Weichensteller Bösenberg

04.09.1981

Zugegeben: Die Modalitäten der Personalverschiebung bei der IBM Deutschland zeigen deutlich, daß die Stuttgarter in einer Topmanagement-Krise stecken. Doch gegenüber Palastrevolutionen, wie sie bei anderen Computer-Herstellern stattgefunden haben, nimmt sich das Böblinger Spektakel verhältnismäßig harmios aus.

Die dritte Organisationsänderung innerhalb von neun Monaten hat die IBM-Oberen nicht den Kopf, schlimmstenfalls eine Litze gekostet sicher auch einige Punkte im IBM-internen Moral-lndex, der jetzt auf einen neuen Tiefststand gefallen ist.

Das für seine smarten PR-lnszenierungen bekannte DV-Unternehmen braucht freilich nicht zu fürchten, daß ihm der Almauftrieb mit Sparberg-Prämierung draußen Abbruch tut. Unter Professor Walther A. Bösenberg, so die offizielle Lesart, gibt es jetzt einen "Vize-General": Die IBM Deutschland ist auch organisatorisch auf Zukunft programmiert (Originalton).

Ob diese Story freilich reicht, die IBM-Vertriebsmannschaft zu motivieren? Verunsichert durch das schönfärberische Announcement des Michel-Comebacks und der Vize-Nominierung, so wollen Insider wissen, fragten viele Mitarbeiter nach dem Sinn der Sache.

Einige Ungereimtheiten gäbe es da schon. Schließlich sei Michel "planmäßig" auf seinen alten Posten zurückgekehrt, wußte man auch, daß Sparberg keine Rückkehradresse in seinen originären Finanzbereich habe. Folglich habe der Anlaß einen derartigen Werbeaufwand eigentlich nicht erfordert.

Ergebnis: Aufgeschreckt durch die gequälte Personalia-Meldung, beginne die Basis zu murren. Preis für die "Vize"-Konstruktion: Unruhe bei den Mitarbeitern der DV-Bereiches.

Wäre früher die Reaktion auf eine Änderung im IBM-Führungsteam anders ausgefallen? Sicher. Aber momentan ist derMarktführer auch marktmäßig nicht auf Rosen gebettet.Ergo sind es nur vordergründig Personalprobleme, die IBM drücken. Die Ursache für die allgemeine Nervosität ist unschwer zu erraten: Die IBM Deutschland dürfte beträchtliche Schwierigkeiten haben, ihren Plan in diesem Jahr zu erfüllen - darüber täuschen auch positive Firmenberichte nicht hinweg.

Schwer tut sich "Big Blue" in nahezu allen Unternehmensbereichen. Grund: Es fehlen Produkte, mit denen der Vertrieb reichlich Umsatz realisieren kann, die vorhandenen Maschinen lassen die Vertriebsbeauftragten nicht "heiß" werden. Beispiel eines solchen Problemproduktes: Das Informationssystem 8100. Es fliegt nicht, wird auch nach dem jüngsten Reannouncement nicht fliegen. Selbst IBM-lnsider finden, daß das DDP-Gerät kaputtgeredet wurde, vor allem von der eigenen Vertriebsmannschaft.

Wo aber sind die neuen Produkte? Etwa die langersehnten Bankenterminals? Der Vertrieb braucht sie, um durchschnaufen zu können.

So ist die IBM-Welt auch nach dem 1. September nicht in Ordnung. Was wurde erreicht? Sparberg sitzt auf einem Job, den es bisher in der IBM Deutschland nicht gab. Diese Konstruktion, die Michel als Leiter Datenverarbeitung in der Hierarchie zurückstuft, betrachten Kenner des Computerriesen als eine Abwertung der wichtigsten IBM-Umsatzsäule. Branchenauguren schließen daher nicht aus, daß es sich um eine Verlegenheitslösung handelt, die Bösenberg in Zugzwang setze, definitiv einen Nachfolger bekanntzugeben. Der Finanzmann Sparberg, wird gemunkelt, sei trotz des Vize-Titels nicht automatisch der sichere Bösenberg-Nachfolger, auch wenn dies nach offiziöser IBM-Sprechart so verstanden

werden soll. Lassen wir uns überraschen.