IT in Versicherungen/Parion-Konzern behält beim Outsourcing die Fäden in der Hand

"Wer die Datenverarbeitung ausgliedert, benötigt die CIO-Funktion"

02.07.1999
Mit Herbert Schmitz, Mitglied der Vorstände Parion OHG und Parion Finanzholding AG sowie der vier konzernbildenden Versicherungsvereine, sprach im Auftrag der COMPUTERWOCHE Achim Born*.

Trotz der nicht immer positiven Erfahrungen der Gothaer-Versicherungen hält der Parion-Verbund am Outsourcing des IT-Betriebs fest. Der zuständige Vorstand, Herbert Schmitz, erläutert die Hintergründe.

CW: Über das Joint-venture von Parion und IBM, die Informationsverarbeitung und Dienstleistungen GmbH (IDG), war in der Vergangenheit nicht nur Positives zu erfahren. Warum behielten Sie nach dem Zusammenschluß das Outsourcing-Modell bei?

SCHMITZ: Weil ich vom Grundsätzlichen überzeugt bin. Als die Gothaer in Herbst 1994 gemeinsam mit IBM die IDG aus der Wiege hob, besaß das in Deutschland eine gewisse Einmaligkeit. Es gab keine Erkenntnisse, auf die man hätte zurückgreifen können. Diesmal konnten wir die Erfahrungen aus vier Jahren Outsourcing-Betrieb in das neue Vertragswerk einbringen.

CW: Was mußten Sie insbesondere berücksichtigen?

SCHMITZ: Ein Auslagern der DV in rechtlich selbständige Einheiten führt nicht automatisch zu einer besseren und schlagkräftigeren Organisation. So werden DV-Mitarbeiter nicht über Nacht zu Dienstleistern. An diesem Punkt sollte man ansetzen.

Es muß Know-how-Transfer von außen kommen, um neue Verfahren und Organisationsformen zu entwickeln. Und das läßt sich auf zwei Arten angehen: Entweder man setzt ein Unternehmen dem Konkurrenzdruck des Markts aus, oder man nimmt einen erfahrenen Partner mit in die Verantwortung.

CW: Traf das auf die alte IDG-Struktur nicht zu?

SCHMITZ: Es wurden Fehler auf beiden Seiten gemacht. Probleme wie mangelhafte Verfügbarkeit oder mangelhafter End- user-Support weckten den Mißmut der Mitarbeiter bei der Gothaer. Den Übergang der 120 BKV-Mitarbeiter aus der Datenverarbeitung in die IDG nutzten wir deshalb, um diese Defizite durch einen neuen Vertrag auszuräumen.

CW: Welche Punkte im Vertragswerk ließen die Defizite verschwinden?

SCHMITZ: Der Gesellschaftsvertrag sieht in hohem Maß die Mitwirkung des Minderheitsgesellschafters vor. Damit haben wir unseren Einfluß bei Strategiefragen gesichert. Des weiteren haben wir das Preis-Leistungs-Verhältnis deutlich verbessert und die Transparenz bei Leistungserbringung und -abrechnung erhöht.

Der alte Vertrag ging von Pauschalgrößen aus, und es war nicht exakt definiert, was alles darin enthalten ist. Das ist natürlich ein ewiger Quell für Diskussionen. Heute sind eindeutige Servicelevels definiert.

Wir legten dafür Leistungseinheiten fest, die auch in den Fachabteilungen verstanden werden. An die Stelle der Leistungseinheiten aus dem alten Vertrag wie Mips, Hauptspeicher oder ähnliches sind jetzt Größen wie "Anzahl Policen" oder "Anzahl Inkassovorgänge" getreten. Diese besitzen den unschätzbaren Vorteil, daß die Fachabteilung genau weiß, für was sie bezahlt. Der Anwender kann so seine DV-Kosten und die gewünschte Qualität genau steuern. Im Vertrag ist zudem vereinbart, daß jährlich ein Benchmarking bei der IDG durchgeführt wird. So kann der Dienstleister seine Konkurrenzfähigkeit beweisen.

