Anleger sollten auf defensive, zinsreagible Werte setzen:

Wechsel der Favoriten am US-Aktienmarkt

09.08.1985

Die Entwicklung der US-Konjunktur ist in den vergangenen Jahren der wichtigste Einflußfaktor für die Weltbörsen gewesen und wird es bleiben. Nur wegen des starken Kapitalbedarfs, der durch das konjunkturelle Wachstum in den USA entstand, kam es zu der nachhaltigen Aufwertung des US-Dollars. Zur Finanzierung des Aufschwungs verschuldeten sich die USA im Ausland. Dies führte zum Kaufdruck und Kursanstieg. Zur Zeit verschnauft die US-Konjunkturlokomotive.

Die Schätzungen für das Wachstum des US-Bruttosozialproduktes 1985 wurden auf drei Prozent zurückgenommen. Dabei wird unverändert von einer kräftigen Verbesserung während des zweiten Halbjahres ausgegangen. Prognosen, die ein Wachstum von unter 2 Prozent erwarten sind realisierbar.

Eine US-Konjunkturbesserung, die die enorme Neuverschuldung im Ausland noch einmal hochtreibt, und damit zu einem neuen Dollaranstieg führen könnte, ist also nicht in Sicht. Sollte diese Entwicklung in den USA klar erkannt werden, sollte konsequenterweise die Verschuldung in Fremdwährungen zurückgeführt werden. Dazu müssen Auslandswährungen gekauft beziehungsweise Dollar verkauft werden. Dies wird zu einem weiteren Kursrückgang führen. Der jetzige Dollarrutsch ist erst der Anfang. Für Kapitalanleger bedeutet dies, daß er sein Engagement in der Währung reduzieren muß, oder aber das Kursrisiko durch Währungstermingeschäfte absichert.

Verlust abgesichert

Es bieten sich hierbei folgende Methoden an: Terminverkauf des US-Dollars bei einer deutschen Bank. Kosten der Terminabsicherung auf

drei Monate etwa 2,5 Pfennig pro Dollar (etwa 3,5 Prozent annualisiert). Bei einem Dollar-Terminverkauf, der zwölf Monate läuft, betragen die Kosten etwa 10,5 Pfennig (rund 3,7 Prozent annualisiert).

Terminkauf der Mark oder des Schweizer Franken in Chicago. Fällt der Dollar, steigen Mark und Franken entsprechend. Durch den Gewinn beim Terminkauf wird der Verlust bei den gehaltenen Dollarbeständen abgesichert. Kosten: Absicherung bis September 1985, annualisiert knapp 3,2 Prozent, oder beim Kauf der Mark Termin Juni 1986, annualisiert 3,5 Prozent. Die Dollarabsicherung über den Terminkauf von Mark und Schweizer Franken in Chicago ist preiswerter als der Terminverkauf des US-Dollar bei deutschen Banken. Die Spesen bewegen sich zwischen 40 und 110 US-Dollar pro abgesicherte 125 000 Mark beziehungsweise Franken. Termingeschäfte in Chicago können mit Hilfe einer US-Wertpapierbank (Broker) vorgenommen werden. Notwendige Sicherheitsleistungen, die der Kunde zu hinterlegen hat, sind genau definiert. Sollte der Dollar kurzfristig noch einmal ansteigen, kann es notwendig werden, diese Sicherheit zu erhöhen. Hierin liegt der Nachteil des Handels über einen US-Broker. Sollten Sie Dollarpapiere absichern wollen, die bei einer deutschen Bank deponiert sind, so bietet es sich an, die Bonität dieser Wertpapiere mit dem Dollarterminverkauf zu verknüpfen.

Eine weitere Möglichkeit der Absicherung bieten Devisen und Devisenterminoptionen. Handel mit ausreichenden Umsätzen findet nur in Philadelphia und Chicago statt. Zur Absicherung werden Kaufoptionen auf Mark und Schweizer Franken erworben. Genaue Preise und Kosten nennt jeder US-Broker. Die Methode, über Devisenoptionen abzusichern, ist teurer als der Währungsterminkauf. Sie bietet jedoch den Vorteil, daß man sie mehr als den eingesetzten Kaufpreis für die Option verlieren kann.

