Bayern will seinen Vorsprung als IT-Standort ausbauen

"Wir nehmen den Wettbewerb mit Silicon Valley auf"

15.10.1999
Laptop und Lederhose - unter diesem Motto hat sich Bayern bundesweit als klare Nummer eins im Standortwettbewerb um die zukunftsträchtige High-Tech-Branche profiliert. Doch damit wollen sich die Politiker nicht zufriedengeben. Im Gespräch mit Winfried Gertz* und Ralf Hartmann* erläuterte Staatsminister Erwin Huber, wie sich der Freistaat trotz schwieriger Personalsituation und hemmender Gesetzesvorhaben die Zukunft vorstellt.

CW: Welche Ziele verfolgen Sie mit der Initiative Bayern Online?

HUBER: Unser Ziel ist, daß Bayern zum High-Tech-Standort von Weltniveau avanciert. In der Tat nehmen wir den Wettbewerb auf mit so bekannten IT-Regionen wie Silicon Valley, der Boston Area oder London/Cambridge. Allein der Raum München ist mit 70000 IuK-Arbeitsplätzen die Nummer zwei in Europa, weltweit die Nummer vier. Aktuell bereiten wir eine High-Tech-Offensive vor. Wir werden etwa 270 Millionen Mark für IuK-Technik einplanen.

CW: Gleichzeitig hat der Freistaat auch eine Software-Offensive angekündigt. Was ist darunter zu verstehen?

HUBER: Bei der Software-Offensive Bayern setzen wir insgesamt vier Themenschwerpunkte. Im Bereich der Qualifikation sind dies neue Studienangebote an den Hochschulen und gezielte Angebote im Rahmen der beruflichen Bildung. Zweitens die Forschung: In der angewandten Softwareforschung wollen wir Akzente setzen, um erfolgreiche Produkte zu entwickeln. Drittens sollen Unternehmensgründer ermutigt werden, in den IuK-Bereich einzusteigen. Wir wollen viertens in Handwerk und Mittelstand die Einführung der notwendigen Informationstechnologie unterstützen, denn gerade auf einem globalen Markt, der von großer Dynamik geprägt ist, muß auch der Mittelstand diese moderne Technik nutzen.

CW: Wenn Bayern High-Tech-Standort von Weltformat werden will, dann fehlen doch dazu die einschlägig qualifizierten Arbeitskräfte.

HUBER: Mit über 100000 IuK-Arbeitsplätzen in rund 2000 Unternehmen und der Metropole München ist Bayern bereits ein sehr erfolgreicher Arbeitsmarkt. Gleichzeitig sind im Freistaat etwa 10000 IT-Stellen unbesetzt. Entsprechend aussichtsreich ist das Berufsfeld. Deshalb wollen wir mit unserer Software-Offensive junge Leute für eine Aus- und Weiterbildung in diesem Bereich motivieren.

CW: Wie wollen Sie dazu beitragen, daß Anzahl und Attraktivität entsprechender Studiengänge in Bayern ausgebaut werden?

HUBER: Bei der High-Tech-Offensive setzen wir Schwerpunkte mit IuK-Kompetenzzentren, wie zum Beispiel im Hochschulbereich das Zentrum für Anwendung in der Informatik in Passau oder den Forschungsverbund Wirtschaftsinformatik. Ferner bauen wir die Informatikstudiengänge an den bayerischen Hochschulen aus: etwa den Studiengang für angewandte Informatik an der Universität Augsburg, den Lehrstuhl für Bioinformatik an der Uni Würzburg und den Aufbaustudiengang Multimediatechnik an der Fachhochschule Nürnberg. Die guten Chancen in diesem Berufsfeld dürften allein schon wegen der Zukunft von IuK über einen längeren Zeitraum anhalten. Wir appellieren also dringend, Berufe im Hard- und Softwarebereich zu ergreifen.

CW: Was muß die Wirtschaft tun, um den technischen Berufen Auftrieb zu verleihen?

HUBER: Wir richten unseren Appell selbstverständlich auch an die Wirtschaft. Ich bin davon überzeugt, daß sich an der finanziellen Attraktivität noch einiges ändern muß. Der Ingenieur müßte besser bezahlt werden. Zwar liegt es schon einige Jahre zurück, daß technische Studiengänge auf Vorbehalt stießen. Aber die Langzeitwirkung ist nicht zu verkennen: Heute fehlen Ingenieure. Das ganze Berufsfeld sollte man auch von seiten der Wirtschaft positiver darstellen, denn unsere Wachstumschancen im Bereich IuK werden in den nächsten Jahren dadurch begrenzt, daß das benötigte Fachpersonal nicht zur Verfügung steht. Um nur das Beispiel eines größeren internationalen Anbieters zu nennen: 20 Prozent Wachstum in Deutschland im Bereich Software, Tendenz: gleichbleibend bis steigend. Das bedeutet für den Standort Bayern, möglichst schnell junge Leute zur entsprechenden Qualifikation zu bewegen.

CW: Die Lehrer drücken wieder die Schulbank. Doch die Einführung des Internets scheint an Kosten zu scheitern.

HUBER: Wir wollen, daß jede weiterbildende Schule in Bayern einen Internet-Zugang erhält. Bisher sind bereits über 95 Prozent der Gymnasien und 85 Prozent der Real- und Berufsschulen ans Internet angeschlossen. Für preiswerte Netzzugänge werden insgesamt 13 Millionen Mark zur Verfügung gestellt. Nachdem wir mit den Bürgernetzvereinen das Internet in sehr viele Haushalte gebracht haben, erkennen wir, daß die neue Technologie nicht nur zum Surfen, sondern auch als Lernmedium sehr gefragt ist.

