Maschinendatenerfassung verfeinert Steuerungsfunktion der Betriebsdatenerfassung (BDE):

Weiche Wolle via BDE flexibel verarbeitet

11.11.1988

MAULBURG (pi) - Aktuelle Ist-Daten sind das A und O eines gleichermaßen flexiblen wie effektiven Produktionsprozesses. Eine spezielle Maschinendatenerfassung kann eine herkömmliche Betriebsdatenerfassung (BDE) so weit verfeinern, daß es schließlich zu einer optimalen Auslastung des gesamten Betriebs, und das heißt eben auch zu einer Feinsteuerung der technischen Anlagen, kommen muß. Im folgenden geht es um die Verarbeitung des empfindlichen Haarkleids des Angora-Kaninchens.

Ein Unternehmen, das sich bei der Planung seines Produktionsablaufs auf besonders aktuelle Informationen aus der Produktion stützen muß, ist die Textilfirma Medima-Werke Karl Scheurer KG aus Maulburg. Das sehr empfindliche Naturprodukt Angora, das dort zu Wäsche und Damenoberbekleidung verarbeitet wird, stellt hohe Anforderungen an die Planungs- und Steuerungsabteilung der Firma. "Bei Angora haben wir es mit einem Naturprodukt zu tun, das je nach Herkunftsland unterschiedlich beschaffen ist", erklärt Klaus Schwald, Leiter der Planung und Steuerung. "So reagiert Rohmaterial aus China unter Umständen anders als Material aus Südamerika und benötigt dementsprechend andere Bearbeitungszeiten. Dadurch wird die Planung für uns recht schwierig." Besonders während des Veredelungsprozesses muß das Material immer wieder geprüft und genauestens beobachtet werden.

Um exakte Zahlen zu erhalten, wurde jetzt eine elektronische Maschinendatenerfassung eingeführt.

Refa-Untersuchung gab den Anstoß

Das Maulburger Unternehmen arbeitet bereits seit den siebziger Jahren DV-gestützt. Aber erst eine Refa-Untersuchung im Jahre 1985 gab den Anstoß zur Maschinendatenerfassung. Sie zeigte, daß Arbeitspläne und Leistungsabrechnung im Soll-Ist-Vergleich nicht immer zusammenpaßten. Die Abweichtoleranzen waren zu groß, der Kapazitätsrhythmus stimmte nicht. Mal war die Produktionsauslastung zu hoch, so daß Zusatzschichten gefahren werden mußten, dann wieder zu gering. Außerdem wurden die vorhandenen Potentiale in der Gewichtsoptimierung wie auch bei den Laufzeiten nicht voll ausgeschöpft. "Um den Durchfluß zu optimieren, brauchten wir für unsere Kapazitätssteuerung eine Ist-Erfassung der Maschinendaten vor Ort", erläuterte Klaus Schwald. Erwünschter Nebeneffekt: Die Produktionsdatenerfassung liefert Basisinformationen über den "Arbeitsvorrat" beim Material und schafft gleichzeitig die Voraussetzung für eine exakte Leistungsentlohnung.

Aufgrund der Refa-Erkenntnisse wurde Ende 1985 ein detailliertes Pflichtenheft erstellt. Oberste Maxime: "Nicht der Mensch hat sich an die Organisation anzupassen, sondern die Organisation an den Menschen." Nach Ausarbeitung der Unterlagen wurden Angebote von verschiedenen Herstellern eingeholt. Die Entscheidung fiel schließlich bei der Hardware für Benzing, da sich mut dem Schwenninger Anbieter die individuellen Wünsche von Medima am besten und kostengünstigsten verwirklichen ließen.

