Wirbel um Werbung auf dem Handy

30.01.2008
Ob Google, Microsoft, Nokia oder die Mobilfunkbetreiber: Alle erhoffen sich ein gutes Stück von den künftigen Einnahmen mit Werbung auf mobilen Endgeräten.

Mobile Advertising war eines der Topthemen der weltgrößten Mobilfunkmesse Mobile World Congress (MWC) vom 11. bis 14. Februar in Barcelona. Kein Wunder: Während Google bei Textanzeigen im World Wide Web klar die Führungsposition bezogen hat, ist das Rennen im mobilen Internet noch nicht entschieden. Die Chance, hier in Führung zu gehen und das Gros der Werbeerlöse abzusahnen, ist sicher auch ein wichtiger Grund für die Übernahmegelüste von Microsoft - zumal Branchenkenner Yahoo im Segment mobile Suche derzeit an vorderster Stelle sehen.

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Handy-Hersteller Nokia wiederum drängt über seine Führungsposition im Endgerätegeschäft in den aufkeimenden Markt. Die Finnen haben dazu im September 2007 den Mobile-Advertising-Spezialisten Enpocket übernommen und wollen mit dem Portal Ovi eine eigene Internet-Plattform für PCs und Handys launchen. Daneben spielt Nokias Engagement im GPS- und Navigationsumfeld (Nokia Maps) eine wichtige Rolle, da dort ortsbezogene Werbung möglich ist.

Mit ihren Ambitionen in diesem Bereich setzen die Unternehmen die Mobilfunkbetreiber unter Druck, für die angesichts des fortschreitenden Preisverfalls bei Sprach- und Datenverbindungen viel auf dem Spiel steht: Sie riskieren über kurz oder lang zu reinen "Bit Pipes" degradiert zu werden.

Mit aktuell bereits über drei Milliarden Mobilfunknutzern, von denen die meisten ihr Endgerät immer bei sich haben, weist Mobile Advertising ein höheres Potenzial als Internet-Werbung auf. Marktexperten gehen davon aus, dass der Bereich bis 2011 bereits ein Volumen von zehn bis 15 Milliarden Dollar erreichen wird. Dennoch seien im vergangenen Jahr gerade einmal 0,2 Prozent des weltweiten Werbebudgets in das Segment geflossen, berichtet Steven van Zamen, Manager von Acision, einem Messaging-Dienstleister für Mobilfunkunternehmen. Um das Geschäft in Gang zu bringen, bedürfe es jedoch zunächst einer Komplettlösung, die vom SMS-Versand ausgeht und bis zu Werbemaßnahmen im mobilen Internet reicht. Weiterhin müssten die Mobilfunkbetreiber Tools einsetzen, um den Erfolg von Kampagnen zu messen, und ein effektives Profiling ihrer Nutzer betreiben. "Die Provider haben alle Informationen für bedarfsgerechte Werbung, nutzen sie jedoch nicht", so van Zamen.

Um den Mobilfunk-Carriern auf die Sprünge zu helfen, hat die Logica-CMG-Ausgründung Acision nun eine Kooperation mit dem Werbevermarkter OgilvyOne geschlossen. Die Partner wollen eine vollständige Marketing-Wertschöpfungskette aufbauen, die Werbetreibende mit einem Komplettangebot über verschiedene Kanäle versorgt und wichtige Aspekte wie Kontrolle, Markenschutz sowie entsprechende massenmarktgerechte Umsätze für die Netzbetreiber sicherstellt.

