Wie beurteilen Sie das DV-Ausbildungsangebot?

12.10.1979

Nach Meinung von Karl-Otto Sünnemann, Organisationsberater in Reinbek, gibt es wenig kommerzielle Ausbildungsinstitute, die eine gute Ausbildung anbieten. Zu bemängeln hat er jedoch weniger die fachliche Qualität als vielmehr die Art der Methodik. Kein Wunder: "Auf einen Teacher", so Dr. Michael Taeschner vom Rechenzentrum der TH Darmstadt, "kommen derzeit hundert Auszubildende." Der Lernerfolg sei dabei meist der Selbsteinschätzung der Schüler überlassen. Ein Faktor, den auch Horst Gallus, Geschäftsführer der Advanced Systems in Düsseldorf, kritisiert: "Die Effizienz vieler Kurse ist nur schwer demonstrierbar, weil nur in wenigen Fällen Erfolgskontrollen integriert sind." ha

Horst Gallus Geschäftsführer Advanced Systems GmbH. Düsseldorf

Das Angebot auf dem Aus- und Weiterbildungssektor ist nur bedingt qualifiziert und schwer überschaubar. Warum bedingt qualifiziert? Auf der Angebotsseite bedeutet "bedingt qualifiziert zunächst umfangmäßig nicht ausreichend (Wartelisten) Ferner ist die Ausbildung zeitlich dann nicht verfügbar, wenn sie benötigt wird, das heißt, weder zum Zeitpunkt des Bedarfs beim Benutzer, noch rechtzeitig bei neuen Hardware- und Software-Systemen. Qualitativ ist das Angebot ebenfalls äußerst unterschiedlich. Nur wenige Anbieter ermöglichen einem potentiellen Benutzer, einen Kurs inhaltlich zu testen. Die Effizienz vieler Kurse ist schwer demonstrierbar, da nur in wenigen Fällen eine Lernerfolgskontrolle enthalten ist. Kostenmäßig sind manche Kurse kaum noch zu vertreten. Besonders hervorzuheben ist, daß viele Einzelkurse nur sehr schwer in ein bestehendes oder zu entwickelndes langfristiges Ausbildungskonzept zu integrieren sind.

Diese bedingte Qualifiziertheit darf jedoch nicht nur von der Angebotsseite her gesehen werden. Die Nachfrageseite, das heißt die Anwender, machen ihre Nachfrage nicht stark genug geltend. Dies fällt ihnen allerdings auch sehr schwer, da sie zumeist einem übermächtigen Hersteller und darüber hinaus einem zersplitterten Markt von Einzelangeboten gegenüberstehen. Daraus resultiert der verstärkte Trend zur innerbetrieblichen Ausbildung mit Hilfe von inhaltlich aufeinander aufbauenden Kursen und mit der Unterstützung durch Multimedien-Systeme. Die frühere Haltung der Anwender, Aus- und Weiterbildung nur dann zu betreiben, wenn es unbedingt notwendig ist, scheint mehr und mehr einer Einstellung zu weichen, bei der Aus- und Weiterbildung als längerfristige Investition im Rahmen einer langfristigen Personalpolitik gesehen wird.

Warum ist das derzeitige Angebot schwer überschaubar? Es besteht nur eine bedingte Produktvergleichbarkeit,. da die Lehrkonzeptionen der Anbieter unterschiedlich sind. Es gibt bestimmte Themen, zu denen von Programmierten Unterweisungen, über Frontalunterrichtskurse bis hin zu Multimedienkursen unterschiedlichste Kursversionen angeboten werden, die der Nachfrager nicht testen kann. Diese Unterschiedlichkeit resultiert nicht zuletzt auch aus unterschiedlichen Zielsetzungen der Anbieter Aus- und Weiterbildung ist für den Hersteller Nebenzweck, während sie zum Beispiel für Institute. Schulen, Ausbildungsberater und Multimediensystem-Anbieter Hauptgeschäftszweck ist Terminologische Unterschiede und Kurstitel, die den Inhalt der Kurse nicht eindeutig definieren, erschweren darüber hinaus dem Anwender die Auswahl.

