Vertriebspolitik der Hersteller fordert IT-Abteilungen

Web-Browser entwickeln sich zur zentralen Desktop-Anwendung

16.02.1996

Einer Prognose des Marktforschungsinstituts zufolge werden bis zum Jahresende 1996 bereits 80 Prozent aller amerikanischen Unternehmen Web-Browser einsetzen. In Deutschland soll eine derartige Verbreitung ein Jahr spaeter erreicht werden. Dabei geht der Trend weg von Stand-alone-Produkten, wie sie heute noch hauptsaechlich zum Einsatz kommen, und hin zu Browser-Funktionen, die in Standardanwendungen und Betriebssysteme integriert werden.

Die meisten Hersteller von Client-Server-Anwendungen und -Tools sind derzeit damit beschaeftigt, ihre Produkte fuer das Web auszustatten. So unterstuetzt die Client-Software von Lotus Notes 4.0 direkt Hyperlinks zu HTML-Dokumenten auf Web-Servern, Applikationen des Microsoft-Office-Pakets sollen ebenfalls noch 1996 um solche Funktionalitaet erweitert werden.

Am meisten traegt zur schnellen Verbreitung von Web-Browsern bei, dass sie sich inzwischen als universeller Client fuer fast beliebige Datenquellen eignen. Daher sollen WWW-Front-ends zunehmend als Schnittstelle fuer sogenannte Groupweb-Anwendungen dienen, die viele grosse Unternehmen fuer die interne Dokumentenverwaltung, den Kundenservice und Diskussionsforen benutzen wollen. Zusaetzlich bieten praktisch alle etablierten Datenbankhersteller Loesungen an, damit Anwender mit Web-Browsern auf relational abgelegte Datenbestaende zugreifen koennen. Bei der Implementierung von aktiven Inhalten wird Java eine grosse Rolle spielen, daneben entsteht ein eigener, bedeutender Markt fuer Multimedia-Entwicklungswerkzeuge. Hersteller wie Macromedia oder Fujitsu gehen schon jetzt dazu ueber, Helper-Applikationen fuer Web-Browser anzubieten. Anwender koennen damit multimediale Anwendungen, die mit den Tools dieser Anbieter erstellt wurden, innerhalb der WWW-Front-ends ablaufen lassen.

Browser als Plattform fuer Desktop-Anwendungen

Der Trend, Web-Browser mit Add-ons fuer zusaetzliche Funktionen aufzuruesten, veranlasst beispielsweise Netscape, den Navi- gator zur Anwendungsplattform auszubauen, um sich von den anderen Browser-Anbietern abzuheben. Eine besondere Chance entstuende fuer diese Software durch den von mehreren Anbietern geplanten, sogenannten Internet-PC, fuer den sie zum universellen Front-end werden koennte.

Derzeit hat Netscape Communications mit dem Navigator einen Marktanteil von ueber 80 Prozent. Die Studie der Meta Group geht davon aus, dass der kalifornische Anbieter Marktfuehrer bleibt, dabei allerdings Anteile einbuessen wird. Auf wachsende Anteile im Browser-Markt duerfen demnach Oracle ("Power-Browser"), Microsoft ("Internet Explorer") und IBM/Lotus ("Spike") hoffen.

Bei der Verbreitung ihrer Web-Browser schlagen die Anbieter einen naheliegenden Vertriebsweg ein: Die Produkte koennen durchweg kostenlos ueber das Internet heruntergeladen werden. Dieses Vorgehen der Hersteller und die wachsende Bedeutung der WWW-Software droht fuer IT-Abteilungen zum Problem zu werden, wenn sie nicht rechtzeitig die Kontrolle ueber Web-Browser-Implementierungen uebernehmen. Der freie Zugang zu den verschiedensten Produkten kann sonst zu Sicherheitsrisiken, Integrationsproblemen und unnoetigen Kosten fuehren.