Von SMS bis Werbebanner

Wie nutzer-, kontext- und ortsspezifische mobile Werbung ankommt, testete Acision Ende vergangenen Jahres im Handy-affinen Singapur. In einem Feldversuch wurden 20 000 Mobilfunk- und Internet-Kunden des Carriers Singtel mit Werbung aus verschiedenen Kanälen, darunter Voice-Mail-Benachrichtungen, ortsbezogene SMS mit Werbebezug sowie Reklame auf einer WAP-Seite, konfrontiert - mit überraschend positiver Akzeptanz. Den Werbepartnern stellte Acision dabei verschiedene Reichweiten und Profile anhand ihres Handy-Nutzungsverhaltens zur Verfügung. Zusätzlich konnten die Kunden tagesgenau bestimmte Werbekontingente buchen und erhielten durch Statistiken ein Feedback über den Erfolg ihrer Kampagne. Besonders interessant sei bei dem Projekt, dass nicht nur Werbeprofis mobile Anzeigen kaufen können, erklärt van Zamen. Dank der Möglichkeit, Zeit und Ort für die Kampagne festzulegen, könne etwa ein Ortsverein via SMS Passanten und Anwohner zu einer Veranstaltung einladen. Ein Supermarkt sei in der Lage, seine Kunden auf dem Handy auf ein Sonderangebote hinzuweisen.

Test in Großbritannien

Eine Feuerprobe für den europäischen Markt steht kurz bevor: So haben die Mobilfunkriesen Vodafone, O2, T-Mobile International, Orange und Hutchison 3G im Rahmen des GSMA Mobile Advertising Program nun eine eigene Arbeitsgruppe eingerichtet. In einem ersten Projekt wollen die Partner ein einheitliches System definieren, um die erreichbare Menge an Nutzern sowie den Erfolg einer Werbekampagne zu messen. Anschließend planen die fünf Carrier, Informationen auf Basis des Testmarkts Großbritannien zu sammeln und Marketing-Firmen bereitzustellen.

Dass die technischen Grundlagen für die Bereitstellung vielfältiger Werbeformen auf dem Handy schon vorhanden sind, demonstrierten in Barcelona zahlreiche Aussteller, darunter die französische Firma Streamezzo. Das France-Télécom-Spinoff zeigte eine Rich Media Platform, die über ein On-Device-Portal verschiedene Audio- und Videoinhalte sowie grafische Animationen auf das Handy bringt. Billing, Advertising sowie Werbeeinblendungen im Mobile-TV werden ebenfalls unterstützt.

Hierzulande hat das Kölner Unternehmen Communology eine White-Label-Mobile-Marketing-Lösung entwickelt, mit der sich zielgenaue Kampagnen vornehmen lassen. Als erster Kunde nutzt bereits der Daimler-Konzern die Plattform, um eine neue Zielgruppe für seine C-Klasse anzusprechen, nämlich Besserverdienende um die 35 Jahre mit einem Kind. Interessierte, die sich die von Communology entwickelte Java-Applikation auf ihr Handy laden, erhalten Infos über Technik und Ausstattung und können sogar einen Termin für eine Testfahrt ausmachen. Das Resultat: Bislang wurden laut Communology im Rahmen der Daimler-Kampagne 120 000 Leads generiert. "Zur Schärfung der Zielgruppe wurde der Mobile Showroom nur an rund 50 überwiegend teure Endgeräte angepasst, einfache Handys werden nicht unterstützt", erklärt Communology-CEO und Gründer Thomas Kähler im CW-Gespräch. So sage das Mobiltelefon etwas über den Nutzer aus, ähnlich wie der Ort und Zeitpunkt, an dem er auf die Applikation aufmerksam geworden ist. Die Industrie sei aber gerade erst dabei, zu lernen, wie Mobile Marketing funktioniert.

"In jedem Fall ist Werbung auf dem Handy ein Pull- und kein Push-Geschäft", stellt Laura Marriott, Präsidentin der Mobile Marketing Association (MMA), fest. Voraussetzung für die Entstehung eines weltweiten Markts für Mobile Marketing und Advertising sei, dass der Nutzer nicht mit Spam überhäuft oder über den Tisch gezogen werde, erklärte sie gegenüber der computerwoche am Rande des MWC. Die Organisation erarbeitete daher ein Regelwerk, das sicherstellt, dass der Kuchen nicht schon verdirbt, bevor er verteilt wird. (mb)