Extreme Abwertungsgefahr

Die besondere Situation an den amerikanischen Rentenmärkten in den letzten Jahren - sinkender Zins bei steigender Währung - wird sich in absehbarer Zeit nicht wiederholen. Die Regel besagt: Hoher Zins = schwache Währung. Hoher Zins in einer starken Währung würde einen sofortigen Zufluß von Auslandsgeldern mit der Folge wachsender Liquiditätsversorgung und sinkender Zinsen nach sich ziehen. Es ist deshalb falsch, eine Alternative zu den Dollaranleihen in Schwachwährungsanleihen zu suchen. Zu diesen Anlageländern gehören Dänemark, Frankreich, Italien, Australien oder Neuseeland.

Die jüngste Abwertung der italienischen Lira hat einmal mehr deutlich gemacht, welche extreme Abwertungsgefahren auf die Dauer für Schwachwährungen bestehen. Lediglich die starken Bewegungen des US-Dollars haben die Aufmerksamkeit lange von den europäischen Währungsmärkten abgelenkt. Die Lira-Abwertung ist erst der Anfang einer Entwicklung, an deren Ende insbesondere die Mark und der Schweizer Franken deutlich aufgewertet sein werden. Dies gilt auch gegenüber dem japanischen Yen, da Japan sehr viel stärker vom Export in den Dollarraum abhängig ist als die traditionellen europäischen Exportnationen, die im Bereich der EG ein kräftiges Absatzbein besitzen.

In den vergangenen zwei Jahren wurden die sogenannten "Zinsdifferenzgeschäfte" von den Anlagevermittlern, deren Felle im steuersparenden Immobilienbereich davonzuschwimmen begannen, begierig aufgegriffen. Begonnen hatte diese Entwicklung mit kurzfristigen Zinssätzen in den USA von über 20 Prozent. Dabei wurde ähnlich wie bei den Null-Coupon-Anleihen (Zero Bonds) mit Jahrzehnten Laufzeit gerechnet und dem Anleger vorgespiegelt, daß sogar bei extremem Verfall ausländischer Währungen noch eine bessere Verzinsung als bei inländischen Obligationen erzielt werden kann. Regelmäßig verschwiegen wurde, daß die erzielten Zinsen steuerpflichtig sind, während die Währungskursverluste bei langfristigen Anlagen nicht von der Steuer abgesetzt werden können. Die Finanzverwaltung rechnet die Anschaffungskosten der Papiere in Mark. Dies gilt auch für die Veräußerungskosten. Liegen zwischen Ankauf und Verkauf mehr als sechs Monate, sind Wertpapierkurs- und Währungskursverluste nicht absetzungsfähig.

Wer bei deutlich tieferem Dollar und höherer Zinsdifferenz solche Geschäfte zu Lasten Schweizer Franken eingegangen ist, sollte trotz der langfristigen Konzeptionen aus dem Buchgewinn ein echtes Geschäft machen und die Dollarobligationen sowie den Dollar verkaufen, um den Schweizer Frankenkredit zu tilgen. Anleger, die durch die Verringerung der Zinsdifferenz und das Abbröckeln des US-Dollars beziehungsweise den Anstieg des Schweizer Franken einen Verlust erzielt haben, müssen diesen so schnell wie möglich begrenzen. Dies gilt insbesondere für jene Zinsdifferenzmodelle, die mit geringen Eigenkapitalquoten gerechnet worden sind. Hier ist das Risiko, deutlich mehr als das eingesetzte Eigenkapital zu verlieren, besonders hoch.

Am US-Aktienmarkt findet ein Wechsel der Favoriten statt. Während bis vor kurzem die zinsreagiblen Versorgungs- und Finanzwerte zu den wiederholt empfohlenen Spitzenreitern zählten, konnten in den vergangenen Jahren zyklische Werte verstärkt Tritt fassen. Dies dürfte allerdings kaum der Beginn einer kraftvollen Hausse sein. Fundiert ist die Kursbesserung bei stark international ausgerichteten Aktien oder Titeln, die in Zukunft weniger unter europäischen und asiatischen Importen zu leiden haben. Im Bereich der DV-Werte könnte es nach der lang anhaltenden und weitreichenden Korrektur wieder attraktive Kurs-Chancen geben. Vorsichtige Engagements in Advanced Micro Devices, Motorola, National Semiconductor und Prime Computer können eingegangen werden. Dabei ist jedoch das Dollarrisiko zu beachten.

Kein kräftiger Start

Mit einem kräftigen Durchstarten des US-Aktienmarktes ist in nächster Zukunft nicht zu rechnen. Zwar befinden wir uns in einem intakten Aufwärtstrend, der Markt ist jedoch keinesfalls überverkauft. Im Gegenteil, die Indices notieren nahe ihrer historischen Höchststände. Eine Teilnahme an steigenden Kursen mit geringem Dollar-Kapitaleinsatz ist über den Kauf von Kaufoptionen möglich.

