Wettbewerb so weit wie moeglich - Regulierung so weit wie noetig

17.03.1995

Hans Martin Bury MdB, Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion fuer Post und Telekommunikation

Information und Kommunikation werden zunehmend zu entscheidenden Erfolgsfaktoren fuer die Wirtschaft. Hier entstehen neue Maerkte, Schluesseltechnologien und Dienstleistungsangebote, die fuer die Wettbewerbsfaehigkeit einer Volkswirtschaft, die Entstehung und Sicherung von zukunftssicheren, modernen Arbeitsplaetzen ausschlaggebend sind.

Multimedia und Datenautobahn sind Stichworte, die die zukuenftige technische Entwicklung in der Telekommunikation kennzeichnen. Die Vernetzung von Computer, Telefon und audiovisuellen Medien und neue Uebertragungsverfahren, die in der Lage sind, grosse Mengen elektronischer Daten der unterschiedlichsten Art mit hoher Geschwindigkeit zu uebermitteln, werden interaktive Dienste zum Beispiel in den Bereichen Bildung, Wissenschaft und Gesundheit und neue Arbeitsformen ermoeglichen, die grosse gesellschafts- und wirtschaftspolitische Bedeutung erlangen werden.

Der Ausbau der dazu erforderlichen telekommunikationstechnischen Infrastruktur in Deutschland ist fuer die Zukunft unseres Landes von zentraler Bedeutung. Konkrete Multimedia-Projekte, fuer die es einen Bedarf und damit auch einen Markt gibt, fehlen bisher. Es ist deshalb auch Aufgabe der Politik, die Entwicklung anwendungsorientierter Dienste im Multimedia-Bereich zu foerdern, um die Markterschliessung zu unterstuetzen.

Fuer die Entwicklung und die Akzeptanz von Multimedia-Diensten ist jedoch auch ein gesamtgesellschaftlicher Dialog erforderlich, in dem die Chancen, aber auch die Risiken - ich denke beispielsweise an Fragen des Daten- und Verbraucherschutzes, die Sicherung von Pluralismus und Meinungsfreiheit - vorurteilsfrei offengelegt und moeglicher gesetzgeberischer Handlungsbedarf aufgezeigt werden. Um diesen Dialog zu forcieren, wird die SPD-Bundestagsfraktion eine Grosse Anfrage zu diesem Thema einbringen und eine Bundestagsdebatte initiieren.

Im Bereich der Telekommunikation findet weltweit eine klare Entwicklung zur Liberalisierung, das heisst zur Aufgabe der Monopole und zur Privatisierung der klassischen Staatsbetriebe, statt. Auf Beschluss des Ministerrates der Europaeischen Union soll das Sprach- und Netzmonopol nationaler Telefongesellschaften zum 1. Januar 1998 aufgehoben werden.

Die Telekom als bisherige Monopoltraegerin wird sich diesem kuenftigen Wettbewerb stellen muessen. Sie wird noch kundenorientierter und marktnaeher arbeiten muessen als bisher. Finanzstarke potentielle Konkurrenten stehen bereits in den Startloechern. Insbesondere die Energieversorgungsunternehmen, die bereits heute ueber umfangreiche eigene Netzwerke verfuegen, draengen mit Macht in den Telekommunikationsmarkt.

Ich bin ueberzeugt, dass die Oeffnung der Telekommunikationsmaerkte in Europa dazu beitragen wird, den nationalen und europaeischen Wirtschaftsstandort zu staerken und positive Beschaeftigungsimpulse zu geben. Wettbewerb foerdert Angebotsvielfalt und Innovationen und fuehrt in aller Regel zu kostenguenstigeren Preisen fuer die Kunden. Markt und Wettbewerb allein koennen jedoch nicht alle gesellschaftlichen und gesamtwirtschaftlichen Zielsetzungen erreichen. Dazu gehoert unter anderem die Bereitstellung eines flaechendeckenden preisguenstigen Angebotes von Telekommunikationsservices, der diskriminierungsfreie Zugang zu Netzen und Diensten und die Sicherung der Chancengleichheit laendlicher Raeume im Verhaeltnis zu Ballungsgebieten. Hier ist nach wie vor der Staat gefordert, der fuer die Sicherung einer modernen Kommunikationsinfrastruktur die grundgesetzliche Verantwortung traegt.

Fuer den kuenftigen Wettbewerb sind klare Rahmenbedingungen erforderlich. Ein entsprechendes Regulierungsgesetz, mit dem Rechte und Pflichten der Marktteilnehmer geregelt und die Bereitstellung von Infrastrukturleistungen, beispielsweise durch einen Infrastrukturfonds oder entsprechende Auflagen bei der Lizenzierung, gesichert werden, muss rechtzeitig vor der Freigabe der Monopole verabschiedet werden. Bei diesem Regulierungsgesetz wird es entscheidend darauf ankommen, die Balance zwischen einer Foerderung des Wettbewerbs im offenen Telekommunikationsmarkt und der Sicherung gesamtwirtschaftlicher und -gesellschaftlicher Aufgaben zu finden. Dabei gilt fuer mich nach wie vor sinngemaess die Maxime eines der grossen Wirtschaftspolitiker der SPD, Karl Schiller: Wettbewerb so weit wie moeglich - Regulierung so weit wie noetig!

Um den Marktteilnehmern Planungssicherheit zu geben, muss bereits vor der Verabschiedung eines Regulierungsgesetzes ueber das angestrebte Wettbewerbsmodell Klarheit geschaffen werden. Ich habe deshalb den Bundesminister fuer Post und Telekommunikation am 15. Februar in einem Brief gebeten, zu Gespraechen zwischen der Bundesregierung und den Bundestagsfraktionen einzuladen, um moeglichst rasch gemeinsame Eckpunkte des Wettbewerbs- und Regulierungsmodells fuer den Post- und Telekommunikationsmarkt in Deutschland zu erarbeiten, damit wir die Chancen nutzen.