Verbindung zwischen Geschäftsprozessen und IT-Komponenten transparent macht;

• welche Schritte dazu notwendig sind;

• was den Erfolg eines solchen Projekts bestimmt;

• welche Vorteile sich daraus ergeben.

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www.computerwoche.de/go/

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571248: Prozessoptimierung und ihre Tücken;

554118: Ein Tool allein reicht nicht aus.

Des Weiteren werden Service-Level-Agreements (SLAs) nur auf Ebene der einzelnen IT-Komponenten beziehungsweise -Services vereinbart: Sie enthalten heute etwa IT-Services wie Mips-Verrechnungen, Server-Kapazitäten oder Betriebs- und Monitoring-Leistungen. Auch hier fehlt der Bezug zum Geschäft des Kunden. Die Frage nach den IT-Kosten für einen Geschäftsprozess und somit nach seiner Wirtschaftlichkeit lässt sich daher nur schwer beantworten. Die kostenoptimale Dimensionierung der IT-Kapazitäten ist ebenfalls nicht möglich.

Um die hier dringend benötigte Transparenz zu schaffen, hat die HVB Info GmbH, der IT-Dienstleister der Hypovereinsbank, zusammen mit der Düsseldorfer Unternehmensberatung Droege & Comp. ein Vorgehensmodell entwickelt, das sich auch schon in der Praxis bewährt hat.

Zur Festlegung der Reihenfolge, in der die Geschäftsprozesse bearbeitet werden sollen, müssen sie vorab grob nach Komplexität und Wichtigkeit bewertet werden. Schnelle Erfolge lassen sich mit Prozessen geringer bis mittlerer Komplexität am besten aufzeigen. Daher hat die HVB Info den für sie wichtigen, aber vergleichsweise überschaubaren Bankprozess "Sofortkredit im Filialvertrieb" für ein Pilotprojekt ausgewählt.

Aufnahme des Prozesses

Zunächst wurden die einzelnen Prozessschritte, die zugehöri-gen Anwendungen sowie die prozessspezifischen Detailinformationen - etwa Kritikalität, Durchlaufzeit, bekannte Probleme, benötigter Service-Level und Messmöglichkeiten - ermittelt. Hierzu galt es in einem ersten Schritt, vorhandene Prozessdokumentationen, Arbeitsanweisungen, Systemsteckbriefe und Prozessaufnahmen aus früheren Projekten sowie Schulungsmaterialien zu sichten. Als wichtig erwies es sich zudem, den Prozess "live" am produktiven System zu verfolgen - vor Ort in der Filiale.

Dabei zeigten sich bereits erste Verbesserungspotenziale: Ein Bankmitarbeiter schreibt beispielsweise eine zwölfstellige Nummer vom Bildschirm auf ein Blatt Papier, öffnet eine andere Anwendung und tippt die Nummer dort in eine Maske ein. Dieses umständliche und fehleranfällige Vorgehen lässt sich mit geringem Programmieraufwand automatisieren. Wie sich später zeigte, entstanden Prozess-Performance-Probleme auch daraus, dass Technikkomponenten falsch skaliert waren.

Der Gesamtprozess sollte nicht mehr als etwa 30 Schritte umfassen, gegebenenfalls muss eine Einschränkung auf bestimmte Prozessvarianten erfolgen. Rein manuelle Abläufe, bei denen keine IT-Komponenten ins Spiel kommen, erlauben ein sehr hohes Abstraktionsniveau. Sind für die Arbeitsschritte jedoch IT-Anwendun-gen relevant, ist ein höherer Detaillierungsgrad erforderlich. Eine Prozessaufnahme im Sinne von Geschäftsprozesskompetenz unterscheidet sich von einer rein fachlich getriebenen Vorgangsaufnahme und muss deshalb auch dann erfolgen, wenn der Prozess bereits dokumentiert ist.

Zuordnung der Komponenten

Um die Zusammenhänge zwischen dem Geschäftsprozess und den dafür relevanten technischen Komponenten zu dokumentieren, wurden mit den einzelnen Prozessschritten - ausgehend von der Geschäftsprozessebene - alle Ebenen der Anwendungssysteme, Hardwarekomponenten und Datenbanksysteme bis hin zu einzelnen Datenbanktabellen betrachtet. Für die Aufnahme der IT-Komponenten sind im ersten Schritt vorhandene Informationssysteme zu nutzen. Da- bei kamen der HVB Info ihre Itil-Erfahrungen im Bereich "Configuration-Management" zugute.

