IT im Anglagenbau/Internet-Standards vereinfachen das Dokumenten-Handling

Web-Techniken als Basis für ein Informations-Management

20.02.1998

Die Internet-Technik ist den Kinderschuhen entwachsen und spricht mittlerweile auch den industriellen Anwender an. Längst werden über das Web nicht mehr nur Informationen in Form von E-Mails oder einfachen ASCII-Dateien verschickt; die schnellen Verbindungen erlauben es heute bereits, weltweit verteiltes Concurrent Engineering via Internet zu betreiben. Das gilt auch für die Prozeßindustrie und hier speziell für den Bereich Anlagenbau, obgleich in diesem Anwendungsfeld der C-Techniken ungleich größere Datenmengen anfallen als beispielsweise in der Mechanikkonstruktion. Web-Techniken ermöglichen den Aufbau von Dokumenten-Management-Lösungen ohne dedizierte Dokumenten-Management-Software.

Basis ist das Transmission Control Protocol/Internet Protocol (TCP/IP), das für den Datenaustausch zwischen Computern bereits zum Standard wurde, als der Begriff Internet noch als Domäne universitärer Freaks galt. Die bekannten Ethernet-Verbindungen basieren beispielsweise auf diesem Standard. Alle im Internet verfügbaren Dienste benutzen TCP/IP; jeder Computer, der über dieses Protokoll verfügt, hat also Zugang zum Internet. Die Entwicklung der vergangenen Jahre zeigt aber auch, daß die Internet-Technik verstärkt für interne Netze, die sogenannten Intranets, eingesetzt wird. Man nimmt sogar an, daß diesen Technologien für den Datenaustausch über firmeninterne Netze künftig eine noch größere Bedeutung zukommen wird, als das für das globale Internet schon heute der Fall ist.

Die Web-Technik läßt sich in gewisser Hinsicht als eine Weiterentwicklung der Client-Server-Informationssysteme bezeichnen. Der Web-Server liefert zentral verwaltete Daten und Dokumente an eine beliebige Zahl von Benutzern. Im Unterschied zu den traditionellen Client-Server-Systemen, bei denen jedes Produkt beziehungsweise Programm mit eigenen Formaten und Protokollen implementiert werden muß, sind hier sowohl das Dokumentenformat als Hypertext Markup Language (HTML) als auch das Transportprotokoll als Hypertext Transport Protocol (HTTP) standardisiert. Der Web-Browser wird zum (ebenfalls standardisierten) "Universal Client" für alle Anwendungen.

Die Attraktivität des Web rührt auch von der Möglichkeit her, Hyperlinks zwischen HTML-Dokumenten setzen zu können. Hyperlinks verbinden den Anwender mit weiteren Dokumenten, entweder auf demselben Computer oder auf beliebigen anderen Servern. Sobald der Anwender einen Link anklickt, wird das jeweilige Dokument in den Browser geladen. Er muß sich also nicht darum kümmern, wo die jeweilige Information tatsächlich im Netz abgelegt ist.

Alle diese Eigenschaften des WWW kommen den Anforderungen der Verfahrensindustrie entgegen, die sich mit dem Management und der Verteilung einer großen Zahl von Dokumenten aus unterschiedlichsten Quellen konfrontiert sieht. Zur Zeit werden diese Dokumente von eigenen Systemen in einer Vielzahl meist inkompatibler Formate verwaltet. Stellt sich die Frage, wie diese Massen an Informationen für den Endanwender zuverlässig integriert werden können.

Die Lösung liegt auf der Hand: die Implementierung von WWW-Standards in die bestehenden Informationssysteme. Die Rede ist hier ausdrücklich von "Informationssystemen", denn im Bereich des Anlagenbaus werden weit mehr als nur die grafisch-konstruktiven CAD-Informationen, also der reine Zeichnungsinhalt, benötigt.

An jedem Bauteil hängen etliche Spezifikationen und Prozeßdaten, die sinnvollerweise in einer eigenen Datenbank gehalten werden. Dazu kommen die Versions- und Freigabeverwaltung und vieles mehr. Im folgenden soll skizziert werden, wie ein solches Web-basierendes Informationssystem für den Anlagenbau aufgebaut sein kann und welche Folgerungen und Vorteile sich für den Anwender ergeben.

CAD-Zeichnungen dynamisch laden

Zwei Hauptkomponenten sind charakteristisch für derartige Informationssystemlösungen:

- Eine ist für den Auszug und die Aufbereitung von Daten zuständig,

- die andere stellt eine Web-Server-Anwendung dar, mit der die Dokumente formatiert werden, die vom Server zum Browser geschickt werden sollen.

Die Aufbereitungskomponente ermöglicht das vollautomatische Auslesen von Attributdaten und Schemazeichnungen aus dem eigentlichen 3D- und 2D-Anlagenbausystem. 2D-Zeichnungen erhalten einen Index und werden in den Web-Server kopiert, Hauptbauteile werden als 3D-VRML-Modelle (Virtual Reality Markup Language) aufbereitet.

Über Hyperlinks zur Bauteil-Spezifikation

Das Informationssystem benutzt den "Netscape Enterprise Server Pro" und eine relationale Datenbank (Informix oder Oracle) sowohl als Informationsspeicher als auch als Web-Server. In einem abschließenden Prozeß lädt die Aufbereitungskomponente die Daten aus dem 3D- oder 2D-CAD-System direkt in die relationale Datenbank.