Ein weiteres Hebelinstrument, bei dem nur ein geringer Einschuß (Dollarrisiko!) geleistet werden muß, ist der Terminkauf von Aktienindices. Dieses Geschäft ist mit dem Standard & Poor's 500 Index, Value Line Index, sowie über Optionen mit dem Standard & Poor's 100 Index und dem Major Market Index und einigen Branchen-Spezialindices möglich (unter anderem gibt es einen "Technologie-Index"). Diese Geschäfte sind - ähnlich wie die oben vorgestellten Devisen-Terminoptionen - nur mit Hilfe amerikanischer Wertpapierbanken zurückzuführen.

Hauptgrund für die optimistische Grundtendenz zum US-Aktienmarkt ist neben dem sinkenden Dollar (Abwertungshausse) die positive Markttechnik. Sämtliche Leerverkaufsindikatoren geben klare Kaufsignale. Die Aufgelder, die beim Kauf des Terminaktienindex bezahlt werden, sind sehr niedrig. Dies beweist, daß wenig spekulative Engagements vorgenommen werden, was genug potentielle Kaufkraft für die Zukunft übrigläßt. Lediglich der Umsatz in Kaufoptionen war in jüngster Zeit so hoch, daß er als Warnsignal (zu viel Optimismus = zu viel schon investiertes Kapital) gewertet werden muß.

Dennoch: Nachdem der US-Markt nach dem fulminanten Anstieg Mitte '82 bis Mitte '83 lediglich eine Seitwärtsbewegung mit kurzfristigen Rallies gezeigt hat (in diese Zeit fiel der scharfe Dollaranstieg), sollte sich Wall Street nach der Umkehrung der Währungssituation in den nächsten Monaten positiv entwickeln können.

Nach der Hausse in Deutschland, der Schweiz und Österreich ist eine gründliche Marktbereinigung nötig, bis diese Börsen wieder ein gutes Chance/Risiko-Verhältnis bieten. In Deutschland begann die Aufwärtsbewegung im Herbst letzten Jahres. Das bedeutet zehn Monate Kursanstieg, wenn auch sehr selektiv. Unter normalen Umständen wäre eine mehrmonatige Konsolidierung, bei der bis zu 50 Prozent des gewonnenen Terrains wieder verlorengehen kann, notwendig.

Schwierige Phase

Der scharfe Kursanstieg wird besonders in einer Endphase durch spekulative Engagements vorangetrieben. Damit sind vor allem Kreditkäufe, Options- und Optionsscheinkäufe, aber auch zu hohe Eigenbestände der Banken gemeint. Diese spekulativen Engagements können bei Marktrückschlagen nicht durchgehalten werden, müssen verkauft werden (oft mit Verlust) und führen zu Angebotsdruck, der die Kurse purzeln läßt.

Maßstab für das Investitionsverhalten der verschiedenen Anlegergruppen ist die Markttechnik. Betrachtet man die Indikatoren für Deutschland und die Schweiz, so ist der Grad an Spekulationsbereitschaft und Optimismus zwar zurückgegangen, für eine sofortige Fortsetzung des Aufschwungs oder sogar neue Indexhöchststände ist es aber noch viel zu früh.

In dieser schwierigen Phase sollte auf defensive, zinsreagible Werte gesetzt werden. Das bedeutet: Trennung von allen Kreditengagements, Verringerung des Bestandteils an Optionsscheinen und Verkauf von Aktien, die zu stark vom Export in den Dollarraum profitieren. Neu-Engagements können hingegen bei Werten vorgenommen werden, die von der Fortsetzung der Zinssenkung und dem Dollarruckgang profitieren. Käufe bei Veba, Lufthansa und Thyssen sind angebracht. Man sollte jedoch zunächst nur einen Teil der geplanten Summe investieren.

Für die vor uns liegende Börsenphase Konsolidierung auf hohem Niveau) gilt: Käufe nur an schwachen Tagen, Gewinnmitnahmen immer an starken Tagen. Von einer Fortsetzung der Hausse am Anleihmarkt kann ausgegangen werden. Commerzbank-Genußscheine, die neue Null-Coupon-Anleihe der Commerzbank sowie langlaufende Pfandbriefe sind Instrumente mit guten Chancen bei kalkulierbarem Risiko.