WAN-Switch-Systeme unter die Lupe genommen

Wege zur Kostensenkung im Corporate Network

15.11.1996

Um Corporate Networks wirtschaftlicher betreiben zu können, muß eine ganze Reihe von Faktoren betrachtet werden. Bereits eine verbesserte Leitungsstruktur kann Kosten senken helfen. Oft kommen innerhalb des Unternehmens oder Konzerns parallele Netze zum Einsatz. Mit deren Zahl steigt jedoch auch die Summe der teuer zu bezahlenden Leitungsverbindungen.

Wenn man Marktinsidern glauben darf, so wird heute im Schnitt mehr als die Hälfte der Kosten für ein Weitverkehrsnetz durch Leitungsgebühren verursacht. Der Wechsel von einer Sterntopologie zu einer hierarchischen Struktur mit mehreren Netzebenen und das Formieren der WAN-Switch-Systeme zu einem Multiprotokoll-Backbone ist demgegenüber eine wirtschaftlichere Lösung, die viele Leitungsverbindungen und damit hohe Gebühren erspart.

Gleichzeitig hält mit diesem Integrationsansatz unternehmensweite Kommunikation im Firmenverbund Einzug, weil bisher getrennte Netze via Backbone zu einem Gesamtnetz integriert werden. Natürlich muß der WAN-Switch dazu in der Lage sein, die unterschiedlichen Protokolle, die im Unternehmen zum Einsatz kommen, parallel zu verarbeiten.

Daneben eröffnet ein Multiprotokoll-Backbone dem Unternehmen aber noch weitere Kostenvorteile: Die gesamte Netzarchitektur läßt sich so von einer zentralen Stelle aus effektiver überwachen, verwalten und warten. Gleichzeitig steht somit ein Trägernetz zur Verfügung, über das alle angeschlossenen Unternehmenseinheiten in Übereinstimmung Entwicklungen im Netzbereich vorantreiben können. Also winken dem Unternehmen hier weitere Einsparungen.

Natürlich muß die Bandbreite zwischen den WAN-Switch-Systemen ausreichend groß dimensioniert werden, beispielsweise mit S2M-Verbindungen (2 Mbit/s), um den gesamten Unternehmensverkehr aufnehmen zu können. Diese Bandbreite muß intelligent verwaltet werden, denn der WAN-Switch ist mit unterschiedlichen Verkehrsprofilen konfrontiert. So tritt Datenverkehr typischerweise Burst-artig auf. Sprache hat hingegen ein gleichförmiges Profil und muß verzögerungsfrei übertragen werden, um Sprachaussetzer am Endgerät auszuschließen. Das gleiche gilt für die Übertragung von Video. Die verfügbare Bandbreite der Verkehrsform angemessen zu verwalten ist jetzt der Hebel, um über den WAN-Switch die ISDN-Gebühren auf ein Mindestmaß zu drücken.

Grundsätzlich stehen zwei Bandbreitenverwaltungs-Verfahren zur Verfügung: statisches Bandbreiten-Multiplexing und dynamische Verwaltung der Bandbreite. Bei ersterem Verfahren werden einzelnen Kommunikationsströmen bestimmte Bandbreiten fest zugeordnet. Diese bleiben auch dann geschaltet, wenn keine Informationen übertragen werden. Hier stellt eine dynamische Verwaltung der Bandbreiten eine wesentlich wirtschaftlichere Alternative dar: Nur dann, wenn auch Übertragungsbedarf besteht, wird entsprechende Bandbreite freigemacht. Nach der Übertragung steht die gesamte Leitung sofort wieder anderen Anwendungen zur Verfügung. Darüber hinaus werden die zu übertragenden Informationspakete auf der Verbindung optimal geschachtelt und damit zusätzlich Bandbreite eingespart. Weil einzelnen Kommunikationsströmen im WAN-Switch verschiedene Prioritäten zugewiesen werden können, sind zudem die Voraussetzungen für unterschiedliche Übertragungsdienstgüten ähnlich QOS (Quality of Service) bei ATM geschaffen, um Sprache, gegebenenfalls Video, bevorzugt zu übertragen.

Eine höhere Sprachqualität und damit effiziente Kommunikation zwischen den Teilnehmern im Corporate Network hat das Sprach-Routing zum Ziel. Es kann aber nur dann wirkungsvoll zum Zuge kommen, wenn die TK-Anlagen untereinander vermascht sind.