Das Server-Modul ist ein Multifunktionsprogramm, das innerhalb des Netscape-Web-Servers läuft und eine Reihe von Aufgaben erfüllt. Die Hauptfunktion besteht darin, aus dem Datenbankspeicher dynamisch HTML-Dokumente zu erstellen. Dazu gehören auch die Berechnung von Hyperlink-Referenzen zu anderen Daten und die Auswahl der jeweiligen Zeichnungen beziehungsweise 3D-Modelle.

Weitere Aufgaben der Server-Komponente sind die Benutzeradministration und die Regelung der Zugangsberechtigung sowie die Überwachung des optimalen Links zur Anlagen-Visualisierungssoftware.

Beide Programme, Visualisierungssoftware und Informationssystem, sind bidirektional miteinander verbunden. Damit werden die Suche und das Auffinden von Bauteilen auch im Netz möglich.

Ein solches Informationssystem für den Anlagenbau versetzt viele Anwender in die Lage, gleichzeitig die Details einer Anlage einzusehen. Es genügen ein handelsüblicher und preiswerter Web-Browser sowie die entsprechende Autorisierung, um auf den Server und damit auf die gewünschten Informationen zugreifen zu können.

Der Anwender sieht ein 2D- oder 3D-Modell, das aus disziplin- und abteilungsübergreifenden Daten erstellt ist. Dabei beschreibt das Dokument in einem leichtverständlichen Format umfassend die Zusammenhänge der größeren Anlagenteile und Rohrleitungsverläufe aus den zwei primären Dokumenttypen Equipment und Piping. Die angezeigten Informationen schließen detaillierte 3D-VRML-Modelle, Apparatestutzen und Rohrleitungskomponenten ebenso ein wie umfassende Spezifikationen und Prozeßdaten jeder Komponente. Das eingebettete 3D-Modell ist mit dem Komponentenindex gekoppelt, so daß durch einfaches Anklicken eines Bauteils im VRML-Modell dessen genaue Spezifikationen dargestellt werden.

Die durch Prozeßverläufe vorgegebenen Verbindungen werden über Hyperlinks nachgebildet, beispielsweise vom Apparatestutzen zum Rohrleitungsbeginn oder vom Rohrleitungsende zum Stutzen beziehungsweise T-Stück. Auf diese Weise lassen sich Prozeßverbindungen direkt und übersichtlich im Dokument darstellen.

Die Prozeßschemata und Rohrleitungspläne sind mit den Datenblättern der Bauteile in zwei Richtungen verbunden. Jedes Bauteil beinhaltet Links zu allen Zeichnungen, in denen es verwendet wird. In umgekehrter Richtung verfügen die Zeichnungen über Links zu den verwendeten Bauteilen. Ebenso lassen sich detaillierte Attributdaten direkt aus der Zeichnung entnehmen.

Der Anwender hat mehrere Möglichkeiten, auf das Informationssystem zuzugreifen:

- Er kann Bauteile lokalisieren, indem er die benötigten Daten über die Datenbank des CAD-Systems abfragt;

- Datenblätter lassen sich über die Zeichnung einsehen oder

- es läßt sich eine allgemeine Suche starten.

Die entsprechende Visualisierungssoftware vorausgesetzt, ist über das Web sogar ein "Walk-through" durch die virtuelle Anlage möglich.

Selbstverständlich ergeben sich aus der Nutzung der Web-Techniken einige zusätzliche Investitionen. Doch die Vorteile sind beträchtlich: Bereits in der Entwurfsphase verfügen alle Beteiligten über dynamische, disziplinübergreifende Dokumente mit Prozeßschemata, die ihrerseits mit dem 3D-Layout und dem 3D-Modell verknüpft sind.

Die Mitarbeiter im Konstruktionsbüro sind vollständig über Projektdetails und Projektfortschritt informiert, da sie einen autorisierten Zugang zum CAD-System haben.

Bei der Konstruktionsplanung haben die Ingenieure nicht nur den Überblick über ihre spezifischen Zeichnungen, sondern auch über die unterlegte CAD-Datenbank, mit der die Komponenten generiert wurden. Schließlich stellt ein Informationssystem vom Einkauf bis zum Betrieb der Anlage eine wertvolle Hilfe für die Planung von Betriebsabläufen und Wartungsarbeiten dar.

Die offene, WWW-basierende Architektur erleichtert die Integration bestehender Kontroll- und Überwachungssysteme, indem den Anlagenbetreibern die Konstruktionsdaten, Zeichnungen und das 3D-Modell zugänglich sind.

Angeklickt

Eine Herausforderung im Anlagenbau ist das Dokumenten-Management. Schließlich geht es neben reinen Zeichnungsinhalten auch um eine Vielzahl von Spezifikationen und Prozeßdaten. All diese Informationen müssen in ihren jeweiligen Versionen und nicht selten in proprietären Formaten verwaltet werden. Die Standards der Web-Technik versprechen hier Abhilfe. Ohne daß ein dediziertes Dokumenten-Management-System eingeführt werden müßte, lassen sich die Daten dynamisch aus dem CAD-Umfeld auslesen, in die Hypertext Markup Language (HTML) umwandeln und auf einem marktgängigen Browser darstellen. Mit Hyperlinks bis auf die Ebene von Bauteilen holt sich der Anwender sämtliche für ein Prozeßschema benötigten Informationen auf den Bildschirm.

*Paul Elton ist Mitarbeiter der Cadcentre Ltd., Cambridge, Großbritannien. Die deutsche Niederlassung befindet sich in Sulzbach/Taunus.