Pylon: IT-Beratung für die Versicherungsbranche

"Wir suchen keinen Highflyer im Nadelstreifen"

14.04.2000
Von 
Holger Eriksdotter ist freier Journalist in Hamburg.
Die Hamburger Unternehmensberatung Pylon hat sich mit IT-Dienstleistungen für dieVersicherungsbranche auch überregional einen Namen gemacht. In der Zentrale in Hamburg und den Niederlassungen in Berlin, Frankfurt, Köln, München und Budapest arbeiten 180 Mitarbeiter an DV-Lösungen vom Großrechner bis zur Internet-Anbindung.

An der 1986 von der Hermes-Kreditversicherung gegründeten Unternehmensberatung ist seit 1994 der Deutsche Ring als Mehrheitsgesellschafter beteiligt. Bereits bei der Gründung war das Unternehmen darauf ausgerichtet, über die Arbeiten für die Muttergesellschaft hinaus seine Dienstleistung auch auf dem Beratungsmarkt anzubieten. Heute macht das Auftragsvolumen der beiden Gesellschafter nur noch fünfzehn Prozent des Umsatzes aus.

Bei der Gründung wurden entscheidende Weichen gestellt: Auf den Bedarf der Versicherungsbranche ausgerichtet brachtenerste Aufträge und die Nähe zur Muttergesellschaft das fundierte Branchenwissen, das bis heuteeine Kernkompetenz des Unternehmens ausmacht. Das Know-how ist inzwischen auf weitere Branchen und Systeme ausgeweitet: Neben Lösungen im Finanzdienstleistungsbereich, im Handel und für die Chemische Industrie ergänzen Dokumenten-Management-Systeme, Internet-Anbindung und SAP-Beratung die Angebotspalette.

Eine für den Deutschen Ring entwickelte Lösung für die Verwaltung und Abrechnung von Lebensversicherungen ist in modifizierten Versionen inzwischen bei weiteren drei Lebensversicherern im Einsatz. In der Versicherungsbranche basiert die Verwaltung der Geschäftsprozesse und die Tarifberechnung fast ausschließlich auf unternehmensspezifischen Applikationen; für die komplexen und auch mathematisch anspruchsvollen Geschäftsprozesse ist Standardsoftware nicht verfügbar. Hinzu kommen die unterschiedlichen Tarifmodelle der verschiedenen Gesellschaften, deren Implementation ohne fundierte versicherungsmathematische Kenntnisse nicht zu bewältigen wäre.

Die Anforderungen an die Mitarbeiter sind indes hoch: Zu den IT-Qualifikationen müssen betriebswirtschaftliche Kenntnisse, Branchenwissen sowie im Idealfall mathematische Fähigkeiten kommen. Angesichts des engen Arbeitsmarktes für IT-Fachkräfte sind qualifizierte Experten kaum zu bekommen.

Die letzte Anzeigenkampagne im Hamburger Abendblatt brachte mit zwei neuen Mitarbeitern ein durchaus zufriedenstellendes Ergebnis, denn trotz des Mangels an geeigneten Arbeitskräften ist die Messlatte für den Einstieg nicht gesenkt worden. "Unsere Mitarbeiter arbeiten hauptsächlich in Projekten beim Kunden vor Ort, da sind gewisse Mindestanforderungen unerlässlich", macht Geschäftsführer Holger Möller klar.

"Unsere Stärke liegt in der Umsetzung"

Dabei erwartet er keineswegs den Überflieger mit Prädikatsexamen: "Wir sind nicht McKinsey. Unsere Stärke liegt in der Umsetzung. Deshalb suchen wir auch nicht unbedingt den Highflyer im Nadelstreifen, sondern eher den engagierten Mitarbeiter, der sich auch zum Programmieren nicht zu schade ist - und vor allen Dingen den Willen zur Dienstleistung mitbringt."

Mit soliden Grundlagenkenntnissen und guten analytischen und konzeptionellen Fähigkeiten ist der Einsteiger nach Möllers Ansicht bestens für die bevorstehenden Aufgaben gewappnet. Dabei ist der Typ des introvertierten Einzelkämpfers nicht mehr gefragt: kommunikative und soziale Kompetenz sind im Beratungsjob unersetzlich. Fähigkeiten übrigens, die nach Möllers Einschätzung bei weiblichen Bewerbern häufig besser ausgeprägt sind.