CW: Stichwort Existenzgründung: Informatikabsolventen werden aufgefordert, ihre Ideen aus der Ausbildung gleich in die eigene Firma einzubringen. Welche Starthilfen bietet der Freistaat an?

HUBER: Daß Bayern im Bereich IuK eine existenzgründerfreundliche Politik betreibt, zeigt allein die Tatsache, daß rund 30 Prozent der Kapitalisierung am Neuen Markt, an dem zahlreiche aufstrebende Firmen börsennotiert sind, auf bayerische Unternehmen entfällt. Für alle High-Tech-Gründungen sind die Technologietransferstellen der bayerischen Hochschulen eine kompetente Anlaufstelle. Darüber hinaus bieten die Industrie- und Handelskammern sowie die eigens eingerichtete bayerische Gründer-Hotline kostenlose Erstberatung. In München bauen wir einen Softwarecampus auf, der speziell auf die Bedürfnisse junger Unternehmen zugeschnitten ist und neben kostengünstigen Räumen eine Vielzahl zentraler Dienstleistungen bietet. Im Medienbereich haben wir bereits ein solches Zentrum in Unterföhring. Zusätzlich bieten wir Gründern im Rahmen der Software-Offensive spezielle Coachings an.

CW: Für Existenzgründer ist gerade die Kreditvergabe ein Hürdenlauf. Welche Angebote gibt es in Bayern, die die Finanzierung erleichtern?

HUBER: Als eine der wichtigen Anlaufstellen sehen wir die LfA-Förderbank Bayern, die als Bindeglied zwischen Staat und Wirtschaft junge Unternehmen unterstützt. Die Fördermöglichkeiten sind vielfältig und umfassen zinsgünstige Darlehen, Haftungsfreistellungen, Bürgschaftsübernahmen oder stille Beteiligungen. Sehr wichtig ist die Bereitstellung von sogenanntem Seed Capital für Unternehmen in der Gründungsphase, aber auch nach einer ersten Durststrecke. München ist das Zentrum für Risikokapital, und zwar nicht nur durch staatliche Förderung. Zwar gibt es eine Reihe von Investmentbanken, doch unser Ziel ist es, daß mehr privates Kapital angeboten wird.

CW: Wenn der Jungunternehmer mit seiner Idee auf die Nase fällt?

HUBER: Eines der Erfolgsgeheimnisse des Silicon Valley sind die kreativen Jungen, die bereit sind, sich mit neuen Ideen selbständig zu machen. Doch auch in Amerika ist nicht jedes neue Projekt auf Anhieb von Erfolg gekrönt. Mit Mißerfolgen zu Beginn muß gerechnet werden. Entscheidend ist nur, daß man nicht als Verlierer stigmatisiert wird, sondern eine zweite Chance erhält und möglicherweise die Erfahrungen vom ersten Mal beim zweiten Anlauf erfolgreich einbringen kann. Wir brauchen Risikobereitschaft. Es wird auch eine meiner Aufgaben sein, in der Politik dafür zu sorgen, daß wir bei der High-Tech-Offensive auch die Bereitschaft wecken, Risiken einzugehen. Wer meint, Steuergelder nur mit einer Hundert-Prozent-Erfolgsgarantie einsetzen zu dürfen, der wird viele Chancen nicht wahrnehmen können.

CW: Gibt es Möglichkeiten, administrative Schwierigkeiten für Existenzgründer in Bayern in irgendeiner Weise zu beheben?

HUBER: Was Existenzgründer brauchen, ist in der Tat Beratung und Unterstützung auch durch die Behörden. Daß sich die Regelungen zu den 630-Mark-Jobs und die Steuerregelungen zur Scheinselbständigkeit als Bremse erwiesen haben, ist klar. Deshalb wird Bayern auf eine Änderung hinwirken. Unsere Politik ist es, junge Unternehmen bestmöglich zu fördern. Wir haben bereits einiges getan, aber das reicht noch nicht aus.

CW: Können Sie sich vorstellen, daß innerhalb der nächsten zehn Jahre ein "Bill Gates von der Isar" die Welt im Sturm erobern wird?

HUBER: Natürlich, nur muß ja nicht jeder gleich Milliardär sein. Es hat bisher in kaum einem Bereich solche Chancen gegeben, mit Kreativität und Geschicklichkeit so erfolgreich zu sein wie in der IT. Wir nehmen in Kauf, daß es einiges gibt, was möglicherweise nicht so erfolgreich ist. Aber man muß heute den Mut haben zum Risiko, nur so wird der Erfolg kommen.

Bayern Online

1994 hat der Freistaat Bayern Online ins Leben gerufen. Mit dieser Initiative will der Freistaat Bürger und Wirtschaft an die Informationstechnologie heranführen. 53 Pilotprojekte wurden für rund 150 Millionen Mark in Bereichen wie Gesundheit, Transport- und Logistikwesen bis hin zum Teleworking auf den Weg bracht. "Wir haben damit ein gesamtes Finanzvolumen von rund 500 Millionen Mark bewegt", sagt Staatsminister Erwin Huber. Ein Kernstück sind die Bürgernetze: Bayernweit wurden über etwa 80 Bürgernetzvereine rund 130000 Haushalte zum Ortstarif an das Internet angeschlossen. Die Vereine haben ein flächendeckendes Netz von Internet-Einwahlknoten zum Ortstarif geschaffen. Dieses Projekt ist mehrfach ausgezeichnet worden, wie etwa von der Bertelsmann Stiftung.

*Winfried Gertz und Ralf Hartmann arbeiten als freie Journalisten in München.