Vorteile vernetzter TK-Anlagen

Bei reinen Punkt-zu-Punkt-Verbindungen erfolgt keine Interpretation des ISDN-Signalisierungsprotokolls (D-Kanal) - die Verbindungen werden in diesem Fall lediglich transparent durchgeschaltet. Sind die TK-Anlagen untereinander vernetzt, können einzelne Signalisierungsprotokolle vom WAN-Switch interpretiert und damit der Sprachverkehr vom WAN-Switch durchs Corporate Network geroutet werden.

Die Fähigkeit, Routing-Entscheidungen jetzt autonom im Corporate Network treffen zu können, erspart Mehrfach-Schnittstellen in den TK-Anlagen. Es lassen sich somit insbesondere in komplexen Netzen erhebliche Gebühreneinsparungen erreichen. Gleichzeitig vereinfacht sich die Administration der Leitungsanschlüsse, weil wesentlich weniger Schnittstellen in den TK-Anlagen überwacht und verwaltet werden müssen.

Zudem erschließen sich dem Anwender über Sprach-Routing und die Interpretation von Signalisierungsprotokollen netzweit ISDN-Leistungsmerkmale wie Wahlwiederholung, Anrufweiterleitung, Konferenzschaltung und Voice-Mail, die helfen, den Unternehmensalltag einfacher und damit effektiver zu gestalten. Natürlich muß der WAN-Switch dazu die unterschiedlichen Signalisierungsprotokolle verstehen. Je mehr proprietäre TK-Anlagen im Einsatz sind, um so mehr Signalisierungsprotokolle muß der WAN-Switch beherrschen, um die Investitionen in die bestehenden TK-Systeme abzusichern.

Enorme und für das Unternehmen direkt nachvollziehbare Einsparungspotentiale birgt auch das Least-cost-Routing. Nicht nur, daß hierzu fähige WAN-Switch-Systeme für jedes Telefongespräch oder Fax immer den gebührengünstigsten Weg durchs Corporate Network wählen - eine im WAN-Switch gespeicherte Tarifzonentabelle des Carriers ermöglicht darüber hinaus auch die Anwahl des kostengünstigsten Weges zu Teilnehmern außerhalb des Corporate Network. So können beispielsweise interne Telefonate und Faxe mit dem Ziel südliches Bayern im Austrittsknoten "München" zusammengefaßt und von dort über externe Verbindungen verteilt werden. Des weiteren besteht die Möglichkeit, interne Auslandstelefonate und -faxe an einem zentralen Punkt im Corporate Network zusammenzuführen, um sie von dort aus über einen kostengünstigen Carrier zu übertragen.

Insbesondere die Sprachübertragung über die Leitungen des Corporate Network birgt ein erhebliches Sparpotential. Durch den Einsatz wirkungsvoller Komprimierungsverfahren reicht oft die gleiche Bandbreitenkapazität wie bei einer reinen Datenübertragung aus, um sowohl Telefonate als auch Faxe parallel über dieselbe Verbindung zu übermitteln. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, daß die WAN-Switch-Systeme von vornherein auf die parallele Übertragung von Sprache vorbereitet werden, damit bei einer nachträglichen Integrierung keine unnötigen Kosten entstehen.

Während für ein normales Telefonat ein 64-Kbit/s-Kanal zur Verfügung stehen muß, können durch den Einsatz des Sprachkomprimierungs-Verfahrens LD-CELP (Low Delay - Code Exited Linear Prediction Coding) gleich vier Telefonate über denselben Kanal mit guter Gesprächsqualität abgewickelt werden. Alternativ können Anwender zwei Telefonverbindungen und eine Datenverbindung über den 64-Kbit/s-Kanal führen. Die Qualität der Sprachausgabe geht über die subjektive Empfindung, mehr oder weniger störungsfrei mit dem Gesprächspartner zu kommunizieren, hinaus.

So benutzt die International Telecommunication Union Telecommunications (ITU-T) das Bewertungsmaß Mean Option Score (MOS), dessen Skala von 1 (schlecht) bis 5 (exzellent) reicht.

