User Support/Der Helpdesk ist das letzte Glied in einer Entscheidungskette

Weichenstellungen zum wirtschaftlichen Netz

15.11.1996

73 Prozent der Netzwerkkosten, behauptet die Gartner Group, werden durch Personalaufwand verursacht, entstehen beim Betrieb des Netzes. Dabei hat das Marktforschungsunternehmen für ein lokales Netz mit 700 Teilnehmern folgende Kostenanteile ausgemacht:

- Betriebssystem- und Anwenderunterstützung 33 Prozent

- Netzwerkverwaltung 13 Prozent und

- versteckte Kosten in den Abteilungen 27 Prozent.

Die versteckten Kosten in den Abteilungen können allerdings noch höher ausfallen, warnt der US-Marktforscher, wenn die Mitarbeiter unsachgemäß mit dem System hantieren.

Durch solche Ergebnisse aufgeschreckt, gehen die Unternehmensverantwortlichen allmählich daran, auch die Kosten im IT-Sektor kritischer zu betrachten und wie die anderer Bereiche in die Kostenstellenrechnung einzubeziehen. Besonders die versteckten Kosten in den Abteilungen scheinen viele Entscheider hellhörig gemacht zu haben: Sie sind ein Indiz dafür, daß bisher die Kostenkonsequenzen durch den Einzug lokaler Netze und die damit einhergehende Dezentralisierung der Systemintelligenz verschlafen wurden. Ein langer und tiefer Schlaf, gehört doch in den meisten Firmen das klassische Rechenzentrum, bei dem die Betriebskosten nur ein Fünftel des Gesamtaufwands ausmachten, schon längst der Vergangenheit an.

Grund genug für die Unternehmen, endlich über wirkungsvolle Ansätze im lokalen Netz nachzudenken, um die Betriebsausgaben insgesamt zu senken. Helpdesks zur effizienten Unterstützung der Mitarbeiter an ihren PCs rücken in dieser Situation in den Mittelpunkt der Kostenüberlegungen. Über sie ließen sich nicht nur die versteckten Kosten in den Abteilungen, sondern auch der Preis für die Betriebssystem- und Anwenderunterstützung, die laut Gartner Group zusammen 60 Prozent aller Netzwerkkosten ausmachen, drastisch reduzieren.

Doch die Einrichtung von Helpdesks im Unternehmen ist nicht die Lösung schlechthin, sondern erst der letzte Schritt auf dem Weg zu budgetverträglicheren Netzprozessen.

Bevor es soweit ist, müssen im Unternehmensnetz erst einmal die Weichen für einen effektiven und kostensparenden Helpdesk-Einsatz gestellt werden. Zum Beispiel mit der richtigen Infrastruktur im lokalen Netzwerk.

Dazu gehören ausreichende LAN-Kapazitäten, eine kluge Strukturierung in Subnetze, die Verfügbarkeit dedizierter Bandbreiten für besonders durchsatzfordernde Workstations und Server sowie die richtige Plazierung von Server-Systemen. Denn nur wenn Datenlasten im lokalen Netzwerk richtig verteilt und Bandbreiten, PC und Server ausreichend dimensioniert sind, läßt sich im Endeffekt eine hohe Netzverfügbarkeit erreichen und damit die Basis für wirtschaftliche Geschäftsprozesse schaffen. Eine hohe Verfügbarkeit des Netzes heißt auch: Der Bedarf an Systemunterstützung aus dem Hintergrund hält sich später in finanziell vertretbaren Grenzen.

Auch die Auswahl eines geeigneten Netzwerk-Betriebssystems ist für einen wirtschaftlichen Netzbetrieb von großer Bedeutung. Ausschlaggebend ist dabei das Verzeichnissystem. Doch Vorsicht: Viele Hersteller werben mit dem Begriff Verzeichnissystem, obwohl es sich bei näherer Betrachtung als bloßes Namenssystem, ergänzt um einige Verzeichnissystem-Funktionalitäten, erweist.

