Mehr als Kommunikation hat IBM derzeit nicht zu bieten

Wenig Hoffnung auf eine Integration von AIX in SAA

16.03.1990

MÜNCHEN (CW) - Big Blue schürt Erwartungen für ein "optimales Zusammenwirken" von SAA und AIX, doch von Integration kann dabei keine Rede sein. So geht die Kommunikation derzeit kaum über die Datenübertragung hinaus. An eine Einbeziehung auf Hardware- oder Betriebssystem-Basis ist sowieso nicht gedacht.

Daß AIX und SAA nach wie vor zwei getrennte Bereiche bleiben, bestätigt auch Klaus Neumann, verantwortlich in der AIX-Marketingabteilung der IBM für die neue RS/6000: "Bei Unix halten wir uns an alle dort üblichen Standards, bei SAA setzen wir die Definitionen selbst." Trotzdem sei die Zusammenarbeit zwischen beiden Welten in möglichst vielen Bereichen vorgesehen.

Bei der IBM läuft dieses Konzept unter der Bezeichnung "SAA-AIX-Interoperabilität", schließt aber Hardware- und Betriebssystem-Anpassungen explizit aus. Damit bleibt der Integration von Anwendungsprogrammen eine enge Grenze gesetzt.

Realisiert wird die "Interoperabilität" daher vor allem im Rahmen der IBM-eigenen SNA-Netzarchitektur. Neumann nennt neben den OSI-Richtlinien die Kommunikations-Protokolle X.25, TCP/IP und LU 6.2, die sowohl von den RS/6000-Systemen als auch von SAA-Produkten unterstützt würden. Über den reinen Kommunikationsbereich hinaus sei allerdings auch ein gemeinsames SQL-basiertes relationales Datenbanksystem (RDBMS) für SAA und AIX in Arbeit.

Der IBM-Vertrieb ist in Sachen Unix unerfahren

Produkte, die diese "Connectivity" ermöglichen sind jedoch, so Richard Finklestein, Präsident der Performance Computing Inc., Chicago/Illinois, auf Jahre hinaus nicht in Sicht. Schließlich sei IBM mit SAA ausreichend beschäftigt: "Zur Zeit gibt es noch nicht einmal Verbindungen zwischen OS/2 Extended Edition und DB2, geschweige denn zwischen SAA und Unix."

Auch an der Realisierung eines übergreifenden SAA/AIX-Datenbanksystems durch die IBM gibt es Zweifel. Dazu Axel Kropp, ein Sprecher der Oracle GmbH: "Mit dem Plan hat das Unternehmen lediglich den Bedarf formuliert, die Realisierung - sofern sie überhaupt kommt - wird auf sich warten lassen."

Kropp begründet diese Einschätzung mit der Schwierigkeit, für ein solches DB-Produkt einen übergreifenden SQL-Dialekt zu wählen - zumal es selbst innerhalb der SAA-Welt dafür keine einheitliche Regelung gebe. Dem entspricht, daß laut Neumann bei der IBM bisher noch kein Terminplan für das Datenbank-Projekt festgesetzt worden ist.

Eine Integration von AIX in SAA könnte aber auch dann scheitern, wenn sich IBMs derzeitiges Unix-Engagement als Flop erweist. Schließlich liegt der Marktanteil des Mainframe-Marktführers für dieses Betriebssystem nur bei etwa einem Prozent. Die allgemein befürchtete Konkurrenzsituation zwischen den neuen Unix-Rechnern und der proprietären SAA-Maschine wird sich vor allem im Vertrieb auswirken. Schließlich sind die IBM-VBs laut Kropp zwar im Verkauf der proprietären Systeme geübt, nicht aber bei der Vermarktung von Unix. Außerdem werde Big Blue es nicht zulassen, daß Unix das SAA-Konzept verwässere.

Dem Kunden nach dem Mund geredet

Niemand soll sagen, daß die Werbeabteilung von Big Blue dem Anwendervolk nicht aufs Maul schaut. Nach dem bewegten Unix-Jahr 1989 hat nun auch IBM begriffen, wo die Anwender hin wollen und zieht mit beträchtlichem Medienrummel nach. So durften die erstaunten Leser in nur einer einzigen Tagesszeitungsausgabe in der beliebten Ganzseitenserie. "Diese Woche von IBM" einen Dreiteiler über die Unix-Kompetenz des Mainframe-Riesen bewundern.

Doch vor Kurzschlüssen sei gewarnt. Denn nach Auskunft von IBM-Sprecher Feucht weiß Big Blue (proprietär) durchaus nicht immer, womit IBM (Unix) wirbt. Doch das spricht nur für die kreative Eigenständigkeit der IBM-Werbefachleute. Nicht nur, daß sie fleißig die Unix-Lokomotive anheizen, sie haben auch realisiert, daß der True-Blue-Kunde schnurstracks mit seinem frisch gekauften AIX plus Rechner (als kostenpflichtige Beigabe) in den Geborgenheit versprechenden SAA-Schoß zurückstrebt.

Und wirklich haben die IBMer - in der für sie typischen Manier - in die Hände gespuckt und ein Programm für die "SAA-AIX-Interoperabilität" auf die Beine gestellt. Irgendwann einmal soll es sogar Produkte geben, die über die regulären Kommunikationskanäle hinausreichen. Nun, der Erfolg scheint IBM sicher. Den Anwendern nach dem Mund zu reden, hält die Kunden bei Kauflaune und kostet nicht viel mehr als ein paar Zeitungsannoncen.

PS. Von der vielgewünschten SAA/AIX-Integration ist derzeit jedoch noch keine Rede. gfh