CW: Als Outsourcing-Partner setzt Parion weiterhin auf IBM. Ein Partnerwechsel kam nicht in Frage?

SCHMITZ: Diesmal fand eine Ausschreibung statt, an der vier Unternehmen teilnahmen. Von IBM, die die Parion-Anforderungen am besten kannte, kam das attraktivste Angebot. Doch es war keinesfalls der Automatismus, den Sie vielleicht vermuten.

CW: IBM zumindest hat sich über den Milliarden-Deal gefreut!

SCHMITZ: Das dürfen Sie nicht überbewerten. IBM benennt den Vertragswert immer mit Total Contract Value. Die Größenordnung der IT-Jahreskosten, die jedoch für uns entscheidend ist, liegt bei 120 Millionen Mark. Der Betrag ist deutlich geringer als der, den zuvor Gothaer und BKV für IT aufbringen mußten.

CW: In der Organisation der IT-Aufgaben der Parion OHG führten Sie den Posten des Chief Information Officer, des CIO, ein. Anders als in den USA findet man diese Funktion in deutschen Unternehmen nur vereinzelt. Was hat Sie bewogen, eine solche Stelle zu schaffen?

SCHMITZ: Sie müssen im Konzern eine zentrale Stelle haben, die die Interessen gegenüber dem Vertragspartner vertritt - eine Stelle, die Aufträge erteilt, Rechnungen prüft und Leistungskontrollen durchführt. Mit dem CIO existiert ein eindeutiges Auftraggeber-Lieferanten-Verhältnis.

CW: Die BKV schaut in der Datenverarbeitung auf eine lange Siemens-Historie zurück. Die Gothaer ist eher als Big-Blue-Shop zu bezeichnen. Wird die IDG in der jetzigen Form ebenfalls Blau als bevorzugte Farbe tragen?

SCHMITZ: Türkis ist jetzt die Farbe! Aber ernsthaft: Wir verfolgen mit der IDG ein Multivendor-Konzept. In den neuen Verträgen steht ausdrücklich, daß es keine exklusive Lieferantenbindung gibt, wenn wir IDG auch zugestehen, IBM als einen bevorzugten Lieferanten zu behandeln. Denn schließlich kauft sie zu attraktiven Konditionen ein.

Wie das letztlich aussieht, läßt sich am einfachsten anhand eines Beispiels vorführen: Gegenwärtig tauscht die Gothaer alle 3270-Terminals durch intelligente Arbeitsplätze aus. Die Ausschreibung hierfür lag in der Verantwortung des CIO. Als Generalunternehmer für IT-Dienstleister setzt IDG das Ergebnis nun um, und das lautet: PCs von IBM, Server von Siemens und Drucker von Hewlett-Packard.

CW: Das heißt, IDG hält auch an BS2000-Rechnern fest?

SCHMITZ: Es gibt keine Planung, Siemens-Maschinen aus dem Rechenzentrum herauszukegeln. Zum einen wäre die Migration laufender BS2000-Anwendungen auf IBM-Mainframes unwirtschaftlich; zum anderen verfügt eine Reihe von Versicherungsvereinen über Siemens-Equipment.

CW: Als die Gothaer den ersten Outsourcing-Vertrag unterschrieb, sorgten Demonstrationen des betroffenen Personals für großes Aufsehen. Wie haben die DV-Mitarbeiter der BKV auf die Integration in die IDG reagiert?

SCHMITZ: Das Ganze ging im Gegensatz zu 1994 (Jahr der IDG-Gründung, Anm. der Redaktion) reibungslos über die Bühne. Anfängliche Unsicherheiten, die immer bei Veränderungen auftreten, legten sich schnell. Wir verzeichneten auch keine Mitarbeiter-Erosion. Im Gegenteil: Viele freuen sich, jetzt durch ihre Nähe zur IBM die beruflichen Perspektiven deutlich verbessert zu haben.

*Achim Born ist freier journalist in Köln.