Die BA Nürnberg meldet Generationswechsel bei den DV-Hierarchien:

Wirtschaftsinformatiker drängen an die DV-Spitze

28.02.1986

MÜNCHEN - Die Ochsentour ist nicht mehr gefragt: Macher der DV-Führungsebene, deren Weg nach oben durch die Praxis führte, treten ab. Als Nachrücker, meldet die Bundesanstalt für Arbeit in Nürnberg, gelangen durchweg Akademiker oder Absolventen der Fachhochschulen in die Beletage der DV-Hierarchie. Zu den Spitzenreitern bei der Nachfrage auf dem Markt zählen Informatiker oder Wirtschaftsinformatiker. Auch CAM-Könner werden heiß gehandelt.

Noch hat die Bundesanstalt für Arbeit in Nürnberg ihre neuesten Zahlen aus der Arbeitsmarktstatistik, die im März erwartet wird, nicht veröffentlicht. Ein Trend allerdings läßt sich bereits jetzt vermelden. Bei Datenverarbeitungsfachleuten und lnformatikern beziffert sie die Arbeitslosigkeit als "relativ gering". In dieser Einschätzung rangiert als Spitzenreiter in den "reinen" DV-Berufen wieder der Informatiker (EDV) mit dem Diplom als Abschluß. Im Spitzenfeld liegen auch die Kaufleute mit Studienschwerpunkt Wirtschaftsinformatik und spezialisierten DV-Kenntnissen. Ebenso gute Aussichten besitzen Ingenieure, die mit speziellem Informatik-Fachwissen von Softwarehäusern gesucht werden. Nachfrage herrscht auch nach Know-how für die CA-Techniken. Obwohl die Konstruktionsabteilungen bisher keineswegs sofort auf computergestütztes Arbeiten umschalteten, haben Newcomer zumindest "Computer-aided"-Kenntnisse, häufig bereits gewisse Anwendungserfahrungen in diesen Sektoren mitzubringen.

Frühere Aufstiegskanäle des "DV-Manns aus der Praxis" werden zunehmend abgeschnitten, so Erfahrungswerte der Fachvermittlungsdienste. Der Weg des Programmierers, der umsattelte, dann entsprechende Leistungen vorweisen konnte und zum DV-Leiter avancierte, ist nicht mehr gangbar. Universität oder Fachhochschule sind Voraussetzungen für die künftige DV-Elite. Allerdings, so die Einschätzung eines Arbeitsmarktanalytikers, sei die Promotion gerade in betont praxisrelevanten Sektoren - noch nicht - Vorbedingung. Problematisch sei jedoch eine zu langgedehnte Ausbildung, die etwa über eine Lehre und den zweiten Bildungsweg zur Promotion führe: "Bei dreißig liegt das Limit".

Nicht nur gegen eine steigende akademische Konkurrenz haben sich die freigesetzten DV-Manager zu behaupten. Schwierigkeiten, wieder unterzukommen, bereitet ihnen neben dem Alter - "Generationswechsel bei 45" - nach BA-Werten auch die Höhe ihres Salärs. Liegen sie bei 150 000 Mark p.a., ist es nicht einfach, den Anschluß zu finden. Denn der Stellenwert der DV innerhalb der Unternehmen hat sich relativiert: Aus einer "Geheimwissenschaft" wurde eine allgemeinverständliche Lehre. Deshalb, so die Beratungsspezialisten für Fach- und Führungskräfte der BA, werden Experten mit Fachkompetenz gesucht, die ihr Wissen DV-mäßig ständig umsetzen können.

DV-Leiter unter Kontrolle

Gerade die neuen informations- und kommunikationstechnischen Entwicklungen erfordern vom DV-Routinier traditioneller Couleur Umdenken und Neubewertungen seiner Erfahrungen aus den 70er Jahren. Gleichzeitig zwingt ihn eine zunehmende Dezentralisation, sich stärker als bisher um Schnittstellen zu den Fachabteilungen zu bemühen.

Zusätzlich unterliegt der DV-Leiter heutzutage, so die Erfahrungen der Berater der Arbeitsvermittlung für Führungskräfte, einer stärkeren Kontrolle durch die Generalisten auf der Geschäftsführungsebene als bisher. Bestätigt wird dies auch von Personal-Consultants wie beispielsweise der Korn/Ferry International GmbH in Frankfurt. High-Tech-Divisioner Axel Motlik etwa sprach von einem "hochbrisanten Umfeld", in dem die Manager operierten und in dem ihr "Tun, wie noch nie vorher, kritisch beobachtet wird".

Eine Stufe über dem DV-Guru sind inzwischen weitere Informations- und Kommunikations-Experten mit einer vorwiegend nicht technisch orientierten Zielsetzung im Unternehmen heimisch geworden. So können solche Top-Manager zunehmend die Stärken, vor allem aber die Schwächen der DV einschätzen und in technischen Gestaltungsfragen mitreden. Auch neue DV-Entwicklungen wie das häufig zitierte "Informationsmanagement" setzen sich zum Teil auch deshalb nicht im Eiltempo durch. Zwar unterstützt die DV als umfassendes Steuerinstrument in betriebswirtschaftlichen Funktionsbereichen den Prozeß von Informations-Austausch und -Selektion. Dabei baut sie aber auf rudimentären Strukturen wie Einkauf, Materialwirtschaft oder Lagerhaltung auf. Experten weisen darauf hin, daß betriebswirtschaftliches Wissen deshalb notwendiger denn je sei: Wirtschaftsinformatiker oder auch Diplom-Kaufleute mit Informatikkenntnissen werden als Entscheider bevorzugt.

In der oberen Unternehmenshierarchie hinzugesellen wird sich eben falls der Mitarbeiter mit dem Know-how über die Sparte "Technische DV". Fand hier eine Kopplung mit der kommerziellen DV bisher hauptsächlich in Großunternehmen statt wird sie künftig auch in mittleren Betrieben greifen: dann ist der Blick auf den umfassenden Kontext von Managementaufgaben gefragt. DV-Verantwortliche an der Schaltstelle des Informationsflusses sollten sich also beizeiten auf den bevorstehenden Wandel einstellen: Allgemein werden nämlich der ingenieur- wie auch der betriebswirtschaftlichen Disziplin große Chancen eingeräumt, den auf die DV-Linie eingeschränkten Informations-Manager zu überflügeln.