Mit LD-CELP auf 16 Kbit/s Bandbreite komprimierte Sprache erreicht beispielsweise einen Wert zwischen 4 und 5. Dieses Komprimierungsverhältnis mit LD-CELP entspricht auch der ITU-T-Empfehlung G.728. Wird im Vergleich dazu mit ADPCM (Adaptive Differential Pulse Code Modulation) auf das gleiche Bandbreitenmaß komprimiert, wird in der MOS-Skala lediglich ein Wert von 2,5 erreicht.

Was für die Sprachübertragung gilt - bandbreitensparender Transfer und Bedienungskomfort - muß auch für das Senden von Faxen gelten. Dazu muß der WAN-Switch zunächst einmal anhand der ISDN-Diensteerkennung Fax- und Modemgeräte voneinander unterscheiden können. Mit einem statistischen Übertragungsverfahren kann dann der Durchsatzbedarf beispielsweise eines Faxanschlusses der Gruppe 3 auf 9,6 Kbit/s beträchtlich reduziert werden, so daß der Faxverkehr auf nahezu jeder Verbindung problemlos Platz findet.

Vergleichbares gilt für die Integration von Modems, die an TK-Anlagen angeschlossen sind.

Harmonie über alle hierarchische Ebenen

Doch alle Leistungsträger für wirtschaftliche und effektive Kommunikationsprozesse können nur dann zum Zuge kommen, wenn die Architektur des Corporate Network insgesamt sinnvoll gestaltet ist und sich alle Komponenten wie WAN-Switch-Systeme, Verbindungsmodule und TK-Anlagen nahtlos zu einer systemtechnischen Einheit über alle drei hierarchischen Ebenen (Zugang, Verteilung und Backbone) ergänzen. Nur so kommen die Kosten- und Leistungsvorteile voll zum Tragen. Diese Strukturierung des Netzes erleichtert zudem die Systemauswahl, weil Kapazitäts- und Verbindungsanforderungen bei der Auswahl der WAN-Switch-Systeme und Module transparenter werden. Wer zudem auf eine durchgängige Produktfamilie setzt, hat wichtige Weichen für sichere, wirtschaftliche und effektive Kommunikationsprozesse im Corporate Network gestellt.

Mit dieser Drei-Ebenen-Hierarchie werden letztlich auch die Voraussetzung für klare Zuständigkeiten innerhalb des Corporate Network und ein effektives Netzwerk-Management der kompletten Netzinfrastruktur geschaffen. Besonders effektiv ist die Administration des Netzes dann, wenn WAN-Switch-Systeme, TK-Anlagen und Router-Systeme gemeinsam an der Konsole eingeblendet und von dort überwacht und verwaltet werden können. Die fünf Werkzeuge dazu sind nach OSI (Open System Interconnection): Konfigurations-, Fehler-, Leistungs- sowie Sicherheits- und Abrechnungs-Management.

Argumente für ein sicheres und damit wirtschaftliches Corporate Network liefern die einzelnen Funktionsbereiche selbst: Über das Konfigurations-Management kann das Corporate Network einfach durch grafische Abstimmung der Komponenten wie der WAN-Switch-Systeme eingerichtet und erweitert werden. Das Fehler-Management zeigt dem Operator kritische Situationen auf dem Bildschirm an. Mit ausgeprägten Analysefunktionen der OSI-Ebenen 1 bis 3 werden Netzprobleme frühzeitig transparent. Der Operator kann damit schnell in Fehlersituationen eingreifen oder Servicetechniker alarmieren.

Über das Leistungs-Management werden die Lasten auf den Verbindungen statistisch erfaßt. Der Administrator hält damit aussagefähiges Material in Händen, um sein Netz besser konfigurieren oder gezielt erweitern zu können, bevor es zu Übertragungsengpässen kommt.

Auch Ausfallschutz ist wichtig

Das Sicherheits-Management ermöglicht dem Administrator, Daten, Programme und Systeme einzelner Netzbereiche gezielt vor unerlaubten Zugriffen abzuschotten. Dazu kann er beispielsweise bestimmte Benutzerprofile definieren und/oder bestimmte Bereiche als VPNs (Virtual Private Networks) festlegen. Das Abrechnungs-Management schließlich ermöglicht die Verrechnung von Sprach- und Datendiensten innerhalb des Corporate Network, damit die Kosten gezielt den zuständigen Stellen im Unternehmen zugewiesen werden können.

