Web-Konferenzen vor dem Durchbruch

03.08.2005
Von Jürgen Wasem-Gutensohn
In Europa werden nur acht Prozent der weltweiten Umsätze mit Web-Konferenzen erzielt. Laut Untersuchungen soll sich das in absehbarer Zeit ändern. Dabei spielen verschiedene Anwendungen eine Rolle.
Die Mehrheit der deutschen Unternehmen nutzt Web-Konferenzen als Alternative zu persönlichen Meetings.
Die Mehrheit der deutschen Unternehmen nutzt Web-Konferenzen als Alternative zu persönlichen Meetings.

Für Standard-Meetings im Unternehmen leisten Web-Konferenzen bereits heute gute Dienste. Teilnehmer an solchen virtuellen Treffen arbeiten gemeinsam an Applikationen, besprechen Projekte oder treffen sich zu Produktpräsentationen und -schulungen. Das spart Zeit und Geld, insbesondere in Unternehmen mit weit verstreuten Niederlassungen.

Der Markt für Web-Konferenzen

Weltweit boomt der Markt für Web-Konferenzen. Für das Jahr 2004 ermittelte das Marktforschungsinstitut Frost & Sullivan ein Wachstum von rund 22,7 Prozent. Auch für 2005 prognostiziert das Unternehmen eine Zunahme um 24,5 Prozent. Von 2004 bis 2011 rechnet Frost & Sullivan mit einer durchschnittlichen jährlichen Steigerung von 27,4 Prozent. Bislang wurden deutlich über 80 Prozent der Umsätze in Nordamerika getätigt, lediglich acht davon entfielen auf Europa. Dennoch ist auch auf dem alten Kontinent mit einer kräftigen Entwicklung der Umsätze zu rechnen.

Frost & Sullivan zufolge wurden 2004 Umsätze in Höhe von 28,9 Millionen Dollar erzielt. Für 2005 rechnen die Marktforscher mit einem Wachstum um 59 Prozent auf 55,5 Millionen Dollar. Bis 2009 soll der Markt ein Volumen von 266,6 Millionen Dollar erreichen. Ein ähnliches Wachstum wird auch in Deutschland erwartet, da auch hiesige Unternehmen solche Dienste immer öfter einsetzen. Fast drei Viertel der deutschen Firmen sind überzeugt, dass ihnen die Einführung von Web-Konferenzen Vorteile bringt, so der Marktforscher Vanson Bourne. Anreize sind vor allem Kostenvorteile (Hauptargument für 44 Prozent der Befragten) und Zeitersparnis (wichtigster Vorteil für 37 Prozent), die sich durch Web-Meetings erzielen lassen.

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*76773: Vergleichstest: Web-Konferenzsysteme;

*73126: Microsoft setzt neue Groupware-Akzente;

*70250: Webex bietet kostenloses Fernwartungs-Tool für PCs.

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• wer die wichtigsten Anbieter sind;

• welche Auswahlkriterien man für einen solchen Service beachten sollte;

• ob Unternehmen Konferenzsoftware selbst betreiben sollen;

• für welche Anwendungen Web-Konferenzen primär genutzt werden.

So nutzt beispielsweise der Sportartikelhersteller Adidas-Salomon eine Web-Konferenz-Lösung von Webex. Ziel ist die bessere Koordination von Softwareentwicklern in Herzogenaurach bei Nürnberg, Hongkong und Portland (Oregon). Statt zu regelmäßigen Meetings und Workshops an einem der drei Standorte einzuladen und so beträchtliche Reisekosten zu verursachen, entschied das Projektteam, für die Kommunikation der Teilnehmer untereinander Web-Konferenzen zu wählen.

Im IDC-Report "2004 Web Conferencing Survey" kommen die Autoren zum Schluss, dass in Unternehmen weltweit die Zahl der Web-Konferenzen mit zunehmender Erfahrung ansteigt. Rund 60 Prozent der regulären Meetings könnten damit ersetzt werden, so IDC. Robert Mahowald, einer der Autoren der IDC-Studie, fasst die Anforderungen aus Anwendersicht so zusammen: "Web-Konferenzen müssen bequem, effizient und im Alltag leicht zu nutzen sein."

Kommunikation mit Kunden

Neben den klassischen internen Meetings (regulär oder ad hoc) gibt es weitere Einsatzszenarien. Im Bereich Produktschulungen und bei Service- und Supporteinrichtungen eignen sich Web-Konferenzen auch zur Kommunikation mit Kunden. DER Business Travel/Synergi in Frankfurt am Main nutzt ein Web-Konferenzsystem zur Kommunikation mit den Firmenkunden, für Präsentationen, Meetings und Produkttrainings. "Alle Account-Manager konfererieren pro Woche zusammen acht- bis zehnmal mit ihren Kunden über das Web", erläutert Christian Spangenberg, Bereichsleiter Key Account Management Sales des Unternehmens. "Legt man allein die vom Verband Deutsches Reisemanagement in einer Studie ermittelten durchschnittlichen Kosten von 500 Euro pro Geschäftsreise zugrunde, kann jeder leicht kalkulieren, welche Ausgaben sich durch Web-Konferenzen einsparen lassen."