Die Anwender scheinen sich mehr und mehr in zwei parallele Richtungen zu orientieren. Erstens außerbetriebliche Ausbildung beim Hersteller und zweitens innerbetriebliche Ausbildung über ein bereits aufeinander aufbauendes Kursangebot, in das Lernmedien sinnvoll integriert sind. Es bleibt zu hoffen. daß Benutzervereinigungen, wie zum Beispiel GUIDE. Kriterienkataloge entwickeln, anhand derer die Nachfrageseite Kurse im Einklang mit ihren tatsächlichen Erfordernissen aus dem zersplitterten Angebot auswählen kann.

Dr. Michael Taeschner, Geschäftsführer, Rechenzentrum der Technischen Hochschule in Darmstadt

Die Frage, ob das derzeitige Angebot auf dem DV-Aus- und -Weiterbildungssektor überschaubar ist, möchte ich in der Weise interpretieren, daß damit die mindestens auf kostendeckender kommerzieller Basis betriebene DV-Aus- und -Weiterbildung gemeint ist, im Gegensatz zu den entsprechenden, in der Regel defizitären Aktivitäten der mit öffentlichen Mitteln finanzierten Aktivitäten.

Der Bereich Datenverarbeitung mit seiner immer stärkeren Verzahnung in Richtung Kommunikationstechnik, heute allgemeiner mit "Informationstechnik" bezeichnet, ist mit seiner Vielzahl von Produkten und Einsatzbereichen, die überdies, verglichen mit klassischen Techniken, noch raschem technologisch bedingtem Wandel unterworfen sind, unübersehbar Entsprechendes gilt für die an marktgängigen Produkten orientierte Aus- und Weiterbildung, die sich auf ein "rapidly moving target" einstellen muß.

Während sich die in den Hoch- und Fachhochschulen vermittelten Kenntnisse aufgrund überregionaler Koordinierungsbemühungen auf den drei komplexen Grundlagen-, Technologie- und Anwendungsgebietswissen zuordnen lassen, sind die häufig nur Technologie(Produkt)-bezogenen kommerziellen Ausbildungsangebote schwer einzuordnen. Dies um so mehr, als im letzteren Fall die von den Auszubildenden vorausgesetzten Erfahrungen und Kenntnisse in der Regel der Selbsteinschätzung überlassen sind .

Ein Weg, sich wenigstens teilweise von der unüberschaubaren Ausbildungsvielfalt abzukoppeln, könnte darin bestehen, einmal eine mehr grundsätzlich angelegte Ausbildung trotz ihres höheren Aufwandes infolge der erforderlichen Formalisierung (Mathematisierung) anzustreben mit der Kompensation der größeren Halbwertzeit des erworbenen Wissens. Zum anderen bei Entscheidungen über Hard- oder Software-Alternativen den "End-Benutzer-orientierten" Alternativen unter Zurückdrängung häufig vordergründiger Effizienzgesichtspunkte und gleichzeitiger Reduzierung erforderlicher "Spezialisten"-Intervention den Vorgang zu geben.

Hinsichtlich quantitativer Aspekte mögen die von der IBM auf der 4 Konferenz über "Software Engineering" vorgetragenen, allerdings auf amerikanische Verhältnisse bezogenen Zahlen von Interesse sein:

Der prozentuale Anteil an den Ausbildungsaktivitäten betrug 1978 für Computer-Hersteller 47 Prozent Firmentraining 45 Prozent. DV-Schulen 8 Prozent, wobei hierfür weniger als 2 Prozent des Gesamt-DV-Budgets aufgewendet werden, ein Lehrer auf etwa 100 Auszubildende entfällt und der typische PSA (= Programmer Systems Analyst) 10 bis 15 Schulungstage pro Jahr bekommt.