Im Herbst 1986 war die Planungsphase abgeschlossen. Installiert wurden drei Maschinenterminals Bemat 960 mit jeweils bis zu vier angeschlossenen Produktionsmaschinen, die über einen Terminal-Server online an einen PC angeschlossen wurden. Zweimal täglich werden die im PC gespeicherten ausgewerteten Maschinendaten an den Host-Rechnern IBM 4381 übertragen und die Objektdaten der zentralen Disposition vom Host auf den PC per download übermittelt. Als Schnittstellen zum Großrechner dient eine Irma-Karte im PC. Die Benzing Software Betrans 9 wird als Datenkommunikation zu den Terminals eingesetzt. So liefern Auftrags-, Schicht- und Tagesprotokolle allen Führungskräften - Meistern, Abteilungsleitern und Betriebsleitern - diejenigen aufbereiteten Informationen über Nutzeffekte und Gründe für Unterbrechungen, die sie auf ihrer Ebene benötigen. Die Anwendersoftware entwickelten Mitarbeiter von Medima. Sie beinhalten vier Hauptmodule:

- Verwaltung der Betriebsdaten

- Auswertungsprogramme

- Verwaltung der Aufträge (Zuordnen der Stoffbündel)

- Kommunikation zum Host-Rechner

Testphase erhöhte die Akzeptanz

Nachdem die Maschinenterminals an den entsprechenden Maschinen installiert waren, begann zunächst eine Testphase, um "Kinderkrankheiten" auszuschalten und die Mitarbeiter intensiv zu schulen. "Am Anfang standen doch einige Mitarbeiter dem System reserviert gegenüber", gibt Klaus Schwald zu. Aber die Skepsis legte sich bald, als die Vorteile erkennbar wurden. Die Bedienerführung der Terminals erleichtert dabei die Einarbeitung der Mitarbeiter wesentlich. In der Zwischenzeit sind die Terminals in der Abteilung "Veredelung" nicht mehr wegzudenken und werden gerne von den Mitarbeitern benutzt. "Heute äußern die Leute sogar Wünsche, welche Daten noch ausgewertet werden könnten und als Arbeitshilfen verfügbar sein sollten."

Anschaffungskosten haben sich amortisiert

Nach dem Probelauf im letzten Jahr ist die Anlage vollständig in Betrieb. Schon jetzt zieht der Leiter der Planung und Steuerung Schald Bilanz: "Die Maschinendatenerfassung hat sich zu einem hervorragendem Führungsinstrument entwickelt. Durch die verschiedenen Protokolle sehen wir sofort, wo Schwachstellen sind, zum Beispiel wo das Potential einer Maschine nicht ausgenützt wurde." Dadurch lassen sich Ursachen besser erkennen und Fehler schneller beheben. Betriebswirtschaftlich sind die Auswirkungen frappierend: "Allein bei der Gewichtsoptimierung hat die Einführung der Maschinendatenerfassung eine Produktivitätssteigerung von zirka zehn Prozent gebracht." So hat sich das System für Medima schon jetzt ausgezahlt. "Wenn wir die Anschaffungskosten des Systems den Produktivitätssteigerungen in den verschiedenen Bereichen gegenüberstellen, so haben sich die Kosten innerhalb kürzester Zeit amortisiert."

Hardware-Konfiguration

Host-Rechner: IBM 4381

Vorverarbeitung auf einem PC der AT-Klasse

Terminal-Server: Benzing TS 986

Maschinenterminal: Benzing Bemat 960

Das Maschinenterminal Bemat 960 ist für universelle Maschinendatenerfassung konzipiert. Über Digitaleingänge wird es an die Maschine angeschlossen, alle direkt anfallenden Geberinformationen wie Stückzahlen, Produktions- und Stillstandszeiten werden automatisch erfaßt. Bei einem Stillstand erkennt das Terminal automatisch oder durch manuelle Eingabe der Störgrund. Bis zu vier Maschineneinheiten lassen sich jeweils an ein Terminal einschließen. Durch einen integrierten Pufferspeicher kann das Maschinenterminal auch im Stand-alone-Betrieb eingesetzt werden. Barcode-Leser erlauben eine Belegorganisation der Arbeitspapiere mit Barcode.