Die Teilnahme an einer Web-Konferenz ist in der Regel einfach: Alles, was ein Anwender dazu braucht, ist ein PC mit Browser und ein Internet-Zugang. Auf dem deutschen Markt bieten gegenwärtig mehr als 50 Hersteller entsprechende Systeme an. Darunter sind Lösungen, die bei der Nutzung von Daten und Sprache eine zusätzliche Telefonkonferenz benötigen. Dazu zählen beispielsweise "Blaxxun Presentation Center", Microsofts "Office Live Meeting" oder auch "Citrix Goto Meeting". Andere Dienste für Web-Konferenzen und Virtual Classrooms wie "Genesys Meeting Center", "IBM Lotus Web Conferencing", "Macromedia Breeze" oder "Webex Meeting Center" verfügen dagegen standardmäßig über integrierte Audiokonferenzfunktionen. Einige unterstützen zusätzlich die Übertragung von Videoinformationen.

Installieren oder mieten?

Ein wesentliches Auswahlkriterium ist die Implementierung: Müssen Anwender eine eigene Infrastruktur aufbauen und administrieren, oder können sie auf die Dienstleistungen eines Anbieters zurückgreifen? Während IBM, Macromedia und Microsoft beide Möglichkeiten bieten, nutzt Webex seine Mediatone-Technologie und das Webex Interactive Network (WIN). Dabei handelt es sich um ein globales, redundantes und sicheres Netzwerk, das speziell für die Übertragung von Echtzeitkommunikation via Internet entwickelt wurde. Auch Citrix Goto Meeting - in Deutschland seit Anfang 2005 verfügbar - ist ein gehosteter Service, der bislang vorwiegend von kleinen und mittleren Unternehmen genutzt wird.

Zuverlässigkeit und Sicherheit zählen zu den wichtigsten Aspekten bei Web-Konferenzen. Denn schließlich werden bei internen, aber auch bei unternehmensübergreifenden Meetings mit Kunden oder Lieferanten häufig vertrauliche Informationen ausgetauscht. Eine unternehmensinterne Lösung, die von der eigenen IT-Abteilung betrieben wird, bietet ein recht hohes Maß an Sicherheit. Neben dem erheblichen Administrationsaufwand bedarf es aber darüber hinaus zusätzlicher Investitionen, um Geschäftspartner sicher in die interne Web-Konferenz-Lösung einzubinden.

Außerhalb der Firewall sollten Daten bei der Übertragung nur verschlüsselt transportiert werden. Dies erhöht die Sicherheit und die Akzeptanz von Web-Konferenzen. Wer hohe Ansprüche stellt, sollte mindestens auf eine 128-Bit-Verschlüsselung der Session-Daten achten. Das gilt für den gesamten Verlauf, vom Aufbau einer Sitzung, den gemeinsam erzeugten Daten bis zu den Web-Seiten, die nach Abschluss einer interaktiven Präsentation übertragen werden. Als weitere Sicherheitsvorkehrung sollte die gemeinsame Nutzung von Applikationen während einer Web-Konferenz eingeschränkt werden. Eine derartige Möglichkeit bietet beispielsweise Webex. Die Teilnehmer einer Präsentation können dort nur ausgewählte Anwendungen sehen und nicht Daten in anderen, gleichzeitig aktiven Programmen auf dem PC des Vorführenden ausspähen.

Collaboration legt zu

Primäre Einsatzgebiete von Web-Konferenzen sind gegenwärtig Präsentationen von Vortragsfolien. Dazu zählen auch Produktschulungen und Weiterbildungen. Die ergänzende Sprachübermittlung erfolgt via Telefon oder zunehmend auch über Voice over IP. Marktforscher wie Frost & Sullivan sehen einen weiteren Trend in Richtung der gemeinsamen Bearbeitung von Dokumenten und Daten, zu neudeutsch Collaboration. Ihren Beobachtungen zufolge hat in den letzten beiden Jahren das Einsatzgebiet Präsentation relativ gesehen an Bedeutung verloren, und die Collaboration hat zugelegt. Betrug 2003 das Verhältnis noch 64,7 Prozent (Präsentation) zu 35,3 Prozent (Collaboration), so ermittelte Frost & Sullivan für 2004 bereits eine Relation von 58,3 Prozent zu 41,7 Prozent. Erfahrungswerte und Berichte aus den Unternehmen deuten darauf hin, dass der Trend zur Teamarbeit via Web-Konferenzen anhalten wird. (ws)