Nur vollwertige Verzeichnissysteme - derzeit gibt es einschließlich NDS von Novell und Streettalk von Banyan Systems - erlauben es, das gesamte Netz mit allen Server-Systemen als logische Einheit zu sehen. Diese Sichtweise bringt sowohl für die Benutzer als auch für die Netzwerkverwalter und das Helpdesk-Personal erhebliche Vorteile.

Logische Namen identifizieren Ressourcen, Dienste und Benutzer in diesem Fall als Objekte im Netz - unabhängig davon, auf welchen Server-Systemen sie hinterlegt sind. Benutzer und Bedienungspersonal müssen sich also weder darum kümmern, wo sich die einzelnen Objekte jeweils befinden, noch sich gar mehrfach auf unterschiedlichen Servern einloggen.

Weil sich Objekte im Netzwerk mit einem leistungsfähigen Verzeichnissystem zusätzlich über Attribute genauer beschreiben lassen, rücken zudem die Betriebsmittel, Dienste und Benutzer noch verständlicher an den Bildschirm der Netzteilnehmer. Darüber hinaus gestattet es diese Architektur eines logischen Netzes, die redundante Datenhaltung und damit den Pflege- und Aktualisierungsaufwand auf ein Minimum zu begrenzen.

Durch ein leistungsfähiges Verzeichnissystem wird das Netz quasi zu einem virtuellen Computer, der den Benutzern und dem Netzwerkverwalter das Leben leichter macht und parallel die Helpdesks bei Supportbedarf näher an den Benutzer rückt. Ohne vollwertiges Verzeichnissystem kann sich die Arbeit im und am Netz hingegen schnell zu einem zeitaufwendigen und kostspieligen Unterfangen entwickeln.

Das Verzeichnissystem ist für einen wirtschaftlichen Netzbetrieb schon deshalb wichtig, weil seine Namenssyntax die Grundlage für eine Vielzahl weiterer Dienste wie E-Mail-, Netzwerkverwaltungs- und Synchronisationsdienst bilden kann, sofern diese Services nahtlos in das Netzwerk-Betriebssystem integriert sind. Stimmt das Verzeichnissystem, kommen auch bei diesen Diensten die Vorteile eines logischen Netzes, eines Single Logins und einer schnellen Ressourcen-, Dienste- und Benutzeransprache voll zum Zuge.

Realitätsnahe Namen für besseren Durchblick

Der zusätzliche Lohn für das Unternehmen bei diesem integrativen Ansatz: Ressourcen- und Benutzernamen müssen unabhängig von der Verwendung nur einmal im Netz gepflegt und aktualisiert und im Bedarfsfall am Helpdesk auch nur einmal nachvollzogen werden.

Doch auch das beste Verzeichnissystem und ein Serviceintegrierender Ansatz nutzen nichts, wenn für den Netzadministrator nicht im Rahmen eines Betriebskonzepts verbindliche Regeln für Namenszuweisungen definiert und dokumentiert sind: etwa die Forderung, "sprechende" und damit ausreichend lange Bezeichnungen bei der Benennung von Ressourcen, Diensten und Benutzern zu verwenden. Dazu gehört auch die Verwendung von Umlauten und Sonderzeichen, um die Objekte im Netz mit realitätsnahen Namen zu bezeichnen.

Geregelt sein muß auch die Vergabe von Attributen. Gerade darin steckt ein Potential, das viele Unternehmen verschenken. So sollten jedem logischen Benutzernamen als Attribute die Abteilung, Funktion, Telefon- und Faxnummer zugeordnet sein. Diese Merkmale helfen dann, den jeweiligen Benutzer innerhalb der Organisation am Helpdesk rasch zuzuordnen und zu klassifizieren und ebensoschnell anzusprechen.

Auch einzelne Netzressourcen sollten durch die gezielte Vergabe von Attributen näher gekennzeichnet werden, um sie später am Helpdesk schnell aufzufinden, ihre Funktionalität erkennen und bei Bedarf gezielt mit Supportleistungen ansprechen zu können. Dazu gehören bei Endgeräten wie Drucker, Fax, Modem und PC die Abteilung, die Art des Geräts und die Telefon- und Faxnummer des Lieferanten.

