Weltmarkt für Informationstechnik in Aufteilung zwischen Japan und USA

23.10.1981

Heinz Dürr, Vorstandvorsitzender der AEG-Telefunken.

AEG spricht mit einem US-Hersteller über ein Joint Venture. Durch die Kooperation wurde das Know-how dieses Herstellers bei integrierten Schaltkreisen und seine Vertriebspotenz im US-Markt verbunden werden mit unserem Halbleiter- und System-Know-how in Europa. Wir könnten somit die notwendige Ausrichtung auf den Weltmarkt kurzfristig realisieren, die Finanzierbarkeit verbessern und eine größere Effizienz erreichen.

Für die Gebiete der "Wachstumsmarkte", auf denen AEG-Telefunken bereits eine starke Position hat, beziehungsweise die technologischen und marktmäßigen Voraussetzungen für eine Verstärkung mitbringt, haben wir eine "Ausbaustrategie" erarbeitet, deren wichtiger Bestandteil eben auch Kooperationen sind, wo Finanzkraft, Know-how und/ oder Vertriebswege einander ergänzen und stützen.

Leider müssen wir feststellen, daß eine Reihe von interessanten Markten bereits in fester Hand der Konkurrenz sind, die sich frühzeitig auf de Weltmarkt ausgerichtet hat.

Einige Beispiele: IBM in der Datenverarbeitung, Texas Instruments bei integrierten Schaltkreisen, Black & Decker bei Elektrowerkzeugen, Tandy bei Mikrocomputern.

Mangel an Strategien

Diese Liste wird man, so fürchte ich, in die Zukunft hinein verlängern müssen, wenn wir uns nicht Grundlegendes einfallen lassen, wenn wir Nachteile wie zu geringe Stückzahlen, zu geringe Eigenkapitalausstattung und damit Finanzkraft und den Mangel an vorwärts gerichteten Weltmarktstrategien nicht schnell überwinden.

Vergleichen wir die Produktionsvolumina beziehungsweise Stückzahlen auf Marktsegmenten der Elektroindustrie, werden enorme Niveauunterschiede allein zwischen der Bundesrepublik Deutschland, Japan und den USA deutlich.

In den Produktionswerten und Stückzahlen liegen wir weit zurück gegenüber den USA mit ihren riesigen Binnenmärkten und Japan mit seiner sowohl auf "Reife" als auch auf "Wachstumsmärkte" gerichteten Exportoffensive.

Nun könnte man sich beruhigt zurücklehnen und darauf verweisen, daß wir Deutschen es mit unserer qualitätsmäßig hochstehenden Ware schon noch in der Zukunft schaffen werden. Ich meine: Das ist nicht nur eine Frage der Qualität oder gar der Fleißes, sonder eher eine Frage, ob es uns langfristig gelingt, kostendeckend zu arbeiten.

Die betriebswirtschaftliche Rechnung muß stimmen. Die Umsatzrenditen deutscher Elektrounternehmen liegen im Durchschnitt bei inzwischen eher zwei als drei Prozent. Die japanische Branche erzielt etwa drei bis vier Prozent, US-Elektrounternehmen erreichen sechs bis sieben Prozent, wobei einzelne Unternehmen ja auch zweistellige Umsatzrenditen erreichen.

Die Forderung nach höherer Ergebnisqualität, nach mehr Produktivität allein reicht nicht. Wir brauchen auch das notwendige Humankapital, um im härter werdenden Konkurrenzkampf bestehen zu können - Humankapital als die Gesamtheit der Fähigkeiten und Erkenntnisse der in einem Unternehmen arbeitenden Menschen.

Man könnte nun in der deutschen Industrie in Pessimismus, vielleicht auch in wenig produktive Hektik verfallen. Dies kann man im Moment unter anderem in der Datenverarbeitung und in der Kommunikationstechnologie beobachten. Eine nähere Betrachtung dieser beiden Branchen zeigt aber auch den Weg in die Zukunft der deutschen und auch der europäischen Industrie.

Wir haben in der Datenverarbeitung zwar in Teilbereichen keine technologische Lücke - und erst recht nicht bei benutzerfreundlichen Kommunikationsgeräten, die den entscheidenden Wachstumsimpuls in dieser Branche ausmachen. Dies hat deutlich die stürmische Entwicklung der sogenannten "mittleren Datentehnik" zu Beginn der 70er Jahre in Deutschland bewiesen.

Auch haben wir in den neuen Kommunikationstechnologien, in unserer Nachrichtentechnik in vielen Bereichen keinen tehnologischen Rückstand gegenüber unseren weltweiten Wettbewerbern.

