Weder Fisch noch ISDN

07.04.1989

Die Werbung der Deutschen Bundespost für den Telekom-Dienst ISDN (Integrated Services Digital Network) hat bereits viel Geld gekostet - und noch nichts gebracht. Nicht ohne Witz und Charme heißt es in Anzeigen, die farbenprächtige Zierfische abbilden, diese (sensiblen Fische) im Wandaquarium fühlten sich "besonders in Büros mit ISDN-Anschluß wohl". Und Charme verbreitet auch Minister Schwarz-Schilling, wenn er versucht, die schöne neue Welt der ISDN-Technik in die Anwendungswirklichkeit umzusetzen. Die Bundespost versteht es - die Btx-Kampagne hat dies eindrucksvoll gezeigt -, Illusionen zu schüren und Markterwartungen zu wecken.

Doch was kommt dabei heraus? Den Btx-Absatz als nach wie vor zäh zu bezeichnen, ist sicherlich noch eine charmante Untertreibung. Gleichwohl sind spektakuläre Abstürze, die zu der notwendigen Marktbereinigung im Anbieterlager geführt hätten, bisher ausgeblieben. Bahnt sich bei ISDN der nächste Flop mit enormen Vor-Investitionen für Hersteller und Benutzer-Unternehmen an?

Alles deute darauf hin, so der Postminister, daß es mit ISDN nun zügig voran und aufwärts gehe. Da ist sie wieder, die gelbe Untugend, sich an Illusionen zu klammern. Zu den Irrtümern der Post-Marketiers gehört es, daß sie das ISDN-Motto "Alles über ein Netz" als Anspruch und den Anspruch gleich auch als Realität begreifen. Von großer Marktakzeptanz kann die ISDN-Euphorie naturgemäß nicht kommen. Das Projektgeschäft steckt ja erst in den Anfängen. Sehr wohl aber sehen die großen Unternehmen, entgegen der Postmeinung, daß erhöhte Vorsicht geboten ist.

Was bringt ISDN in der Anwendung? Rechnet sich der Einsatz? Fragen nach dem Nutzen und der Wirtschaftlichkeit sind zu stellen - und zu beantworten -, um zu verhindern, daß die Unternehmen zu Kabelversuchsanstalten werden. Zugegeben: Die digitale Übertragungstechnik, auf der ISDN basiert, stellt sich heute bereits recht überzeugend dar. Doch die großen Hindernisse für einen Informationsmix aus Bildern, Daten, Text und Sprache dürften, wie bei der herkömmlichen Datenkommunikation, in der fehlenden Normung liegen. Darüber hinaus sind die bestehenden Einrichtungen im Bereich der Netze und Endgeräte Barrieren, die der Integration auf breiter Ebene entgegenstellen.

Die Kommunikationsindustrie ist auf dem Holzweg, wenn sie auf Schwarz-Schillingsche Wunder hofft. Allzu offensichtlich wird versucht, Konzeptionslosigkeit mit Schmuse-Marketing zu überdecken. Doch die Anwender haben das Spiel durchschaut und halten sich mit Investitionen im Büro zurück. Derweil mögen sich die Tierhandlungen Gedanken machen, wie sie den Umsatz mit Aquarien samt Zierfisch-Inhalt im Office-Markt noch steigern können. Und an die Adresse der Post: Der Fisch stinkt bekanntlich vom Kopf her.