Wie man im Internet mit Schiffen handelt

12.12.2006
Die Deutsche Sekundärmarkt GmbH (DSM) jongliert mit großer Gerätschaft: mit Schiffen, genauer mit Schiffsfonds. Hierzu haben die Hamburger eine Internet-basierte Handelsplattform entwickelt.

Mit diesem Projekt beteiligte sich die DSM, eine Tochter des Fondsinitiators Nordcapital, am Wettbewerb "Anwender des Jahres 2006" in der Kategorie Strategie und Architektur. Zum Hintergrund: Geschlossene Schiffsfonds sind als Anlageklasse inzwischen am Markt etabliert. Ein Problem stellte lange jedoch die mangelnde Fungibilität (= Verfügbarkeit) der Fondsanteile dar. Wer frühzeitig aussteigen wollte, musste sich mühsam einen Aufkäufer suchen und vor allem meist einen hohen Preisabschlag hinnehmen. Seit dem DSM-Projekt hat sich die Lage für Schiffsfondsanleger entspannt: www.sekundaermarkt.de bietet seit April 2005 einen funktionsfähigen Zweitmarkt, über den Fondsanteile ähnlich wie bei Ebay, nach dem Höchstwertverfahren gekauft und verkauft werden können.

Erfolgsfaktoren

  • Das Projekt ermöglichte die Ausweitung der Nordcapital-Gruppe auf ein neues, ertragskräftiges Geschäftsfeld.

  • Die Plattform stellt das Kerngeschäft der Deutschen Sekundärmarkt GmbH dar. Sie sichert den Zugang zu einem neuen Wachstumsmarkt und somit Arbeitsplätze in der Nordcapital-Gruppe.

  • Die Plattform ist wirtschaftlich bereits zwölf Monate nach dem Start erfolgreich, die Amortisation der Investitionskosten schon nach vier Monaten erreicht.

  • Das Projekt stärkt auch direkt das bisherige Kerngeschäft der Nordcapital-Gruppe. Grund: Wegen der besseren Handelbarkeit der Fondsanteile erleichtert sich die Vermarktung. Zudem steigt die Attraktivität der geschlossenen Schiffsfonds insgesamt, da die lange Kapitalbindung von etwa 15 Jahren von vielen Anlegern als großer Nachteil empfunden wurde.

  • Flexible und skalierte Architektur des Systems, um eine zukunftssichernde Weiterentwicklung zu ermöglichen.

Wichtiger Wachstumsmarkt

"Transaktionen weit unter Marktniveau - mit Abschlägen von 50 Prozent und mehr - sind inzwischen kaum noch möglich", weiß Jürgen Wollny, DSM-Geschäftsführer zu berichten. Er ergriff 2004 die Initiative für das Handelsportal Sekundaermarkt.de und beauftragte die Arvato Systems Technologies GmbH, eine Lösung zu entwickeln, um die DSM als Makler mit Käufern und Verkäufern von Schiffsfonds zusammenzubringen. Gefordert war eine leistungsfähige IT-Plattform für die Abwicklung des Handels. Sicher, transparent und benutzerfreundlich sollte sie sein. Zudem sollte die Anwendung eine Reihe von Detailinformationen und Tools bieten, die Käufer und Verkäufer dabei unterstützen, den Wert ihrer Beteiligung zu bestimmen. Arvato baute eine solche Handelsplattform auf und übernahm schließlich auch den Betrieb. Seit ihrem Start im April 2005 wird die Handelsplattform im Rechenzentrum von Arvato Systems betrieben.

Mit der Plattform hat sich die Nordcapital-Gruppe den Zugang zu einem wichtigen Wachstumsmarkt erschlossen - denn der Handel mit Fondsanteilen aus zweiter Hand boomt: 2005 summierte sich das Handelsvolumen im Zweitmarkt auf 130 Millionen Euro gegenüber 10 Millionen Euro im Jahr 2001 - ein Trend, der sich in den kommenden Jahren fortsetzen dürfte. 2008 soll der Zweitmarktumsatz bereits bei 320 Millionen Euro liegen. Sekundärmarkt.de hat sich inzwischen gar zum führenden Anbieter entwickelt - mit einem Volumen von 28 Millionen Euro bis Ende 2005 und einem erwarteten Jahresumsatz von 30 Millionen Euro allein in 2006. Insbesondere institutionelle Aufkäufer nutzen die Investitionsmöglichkeiten.

Hocheffizienter Prognoserechner

Diese Profis schätzen vor allem die hohe Transparenz der DSM-Plattform. Sekundaermarkt.de stellt dem Kaufinteressenten umfassende Informationen zu den angebotenen Schiffsbeteiligungen bereit: von allgemeinen Informationen zu Schiffen über die bisherige Entwicklung und eine ausführliche Ergebnisrechnung bis hin zu bereitgestellten Dokumenten wie dem Emissionsprospekt und Kursen bisher erfolgter Handelsabschlüsse.

Die zentrale Anwendung aber sei, so Wollny, der Dynamische Fondsrechner (DFR). Er hilft im Internet beim Bewerten der Anteile und erlaubt nicht nur den Zugriff auf umfassende Ist-Daten der Fonds aus der hauseigenen Datenbank, sondern gestattet zudem die Kombination mit eigenen Prognosen. So lassen sich etwa die Auswirkungen des Dollarkurses, der Charterraten und der Einsatztage auf die Rendite eines Schiffsfonds mit wenigen Klicks sichtbar machen. Auch kann sich ein Kaufinteressent mit dem DFR mögliche Kaufpreise errechnen und sich die daraus resultierenden finanzmathematischen Ergebnisse nach Steuern anzeigen lassen. Wollny: "Anleger sind mit diesem Tool zum ersten Mal in der Lage, den Verkaufswert ihrer Anlage einzuschätzen. Sie können ferner nachvollziehen, welchen Einfluss einzelne Faktoren auf die Wertentwicklung eines Schiffsfonds nehmen."

Die größte Innovationsleistung des Projekts besteht in diesen Berechnungsoptionen, mit denen Anleger am PC über das Internet-Handelsportal genaue Prognosen und Risikoanalysen anstellen können, bevor sie ein finanzielles Engagement eingehen. Dieser umfassende Service ist neu und bislang einmalig.

Umsatzerwartung übertroffen

Bislang sind knapp 1500 Kunden auf dem Handelsportal registriert. Seit der Live-Schaltung vor eineinhalb Jahren wurden rund 600 Anteile im Wert von 26 Millionen Euro gehandelt: Die avisierte Umsatzerwartung von 18 Millionen Euro für dieses frühe Stadium wurde somit um 25 Prozent übertroffen.

Bei einem Investitionsvolumen von 100000 Euro sowie Folgeinvestitionen in Höhe von 60000 Euro für die technische Realisierung der Plattform war die Amortisationszeit somit sehr kurz.

Seit dem Start der Handelsplattform habe Sekundaermarkt.de einen permanenten Zustrom von Kunden, sagt Wollny. Bisher sind deren Inhalte nur auf Schiffsbeteiligungen ausgerichtet. Da sie aber alle Erwartungen an den geschäftlichen Erfolg erfüllt hat, wird derzeit geprüft, die Plattform auch auf weitere Typen geschlossener Fonds auszuweiten.