Letztlich kommen effiziente und kostensparende Kommunikationsprozesse im Corporate Network aber nur dann voll zur Geltung, wenn das Netz weitgehend gegen Ausfälle gesichert ist. Wie wichtig eine hohe Verfügbarkeit des Gesamtsystems und wie katastrophal Ausfälle für das Unternehmen letztlich sein können, macht eine Studie von Dataquest deutlich. Die Marktforscher beziffern den jährlichen Schaden durch Netzausfälle in den 1000 größten US-Unternehmen im Schnitt auf 7,5 Millionen Dollar. Und eine Studie der Debis Systemhaus Recovery Service GmbH, München, kommt zu dem Ergebnis, daß bei rund 25 Prozent der Firmen bereits nach einem bis drei Tagen Netzausfall die Existenz gefährdet wäre.

Eine Methode, um eine hohe Verfügbarkeit des Unternehmensnetzes zu erreichen, stellt eine ISDN-Backup-Schaltung dar, durch die der tägliche Leitungsverkehr gleich in doppelter Hinsicht abgesichert wird. Fällt die Primärleitung aus, übernimmt sie automatisch den Datenverkehr - allerdings muß dazu der WAN-Switch das Rerouting über alternative Wege beherrschen. Auch als Zweitverbindung bei Übertragungsüberlast steht die ISDN-Backup-Verbindung zur Verfügung, um Transfer-Spitzen abzufedern und damit Wartezeiten an den Endgeräten oder gar Datenverluste durch überlaufende Puffer auszuschließen. Dies lohnt sich auf jeden Fall für ein Unternehmen, denn so muß nur die tatsächlich in Anspruch genommene Übertragungsleistung bezahlt werden. Als Backup-Strecke kann eine ISDN-S0- oder S2M-Verbindung dienen, alternativ für kleinere Standorte eine X.25- oder Modem-Verbindung.

Zweite Voraussetzung für eine hohe Netzverfügbarkeit ist die Herausbildung von Geräteredundanz im WAN-Switch. Vor allem das Netzteil, der Verwaltungsprozessor und der Bus-Controller sollten doppelt ausgelegt werden können.

So schließt sich über die beschriebenen Leistungsträger im Corporate Network der Kreis potentieller Einsparungs- und Effektivitätspotentiale. Nur wenn der WAN-Switch die komplette Funktionspalette beherrscht, können die erwarteten Einsparungen und der höhere Wirkungsgrad des Corporate Network zum Tragen kommen. Welche Dimensionen die Einsparungs- und Effektivitätspotentiale im Unternehmen letztendlich annehmen können, muß das Unternehmen bei der Planung des Corporate Network selbst herausfinden.

ChecklisteDas sollten WAN-Switch-Systeme bieten:

- Durchgängige ISDN-Technologie in Trunk und TK-Anlage (S0, S2M),

- Multiprotokoll-Unterstützung im Daten- und Sprachbereich,

- Unterstützung unterschiedlicher Übertragungstechniken bis hin zu ATM,

- Unterstützung möglichst vieler ISDN-Signalisierungsprotokolle,

- Sprach-Routing durch Interpretation von ISDN-Signalisierungsprotokollen,

- integrierte Least-cost-Routing-Funktion,

- hochwertige Sprachkomprimierung mit LD-CELP-Verfahren,

- Modem- und Faxintegration,

- automatisches Re-Routing bei Störungen,

- ISDN-Wählverbindungen,

- VPN (Virtual Private Network)-Funktionalität,

- Redundanz zentraler Komponenten,

- flexibler Modulaustausch innerhalb der Produktlinie,

- leistungsfähiges Netzwerk-Management sowie

- kombiniertes Management-System für WAN-Switch-Systeme, TK-Anlagen und Router.

Angeklickt

WAN-Switch-Systeme in Corporate Networks sollten sorgfältig ausgewählt werden, damit die Kommunikation im Unternehmen möglichst effektiv und auch kostengünstig erfolgen kann. Kritische Faktoren hierbei sind unter anderem die Netztopologie, Unterstützung zahlreicher Standards und Protokolle sowie möglichst effektiver Komprimierungsverfahren.

*Jürgen Tusch ist Leiter Produkt-Marketing und Produkt-Management bei der Datus elektronische Informationssysteme GmbH, Aachen.