Weiterwursteln

14.10.1983

Den Makel der Genialität werden die Software-Macher offenbar so schnell nicht los. Zwar ist Disziplin gefordert, doch mag die niemand aufbringen. Fazit des Software-Forums 83 von CW-CSE in München: Man muß von der individuellen, trickreichen Programmierkunst zu einer Form kommen, Software unter Einsatz von Methoden und Werkzeugen wirtschaftlich zu produzieren (CW Nr. 41 vom 7. Oktober 1983, Seite 1: "Wartungsaufwand sprengt Software-Budget"). "Die einzig wirksame Konsequenz", so Alternativ-Softwerker Helmut Bender von der Bertelsmann-DV, "kann nur Software-Engineering heißen." Endstation Softwarefabrik?

Bender meint, es sei eine entscheidende Frage, was von den DV-Managern in ihrer Rolle als Vorturner zur Einführungsunterstützung getan werden könne. Er fragt: Woran liegt es, daß bereits etliche Software-Engineering-Konzepte gescheitert sind? Die Antwort kennt in Kleinweiterwursteln, wo die Trickies der ersten Stunde zu Hause sind, jeder Programmierer: Akzeptanzprobleme. Verständlich: Genies arbeiten nun mal nicht gerne in Softwarefabriken. Nur müssen die jetzt ausgelastet werden. Bender weiß auch schon wie: zunächst mit Pilotprojekten, an denen der Mut zur geplanten Unvollkommenheit geprobt wird. Ein auf den ersten Blick praktikabler Ansatz. Nur darf bezweifelt werden, daß bei den Programmentwicklern der 1401/360-Ära - die ist ja, was die Anwendungssoftware betrifft, nicht abgeschlossen-überhaupt der ernsthafte Wille zum Umdenken, zum Umlernen vorhanden ist. Zu viel steht für das Weichware-Establishment auf dem Spiel. Die Programmier-Chauvis (Wozu brauche ich eine Struktur?) haben immerhin eine Menge zu verlieren. Und bequem war's überdies, das (Software-)Autorenleben.

Die Konfrontation zwischen Ingenieuren und Künstlern, zwischen Mapper-Fans und Cobolianern, diese Konfrontation ist da. Der Generationskonflikt, den Brancheninsider längst überwunden glaubten, schwelt weiter. Und so besteht der wohl einzig mögliche Kompromiß, jedenfalls auf absehbare Zeit, darin, sich von Strohhalm zu Strohhalm zu hangeln, es zu machen wie die Bertelsmänner. Gäbe es doch mehr Benders.

Doch selbst wenn das Problem der Werkzeugakzeptanz bei den Profis gelöst wäre, würde das Thema "Effizientes Software-Management", so das Motto des CW-CSE-Forums, kaum an Brisanz verlieren. Den Engineering-Aposteln stehen auch so schwierige Zeiten bevor. Beim Topmanagement fehlt das Verständnis für das Elementarste, daß nämlich Software ein Produkt ist: Software als Anlagevermögen, dies wäre doch die logische Konsequenz, kommt im Wirtschaftsleben nicht vor. Rechtliche Regelungen? Igittigitt!

Die Software-lngenieure sollten die Flucht nach vorn antreten - mit oder ohne Strohhalm. Denn enorme finanzielle und zeitliche Aufwendungen sind allein für die Ausbildung der eigenen Mitarbeiter erforderlich, bevor also überhaupt etwas läuft. Da wirkt es wie ein Anachronismus, wenn Firmenleitungen angesichts steigender DV-Kosten die Notbremse ziehen und Budgetkürzungen anordnen, nicht selten zu Lasten der Software-Etats. Bei der Hardware dagegen wird ungern gespart, da hat man leicht das Gefühl, unterversichert zu sein. Die Hersteller helfen allerdings kräftig mit, daß sich diese Mär hält (der Blaumann von der Stuttgart-Mainzer).

Es stimmt ja, daß nicht mehr so weitergewurstelt werden kann auf dem Gebiet der Software-Entwicklung. Es stimmt aber auch, daß in den Vorstandsetagen kein Problembewußtsein vorhanden ist. Hier muß etwas geschehen - und zwar schnell.