Wir haben aber ein anderes Problem und dies gemeinsam mit anderen deutschen und auch europäischen Unternehmen: Wir denken zu national, allenfalls etwas europäisch aber viel zu wenig weltweit, international. Unsere Wettbewerber tun das mit aller Konsequenz. Vor allem, was die notwendigen Investitionen betrifft, die bei Weltmarktorientierung erforderlich sind und in vielen Fällen von einzelnen Unternehmen gar nicht mehr aufzubringen sind. Da kann man nur erfolgreich sein in Zusammenarbeit und Abstimmung (Synergieeffekte!). Nehmen Sie zum Beispiel Siemens die auf dem Robotergebiet und bei Großrechnern mit Japanern, bei integrierten Schaltkreisen mit einem amerikanischen Unternehmen zusammenarbeiten. GE als weltgrößtes Elektrounternehmen kooperiert auf dem Robotersektor mit Hitachi.

Einzelkämpfer passe

Die Zeit der Einzelkämpfer für den großen Markt ist vorbei, verbleibt allerdings für Spezialitäten und Nischen.

Wir müssen die Gefahr sehen, daß der Weltmarkt zum Beispiel für die Informationstechnik in der Aufteilung zwischen Japan und USA begriffen ist. Es muß uns in der Bundesrepublik Deutschland beziehungsweise in Europa gelingen, bis zu den 90er Jahren die dritte Kraft in diesem Markt zu sein.

Anderenfalls würden wir diese wachstumsträchtigste Branche endgültig verlieren.

Und vor allen Dingen würden wir damit eine Technologie aus der Hand geben, die wir für die Erhaltung unseres Technologiestandards selbst beherrschen müssen.

All das, was an vielen Beispielen bereits in Deutschland auf kleiner Basis besteht, muß auf eine andere Ebene verlagert werden - am Beispiel der Kommunikationstechnik heißt dies Vermittlungstechnik, Übertragungstechnik und eine vollständige Palette von Endgeräten aus einem Haus anzubieten. Die Einsicht, daß diese Herausforderung auch, eine große Chance ist, führt hier zu verstärkter Zusammenarbeit von Unternehmen, um in Kooperation Systeme anzubieten.

Der Markt der Datenverarbeitung und der Kommunikationstechnologie ist sicher einer der vielversprechendsten Wachstumsmärkte. Dessen Herausforderung kann also nur dann erfolgreich beantwortet werden, wenn wir aus dem Elfenbeinturm enger betriebswirtschaftlicher Selbstbeschäftigung herausschlüpfen können, die Marktchance erkennen, die eigenen Ressourcen realistisch beurteilen und dann strategisch handeln.

Kooperationen können nicht nur aus der Sicht der Hersteller wünschenswert sein. Aus einem stärkeren Zusammengehen der Hersteller ergeben sich Vorteile auch für die Konsumenten.

An dieser Stelle, darf gefragt werden, ob die im Idealmodell des Wettbewerbs geforderte Vielfalt der Anbieter unter den heutigen Bedingungen wirklich immer dem Verbraucherschutz dient. Wenn Vielfalt nicht mehr ökonomisch darzustellen ist, vielleicht vom Verbraucher gar nicht mehr gewünscht wird, muß auch das Argument der heimischen Arbeitsplätze eine Rolle spielen dürfen.

Woher die nötigen Stückzahlen

Kartellbehörden müssen sich die Frage gefallen lassen, warum Importe aus Fernost zugelassen werden, wenn gleichzeitig auf den Weltmarkt ausgerichtete Kooperationen von Herstellern im Inland behindert werden.

Bei dem hohen Kostenniveau, das wir heute in der Bundesrepublik Deutschland haben, insbesondere auf der Lohnseite, bietet sich oft an, Betriebe hier zu schließen und die Produktion ins Ausland zu verlagern. Aber dies ist nicht nur eine Frage der Stückzahlen und mit welchen Investitionen wir Automatisierung schaffen können. Die deutschen und

europäischen Unternehmen sollten, so glaube ich, mehr darüber nachdenken, wie wir die nötigen Stückzahlen zusammenbringen, um mit unseren Konkurrenten, die dies längst geschafft haben, mithalten zu können.

Wenn wir Kooperation anstreben, so geht es uns, nicht darum eine Monopolisierung zu erringen, sondern darum, daß wir uns Oberhaupt noch am Markt behaupten können.

Aus einem Vortrag, der auf dem, 17. Technischen Presse-Colloquium der AEG-Telefunken am 8. und 9. Oktober gehalten wurde.