Diese Richtlinien lassen sich allerdings nur dann umsetzen, wenn die Namenssyntax des Verzeichnissystems eine ausreichende Feldlänge vorsieht, die Vergabe von Umlauten und Sonderzeichen einräumt und eine Vielzahl an festgelegten und frei definierbaren Merkmalen zuläßt.

Also auch bei der Vergabe von logischen Objektnamen und Attributen ist das leistungsfähige Verzeichnissystem mit seiner gut durchdachten Namenssyntax letztlich der Schlüssel zu schnellen und gezielten Supportreaktionen im Netz und damit zu einem deutlich wirtschaftlicheren Netzbetrieb.

Die Kunst, die Wirtschaftlichkeit des Netzes zu erhöhen, besteht außerdem darin, dem Benutzer die Komplexität des Netzes weitgehend zu ersparen. Dazu sollten an jeden PC nur die Programme bereitstehen, die dort tatsächlich nötig sind. Alle anderen Anwendungen sollten erst gar nicht unter der grafischen Oberfläche erscheinen, um keine falschen Erwartungen zu wecken. Gleiche Aktualitätszustände der Programme auf allen PCs sowie eine weitgehend einheitliche Bedieneroberfläche für alle User sind weitere Mittel, um die Komplexität des Netzes und damit den Aufwand in puncto Supportleistungen drastisch zu reduzieren.

Alle Programme von zentraler Stelle aus über das Netz zu installieren ist eine Methode, um den von den Anwendern initiierten Softwarewildwuchs zu bekämpfen. Regelmäßige Checks der installierten Softwarebasis auf Neuzugänge und kategorisches Löschen unnötiger Programme helfen zusätzlich, die Programmvielfalt im Netz und damit gleichzeitig die Betriebskosten auf ein gesundes Maß herunterzuschrauben.

Darüber hinaus sollte in Unternehmen mit Client-Server-Applikationen über die Entflechtung von Anwendungen nachgedacht werden, um Dominoeffekte im Fehlerfall einzugrenzen und die Kosten zu reduzieren. Hier kann eine gezielte Replikation von Programmen und Daten weiterhelfen. Automatische Softwareverteilung und Konfigurationsprüfung sind Ansätze, die dazu dienen, die Komplexität des Netzes zu verringern und den Support- sowie den Verwaltungsaufwand zu verkleinern.

So gerüstet, kann es an die Organisation des Helpdesks gehen. Dabei lohnt es sich, die Anforderungen an den Support erst einmal aus Benutzersicht zu durchleuchten.

Der Anwender wird dafür plädieren, daß das Supportpersonal im Notfall immer für ihn erreichbar ist. Dazu gehört, daß viele Wege zum Helpdesk führen - Telefon, Telefax und E-Mail -, um gegen Ausfälle einzelner Kommunikationsverbindungen gefeit zu sein. Zudem wird er im Fehlerfall vom Helpdesk schnelle Hilfe erwarten - eine Response-Zeit, die dennoch von den Kosten her für das Unternehmen vertretbar sein muß.

60 Prozent der Probleme sofort lösen

Eine grobe Analyse der bisherigen Fehlerzustände gestattet es, das richtige Verhältnis zwischen Benutzer beziehungsweise Desktop und angemessenen Antwortzeiten zu finden. So sollte der Helpdesk rund 60 Prozent der Anfragen sofort beantworten können. Wie kompetent der Mitarbeiter am Helpdesk dazu sein muß, hängt letztlich ebenfalls von der Grobanalyse der vergangenen Fehlerereignisse ab.

Die übrigen 40 Prozent leitet der Helpdesk an die Spezialisten im Hintergrund weiter oder bearbeitet sie in ruhigeren Zeiten am Helpdesk weiter. Bei Fehlern hoher Priorität sollte die Antwortzeit maximal eine Viertelstunde betragen.