Karl-Otto Sünnemann Organisationsberatung/Kommunikationsmethoden Reinbek bei Hamburg

Nach meiner Kenntnis gibt es relativ wenig kommerzielle Ausbildungsinstitute die eine qualitativ gute Ausbildung anzubieten haben. Prinzipiell sollte man sich erst einmal fragen: Was heißt eigentlich qualifiziert? Welche Inhalte sind mit Aus- und Weiterbildung verknüpft? In der Regel werden Kenntnisse, Inhalte und Methoden vermittelt, die dazu befähigen sollen Hard- und Software, also Techniken, besser zu nutzen. Den reinen Inhalt von Kursen, Seminaren oder Schulungen kann man sicherlich akzeptieren. Meine Zweifel und mein Unbehagen möchte ich jedoch im Bereich der Methodik ansiedeln. In dieser Richtung leisten Aus- und Weiterbildungsinstitute erschreckend wenig. Die Dozenten der kommerziellen Schulen lassen obendrein oft pädagogische Kenntnisse und Fähigkeiten vermissen,- weil sie ausschließlich rein technisch orientiert sind.

Viele Anwender kleiner oder mittlerer Systeme können nach meiner Ansicht eine betriebliche Aus- und Weiterbildung nur unter den Fittichen ihrer Hersteller betreiben. Die Ausbildungsinstitute orientieren sich lediglich an den Mainframern, weil sie hier das größere Kundenpotential vorfinden.

Ein DV-Anwender, der sich in Richtung Aus- und Weiterbildung orientiert, sollte heute primär darauf achten, daß die Angebote auch etwas über die Methoden und Techniken der Wissensvermittlung aussagen. Da in der Regel die Teilnehmerzahl ins unermeßliche steigt, ist auch ein Blick auf die Mindestteilnehmerzahl angebracht (höchstens 15). Fehlt eine derartige Angabe, sollte man das Angebot überprüfen, denn bereits 30 Leute können zuviel sein. Seminare mit einer großen Teilnehmerzahl sind von vornherein vom Mißerfolg gezeichnet.

Rudolf Leeb EDV-Leiter, Münchener Medizin Mechanik GmbH, München

Grundsätzlich müssen zwei Arten von Aus- und Weiterbildungsangeboten unterschieden werden: Herstellerangebote und herstellerunabhängige Privatschulangebote. Das Herstellerangebot, zumindest was Honeywell Bull anbelangt, ist sehr gut überschaubar. Wir erhalten regelmäßig einen Ausbildungsplan, an dem wir uns orientieren und mit dem wir gezielt planen können. Unsere bisherigen Mitarbeiterschulungen haben wir stets beim Hersteller gebucht, und das nicht nur deshalb, weil es dort kostengünstiger ist. Sicherlich haben wir auch Erfahrungen mit kommerziellen Angeboten. Bisher waren wir ,jedoch in der Regel enttäuscht. Die Institute bieten in erster Linie Schulungen an, die auf die IBM-Großserie abzielen. Verständlich insofern, da hier das größte Kundenpotential liegt.

Wir fahren ein Honeywell-Bull-System 62 und können in Deutschland außer vom Hersteller praktisch keine Betriebssystem-Schulung bekommen. Die freien Schulen bieten zwar hier und da einmal Programmierkurse an, soweit es sich um Standardprogrammiersprachen wie ANS-Cobol oder PL/1 handelt aber das ist eigentlich schon der eng, abgesteckte Rahmen.

Obwohl das Hersteller-Angebot überschaulich ist, scheint ein qualitativer Schulungsablauf nicht immer zu gelingen. Unter meinen Mitarbeitern gibt es eine Menge kritischer Stimmen. Einerseits wird häufig bemängelt, daß der Stoff innerhalb eines Ausbildungszeitraumes von 14 Tagen zu umfangreich war, andererseits hätte man das Pensum in der Hälfte der Zeit schaffen können. Trotzdem sind wir auf Aus- und Weiterbildung angewiesen, denn bei der derzeitigen Situation auf dem DV-Personalmarkt ist Programmierkapazität fast nicht mehr zu kaufen.

Ich bin der Meinung, daß die kommerziellen, herstellerunabhängigen Institute keine umfassende Ausbildung bieten. Ein mir bekannter Diplom-Geograph wollte sich im Rahmen einer Umschulung auf dem DV-Sektor ausbilden lassen. Das Arbeitsamt riet ihm ab mit der Begründung: Bei den bisher Ausgebildeten handele es sich meist nur um verhinderte Datenerfasser.