Erfolgsfaktor Employee Engagement

Wie Firmen Talente emotional binden

26.12.2019
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Seit Januar 2017 ist Sonja Pierer Geschäftsführerin der Experis GmbH. Sie hat die ManpowerGroup-Tochter erfolgreich transformiert und Skills in den Bereichen IT, Engineering, Industrie 4.0, Cloud Architektur, Embedded Systeme und IoT ausgebaut. Nach ihrem Studium der Wirtschaftsinformatik durchlief sie unterschiedliche Führungspositionen bei Cisco Systems Germany sowie einem Anbieter von Cloud Lösungen.
Unternehmen sollten dafür sorgen, dass Mitarbeiter sich mit ihrer Stelle identifizieren. Denn sie sind in Zeiten des Fachkräftemangels nur schwer zu ersetzen.

Sie sind engagierter als andere Kollegen, zeigen mehr Eigeninitiative, Enthusiasmus und Kreativität: Darum sind Mitarbeiter, die sich mit ihrer Arbeitsstelle identifizieren, sehr wertvoll für ihre Firma. Doch leider sind sie selten. Laut einer Studie des US-Marktforschungsinstituts Gallup gehören nur 15 Prozent der deutschen Arbeitnehmer zu dieser Gruppe. 70 Prozent fehlt diese Identifikation – und 15 Prozent haben innerlich schon gekündigt.

Mitarbeiter, die sich mit ihrem Team identifizieren, tragen mehr zum Unternehmenserfolg bei. Darum sollten Firmen diese emotionale Bindung fördern.
Mitarbeiter, die sich mit ihrem Team identifizieren, tragen mehr zum Unternehmenserfolg bei. Darum sollten Firmen diese emotionale Bindung fördern.
Foto: Robert Kneschke - shutterstock.com

Mangelt es in der Belegschaft an diesem sogenannten Employee Engagement, also an emotionaler Bindung an das Unternehmen, führt das letztlich zu Produktivitätseinbußen. Darüber hinaus neigen emotional ungebundene Angestellte eher dazu, ein Unternehmen zu verlassen. Die Folgen sind Aufwand für die Neubesetzung der Stelle und die Einarbeitung des Nachfolgers sowie der Verlust von Know-how. Zudem besteht das Risiko, dass Kunden zur Konkurrenz gehen, wenn häufig der Ansprechpartner wechselt.

Identifikation mit dem Team führt zu guter Leistung

Unternehmen können einiges tun, um das Employee Engagement zu steigern. Dafür ist es zunächst wichtig, den Begriff richtig zu verstehen. Häufig wird er mit Freude im Job oder Arbeitszufriedenheit verwechselt. Wer mit seinem Job zufrieden ist, ist aber nicht zwangsläufig engagiert. Stattdessen beschreibt die Bezeichnung, wie stark sich ein Mitarbeiter mit seinem Team identifiziert und für dessen Ziele verpflichtet fühlt.

Der Unterschied besteht in der Leistung. Wer eine starke emotionale Verbindung zur eigenen Position, zum Team und den gemeinsamen Perspektiven spürt, zeigt Einsatz und gute Leistungen. Aufgrund der persönlichen Identifikation mit dem Zweck und den Werten des Teams tragen solche Mitarbeiter mehr zum Erfolg der Firma bei als Angestellte, bei denen das nicht der Fall ist. Dementsprechend ist Employee Engagement als der persönliche Anteil zu verstehen, den ein Mitarbeiter am Unternehmenserfolg hat.

Mitarbeiter erwarten ständigen Austausch mit Vorgesetzten

Bei der Verbesserung des Employee Engagements stehen Unternehmen vor drei Herausforderungen:

  1. Experten gehen davon aus, dass kontinuierliches Coaching der traditionellen meist jährlichen Beurteilung der Mitarbeiterleistung überlegen ist. Gleichzeitig erwarten Angestellte heute einen ständigen Austausch mit ihren Vorgesetzten und nicht eine Bewertung zu einem bestimmten Zeitpunkt. Neue Methoden der Mitarbeiterführung zielen deshalb darauf ab, ihr Engagement und ihre Produktivität zu verbessern. Infolgedessen verschmelzen Prozesse, die früher unabhängig voneinander waren, und es entstehen neue Abläufe.

  2. Das Management von Leistung und Engagement verändert sich. Früher handelte es sich dabei um ein zentralisiertes Modell, für das die Personalabteilung verantwortlich war. Dieses wandelt sich immer mehr zu einem dezentralisierten Modell, für das Manager zuständig sind. Damit steigt auch ihre Verantwortung.

  3. Der Markt für Anwendungen zur Messung von Leistung und Engagement befindet sich im Wandel. Softwareanbieter modifizieren oder erweitern ständig die bestehenden Prozesse. Dazu gehören beispielsweise Anwendungen, die auf künstlicher Intelligenz (KI) basieren. Gleichzeitig entstehen neue Plattformen und Nischenanbieter, die zielgenaue Lösungen bereitstellen.