Formulargestützte Fehlermeldungen können die Kommunikation zwischen Benutzer und Helpdesk vereinfachen und damit Response-Zeiten verkürzen. In Formularen werden Fehlermeldungen und -beschreibungen zu verbindlicheren Aussagen, die der Helpdesk besser verstehen, genauer bewerten und schneller klassifizieren kann. Wie professionell die Kommunikation dabei ablaufen kann, beweist "Beyond Mail" von Coordinate.Com: Hier werden mit dem Formular für eine schnelle Fehlerrecherche die relevanten Konfigurationsdateien und BIOS-Werte im Hintergrund gleich mitübertragen.

Die Anrufe nach Prioritäten staffeln

Eine professionelle Call-Abwicklung am Helpdesk ist jedoch erst dann gewährleistet, wenn wichtige Systemfunktionalitäten gegeben sind. Dazu gehört, daß ein Helpdesk-System Anrufe, Faxe und E-Mails automatisch erfaßt. Zudem muß es in der Lage sein, eingehende Calls in mindestens fünf Klassen nach Prioritäten zu ordnen. Damit weniger brisante Anfragen über die Zeit nicht verlorengehen, sollten alte Probleme über eine Zeitkopplung automatisch höher priorisiert werden und damit reaktivierbar sein.

Zu einer schnellen Hilfe im Bedarfsfall gehört auch, daß sich der Mitarbeiter am Helpdesk direkt auf den Benutzer-PC aufschalten kann, um dort nach dem entsprechenden Fehler zu suchen. Eine direkte Verbindung zur Inventar- und Konfigurationsdatenbank muß die Funktionalität des Helpdesk-Systems abrunden, wobei die Inventardatenbank über die Inventarisierung automatisch gefüllt werden sollte.

Doch auch wenn all die gesamten Voraussetzungen erfüllt sind, ist speziell für mittelständische Unternehmen schwierig, ein Netz wirtschaftlich zu betreiben. Das hat vor allem personelle Gründe. Ein Systemspezialist ist teuer und bei einer geringen Netzgröße zudem oft nicht ausgelastet. Ihn gleichzeitig mit mehreren Aufgaben, etwa der Netzwerkverwaltung und der Bedienung des Helpdesks, zu betrauen zahlt sich allerdings nur in den wenigsten Fällen aus. Eine solche Bereichsüberschneidung geht meist auf Kosten der Konzentrationsfähigkeit dieses Mitarbeiters und mindert damit die Qualität der internen Dienstleistungen. Außerdem fühlt er sich womöglich schnell wieder überlastet.

In dieser Situation zahlt es sich oft aus, die Kosten und die Qualität des internen Spezialistendiensts mit den Serviceleistungen von Outsourcern zu vergleichen. Werden wichtige Vertragspunkte wie Diensteumfang und -qualität, Response-Zeiten und Eskalationsmuster sowie Penalties und Rückzugsmöglichkeiten aus dem Vertrag bei einer eventuell unzureichenden Erfüllung des Services schriftlich festgehalten, kann ein Outsourcing von Netzdienstleistungen eine lohnende Alternative zum selbstbetriebenen Netzwerk sein.

Angeklickt

Die Einrichtung eines Helpdesk ist immer der letzte Schritt. Davor müssen die Analyse des Ist-Zustands der gesamten DV in einem Unternehmen und eine Festlegung des Soll-Zustands stehen. Bei diesen Vorarbeiten lassen sich oft schon teure Organisationsmängel beheben. Ein Punkt mit enormem Einsparungseffekt ist die Auswahl des Netzwerk-Betriebssystems, insbesondere die Frage nach dem Verzeichnissystem. Schließlich ist es notwendig, den Softwarewildwuchs auf den PCs zurechtzustutzen. Erst danach lohnt es sich, die Anforderungen an den Helpdesk zu erforschen und festzulegen.

*Michael Schmidt ist Geschäftsführer der Cornet Gesellschaft für Kommunikations-Dienstleistungen mbH in Idstein.