Wirtschaftsinformatiker und Betriebswirte oder Mathematiker mit Informatik als Nebenfach bringen nach seiner Erfahrung beste Voraussetzungen für den Job mit. Aber auch Absolventen mit anderen Abschlüssen, Umschüler mit Berufserfahrung oder auch Bank- und Versicherungskaufleute mit IT-Hintergrund haben Chancen, wenn sie im Bewerbungsgespräch betriebswirtschaftliche Kenntnisse, DV-Erfahrung, analytisches Denken und Engagement überzeugend vermitteln können. Wer die Einstellungshürde genommen hat, kann mit einem Einstiegsgehalt von etwa 60 000 bis 80 000 Mark und einer maßgeschneiderten Ausbildung rechnen.

"Wir bieten kein formalisiertes Trainee-Programm, sondern stimmen die Ausbildung individuell auf die Fähigkeiten und Interessen der neuen Mitarbeiter ab", umreißt der Manager das Ausbildungskonzept. Dabei sind gewisse Ausbildungsinhalte wie soziale und kommunikative Lernziele sowie Methodenkompetenz im System- und Projekt-Management obligatorisch und von allen Einsteigern zu absolvieren, während der gezielte Ausbau der IT-Kompetenz sehr unterschiedlich ausfallen kann.

Ausbildung zum Aktuar für Mathematiker

Denn vom Großrechner-Betriebssystem und IBM-Software bis zur Anwendungsentwicklung in Client-Server-Umgebungen, von Intranet und Internet bis zur Implementation von SAP-Modulen, von den Programmiersprachen PL/1 über ABAP4 bis hin zu JAVA und C++ reicht das Spektrum der fachlichen Anforderungen. Darüber hinaus bietet die Unternehmensberatung auch die Ausbildung zum Aktuar an, die allerdings nur für mathematisch versierte Absolventen in Frage kommt. Im Vordergrund stehen hier versicherungsrechtliche und -mathematische Inhalte. Seit der Lockerung der Versicherungsaufsicht vor sechs Jahren muss jeder neue Versicherungstarif von einem Aktuar des Versicherungsunternehmens verantwortet werden. Die Ausbildung endet mit einer Prüfung und der Aufnahme in den exklusiven Zirkel der etwa 1600 deutschen Aktuare, die in der Deutschen Aktuarvereinigung zusammengeschlossen sind. Bei Pylon sind zur Zeit drei Aktuare beschäftigt - weitere vier befinden sich in der Ausbildung.

Aber nicht alle Aufgabengebiete erfreuen sich bei den Einsteigern gleich großer Beliebtheit: Großrechner-Technologie wird an den Hochschulen immer weniger gelehrt und gilt als wenig attraktiv - ist aber unerlässlich. "Bei unseren Kunden finden wir heute fast immer heterogene DV-Landschaften vor; eine unserer Kernkompetenzen ist es, Brücken zwischen den unterschiedlichen Systemwelten zu realisieren - und der Großrechner wird auf absehbare Zeit bei Banken und Versicherungen seinen Platz behaupten."

Noch während der Ausbildungsphase in den ersten sechs Monaten sollte der neue Mitarbeiter sich in der Praxis bewähren und bei einem Projekt beim Kunden mitarbeiten. Die Projektabwicklung liegt von der Analyse über Planung, Codierung und Implementation bis hin zu den technischen und fachlichen Tests in den Händen eines Projektteams. Jeder Projektmitarbeiter ist dabei - von Schwerpunkten abgesehen - grundsätzlich mit allen Aufgabenstellungen vertraut. Der Codierer alter Schule ist hier also nicht mehr gefragt - die Fähigkeit zum Programmieren gleichwohl unentbehrlich.

Nach der Ausbildung kommen, so Manager Möller, dem Berater bei Pylon die Vorteile eines überschaubaren Unternehmens zugute: Flache Hierarchien und kurze Wege, individuelle Förderung und enger Kontakt zu den Kollegen, der Austausch in Foren und gemeinsame Unternehmungen - auch mit den Familien der Mitarbeiter. Das hat, nach Möllers Beobachtung, ein gutes Betriebsklima und eine hervorragende Motivation zur Folge.