Technologie erleichtert die Befragung der Mitarbeiter

Besonders nützlich ist die Technologie Natural Language Processing, deren Grundlage KI ist und welche die Sprache analysiert. Mithilfe einer Software beantworten Mitarbeiter Fragen durch das Anklicken vorgegebener Antworten oder das Ausfüllen von Freitextfeldern. Daraufhin untersuchen Algorithmen das Feedback. Im Gegensatz zu klassischen Fragebögen steht das Ergebnis schnell oder sogar in Echtzeit zur Verfügung. Weitere Vorteile sind, dass die Umfragen zügig erstellt und für jedes Endgerät zugänglich sind. Sämtliche Arbeitsschritte können von den Verantwortlichen selbst ausgeführt werden. Das Feedback ist zudem umfassender als bei Multiple-Choice-Umfragen, da Angestellte sich auch zu Themen äußern können, die nicht explizit abgefragt werden . Mit diesem modernen Instrument können Unternehmen direkt während der relevanten Momente im Beschäftigungsverhältnis eines Mitarbeiters Feedback einholen. Aus den Ergebnissen lassen sich Mehrwerte für die Mitarbeiter schaffen. Dadurch steigt deren emotionale Bindung an die Firma und damit letztlich der Unternehmenserfolg.

Lösungen müssen zur Firma passen

Manager müssen auf die genannten Herausforderungen reagieren, um Mitarbeiter künftig besser einzubinden. Dabei kommt es besonders auf vier Punkte an. Erstens sollten Führungskräfte neue Methoden und Anwendungen zur Bewertung von Leistung und Engagement testen. Moderne Prozesse sind besonders effektiv: Zum Beispiel kann nach einer Online-Umfrage sofort die Belohnung der Teilnehmer erfolgen, wodurch die Beteiligung gestärkt wird. Zweitens gilt es, Lösungen bereitzustellen, die zur Firma passen. Nicht jedes verfügbare Tool ist für jede Firma oder Abteilung geeignet. Faktoren wie die Teamgröße, die Art der Belegschaft, die Firmenkultur oder die Anpassungsfähigkeit an Veränderungen sollten berücksichtigt werden.

Drittens ist es wichtig, neue Prozesse und Tools aus Sicht von Mitarbeitern und Managern zu bewerten, um beiderseits Akzeptanz zu gewährleisten. Sonst kann etwa ein verstärkter Fokus auf die Mitarbeiter die Verantwortung des Managers und den Verwaltungsaufwand erhöhen. So kann beispielsweise von Entscheidern erwartet werden, dass sie ihre Kommunikation, Motivationstechniken und Belohnungen personalisieren . Änderungsmanagement, Schulung und fortlaufende Unterstützung für Führungskräfte sind deshalb wesentliche Bestandteile jeder Initiative zur Neugestaltung des Leistungsmanagements . Viertens kommt es darauf an, aktuelle Disruptionen am Markt zu verfolgen und einen grundlegenden, langfristigen Plan zu entwickeln. Künftig wird das Leistungs- und Erwartungsmanagement weiter zusammenwachsen. Deshalb bleibt der Anwendungsmarkt weiterhin fragmentiert und im Umbruch. Das kann bedeuten, dass Unternehmen sich auf herstellerübergreifende Ansätze verlassen müssen, um unmittelbare Anforderungen zu erfüllen.

Besonderheiten von Millennials berücksichtigen

Bei der Suche nach der passenden Strategie zur besseren Einbindung der Mitarbeiter müssen Manager auch den gesellschaftlichen Wandel berücksichtigen. Speziell die neu auf den Arbeitsmarkt kommenden Millennials, die zwischen den frühen 1980er-Jahren und den späten 1990er-Jahren geboren wurden, haben ein anderes Verständnis von Arbeit als die vorherigen Generationen. Das bedeutet nicht, dass sie weniger engagiert sind. Im Gegenteil: Millennials wollen ihren Kollegen helfen und haben Verständnis für außergewöhnliche Situationen im Unternehmen.

Trotzdem wollen sie sich nicht über einen längeren Zeitraum zu außergewöhnlichen Anstrengungen verpflichten oder gar ihre Freizeit opfern. Das zwingt Arbeitgeber dazu, aufmerksamer zu sein und einen anderen Ansatz bei der Auswahl der Motivationsinstrumente und bei der Förderung des Engagements zu verfolgen. Konkret heißt das zum einen, dass die Werte und Erfahrungen junger Arbeitnehmer ständig überprüft werden müssen, um das Personalmanagement zu verbessern. Zum anderen müssen Arbeitgeber nach neuen organisatorischen Lösungen und Wegen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen suchen, um zu gewährleisten, dass die Zusammenarbeit beiden Seiten den erwarteten Nutzen bringt. Das erhöht das Engagement der jungen Mitarbeiter und ihre Arbeitszufriedenheit.

Einbindung von Millennials zahlt sich aus

Die Einbindung der Millennials birgt für Unternehmen großes Potenzial. Stärker als ältere Kollegen zeichnen sie sich durch Offenheit für neue Herausforderungen aus. Zudem verfügen sie oft über viel Selbstvertrauen und haben das Bedürfnis, sich weiterzuentwickeln. Hinzu kommt, dass sie sich in einem interkulturellen Umfeld meist gut zurechtfinden. Weitere positive Eigenschaften sind Kreativität, Kooperationsfähigkeit und eine anspruchsvolle Einstellung. Es lohnt sich also für Unternehmen, auf das Arbeitsverständnis der Millennials Rücksicht zu nehmen.

Generell dürfte Firmen angesichts des branchenübergreifenden Fachkräftemangels künftig kaum etwas anderes übrigbleiben, als Mitarbeiter an sich zu binden. Andernfalls gefährden sie ihren wirtschaftlichen Erfolg.