Komponenten- Detailanalyse

Bei der Komponentenzuordnung wurden unter Voraussetzung eines hochwertigen Configuration-Managements alle zu einer bestimmten Anwendung gehörenden IT-Bestandteile identifiziert. Da ein Prozessschritt aber nur bestimmte Funktionen einer Anwendung benötigt, sind für diesen in der Regel auch nur einzelne Komponenten ausschlaggebend. Es ist also möglich, dass bei der Zuordnung der Bestandteile eine Obermenge der tatsächlich relevanten Komponenten aufgenommen wurde.

Bei einem unzureichenden Configuration-Management kann es aber auch vorkommen, dass einzelne Komponenten noch zu ergänzen sind. Daher sollten die Informationen stets im Gespräch mit Produkt- und Anwendungssystemverantwortlichen geprüft werden.

Nach diesem Schritt ließ sich ein Gesamtbild des Geschäftsprozesses mit den Verbindungen zwischen den einzelnen Teilprozessen und den IT-Komponenten erstellen. Es demonstriert allen Beteiligten in den Fachbereichen und in der IT ihr Mitwirken und ihre Rolle im konkreten Geschäftsprozess.

Abstimmung der SLAs

Nachdem alle geschäftsprozessrelevanten Komponenten aufgenommen waren, ließen sich die vorhandenen SLAs entsprechend zuordnen. Anschließend wurden die für die einzelnen Prozessschritte geforderten Service-Levels mit den vereinbarten Regeln für die IT-Komponenten und -Services verglichen, um die SLAs entsprechend anzupassen und zu vervollständigen. Langfristig sollten die Verrechnungs- und Vertragsmodelle auf die prozessorientierte Sicht transferiert werden. Das ermöglicht ein optimal auf die Anforderungen des Kunden abgestimmtes IT-Angebot: Zum einen werden durch eine unterdimensionierte IT bedingte Ertragsausfälle reduziert, zum anderen die Kosten gesenkt, indem überflüssige Technik vermieden wird. Darüber hinaus lassen sich nun die IT-Kosten je Geschäftsprozessschritt bestimmen.

Geschäftsprozess- Monitoring

Gefordert ist nicht so sehr die vollständige "reaktive" Überwachung aller Komponenten als vielmehr die proaktive Kontrolle der für den Prozess tatsächlich kritischen IT-Bestandteile. Daher wurden bereits bei der Aufnahme des Vorgangs gemeinsam mit dem Kunden diejenigen Teilprozesse identifiziert, die für seine Wertschöpfung entscheidend sind. Nur auf diese Weise ließen sich die diesen Prozessschritten zugeordneten IT-Komponenten ermitteln sowie Ansätze und Ideen zu deren Überwachung sammeln.

Neben den Standardmethoden können moderne Überwachungstechniken zum Einsatz kommen. Hierzu gehören beispielsweise "elektronische Test-User", die proaktiv bestimmte Prozessschritte gehen. Auch Traffic-Analysen von Datenbanken, wie sie die HVB Info zur Überwachung der Schufa-Auskunft verwendet hat, sind ein probates Mittel: In einer Datenbank wird mit einem Zeitstempel vermerkt, wann eine Schufa-Anfrage versendet wird und wann eine Antwort eintrifft. Über eine Abfrage der Datenbank beziehungsweise der Zeitstempel lassen sich Aussagen über die Funktionsfähigkeit der Verbindung treffen. Sofern Probleme auftreten, kann die HVB Info unmittelbar und gezielt Maßnahmen zu deren Beseitigung einleiten - noch bevor der Kunde den Fehler meldet.

Verbesserungs- vorschläge

Über die SLA-Anpassungen und die proaktive Überwachung hinaus können jetzt weitere Verbesserungen vorgeschlagen werden. Dabei lassen sich grundsätzlich folgende Kategorien unterscheiden: Prozessoptimierung, Technikskalierung, zusätzliche Spezialkontrollen und weitere SLA-Anpassungen. Verbesserungen müssen grundsätzlich mit dem Kunden abgestimmt und gesondert beauftragt werden. Die Entscheidung, ob ein Vorschlag umgesetzt wird, erfordert jeweils eine Wirtschaftlichkeitsbetrachtung: Dem Aufwand für Einrichtung und Betrieb einer Spezialüberwachung steht beispielsweise ein entsprechend geringerer Aufwand für die Wiederherstellung eines Service beziehungsweise ein niedrigerer Ertragsausfall infolge von IT-Störungen gegenüber. (kf)